PRODUKTIVE FERTIGKEIT SCHREIBEN 1. Definition 2. Ziele 2.1. Schreiben als Mittlerfertigkeit 2.2. Schreiben als Zielfertigkeit 3. Linguistische Grundlagen 4. Lernpsychologische Grundlagen 5. Übungstypologie 5.1. Übungsformen 5.1.2. Übungen - Schreiben 5.1.3. Übungen - Leseverstehen + Schreiben 5.1.4 Übungen - Hörverstehen und Schreiben 6. Didaktisch geleiteter Schreibprozess – ein Beispiel mit Kommentar 7. Kreatives Schreiben 1. Definition Schreiben, d.h. Erstellen von Texten stellt schriftlich fixierte Sprachäußerung dar. Es ist ein äußerst komplexer Vorgang, für den sowohl logische Richtigkeit, als auch die Beachtung von formal-grammatischen Regeln, Regeln des Sprachgebrauchs und Anforderungen an die äußere Form bestimmend sind. Auch beim Schreiben müssen die allgemeinen Gesetzmäßigkeiten der Kommunikation beachtet werden: Man schreibt einem bestimmten Adressaten (Adressatenbezug), die Wahl der sprachlichen Mittel hängt von der Situation ab und schließlich das Produkt des Schreibprozesses soll die Regeln der jeweiligen Textsorte beachten. 2. Ziele Im FSU wird das Schreiben einerseits als Mittlerfertigkeit, andererseits als Zielfertigkeit angesehen. 2.1. Schreiben als Mittlerfertigkeit Nach HEYD stehen „Sprech- und Schreibübungen in einer Wechselbeziehung zueinander und stützen sich gegenseitig“( HEYD, 1997, 181). Das Schreiben unterstützt die Integrationsprozesse zwischen den Teilaspekten des Spracherwerbs, z.B. in Bezug auf die Bewusstmachung von Grammatik, Lexik oder Phonetik. Die graphomotorisch-visuelle Seite des Schreibprozesses trägt zum besseren Einprägen. Bei der Entwicklung des Hörens und Lesens fixiert der Lernende oft wichtige Informationen auch schriftlich. Wenn sich der Schüler auf Sprechübungen vorbereitet, stellen schriftliche Notizen eine wichtige Gedächtnisstütze dar (vgl. ebd.). 2.2. Schreiben als Zielfertigkeit Die Fertigkeit Schreiben sollte den Lerner befähigen: * Inhalte schriftlich zu fixieren * Informationen an Kommunikationspartner zu vermitteln * Texte zu strukturieren und Inhalte zu verknüpfen und dazu erforderlichen sprachlichen Mittel einzusetzen * Textsortenspezifische Merkmale und Schreibkonventionen der Zielkultur zu berücksichtigen. (JANÍKOVÁ./ McGOVERN, 2004, 53) Lernpsychologische Untersuchungen weisen darauf hin, dass man bei der Schreibschulung mehr Aufmerksamkeit dem Schreibprozess als dem Sprachprodukt widmen muss. Nach HEYD sollte das Schreiben als Prozess - verstehen durch Reflexion über den eigenen Schreibprozess, - erleben beim Sammeln von Schreiberfahrungen, - erlernen beim gezielten Üben zum Aufbau von Routinen (vgl. HEYD, 1997, 190). Die grundlegende Voraussetzung zur Entwicklung der Geläufigkeit in der schriftlichen Äußerung bildet die Herausbildung von graphomotorischen Gewohnheiten. Unzureichend fixierte graphomotorische Gewohnheiten hemmen den Schreibprozess, denn sich die Aufmerksamkeit des Schreibenden teilt zwischen die Schreibtätigkeit selbst und die Formulierung der mitzuteilenden Inhalte. Der Lernende kann seine Gedanken nur dann schriftlich festlegen, wenn graphomothorische und orthographische Gewohnheiten automatisiert sind. Das graphische System der Sprache schließt einerseits Schrift, andererseits Orthographie. Unter „Schrift“ verstehen wir die Gesamtheit der in einem System zusammengefassten grafischen Zeichen, bes. Buchstaben, mit denen Laute, Wörter, Sätze einer Sprache sichtbar festgehalten werden und so die lesbare Wiedergabe einer Sprache ermöglichen. Die Schreibung der von Wörtern und Sätzen unterliegt bekanntlich bestimmten Regeln, die die orthographische Norm der jeweiligen Sprache festlegt. 3. Linguistische Grundlagen Schreibdidaktik kann sowohl von sprachtheoretischen Erkenntnissen allgemeiner Art (Unterschied zwischen der gesprochenen und geschriebenen Sprache), wie auch von Untersuchungen der Textlinguistik Gebrauch machen. Die Textlinguistik untersucht, wie der im Rahmen einer Sprechhandlung produzierte Äußerung sprachlich hergestellt wird, genauer befasst sie sich mit den Sprachlichen Mitteln, durch die ein Text zum Text wird (vgl. BERGMANN, 2001, 121). Ein weiteres gemeinsames Forschungsgebiet stellen Schreiber-Leser-Beziehungen, Wirkungsabsicht des Textproduzenten und nicht zuletzt klare Argumentationsmuster dar. Theoretisches Wissen über den Textzusammenhang (Kohärenz) und die sprachlichen Mittel der Kohäsion (Konnexion, Wiederaufnahme, Pro-Formen) hilft dem Lernenden bei der eigenen Schreibproduktion (vgl. Dudengrammatik, 1998, 850ff). Der Unterschied zwischen der geschriebenen und gesprochenen Existenzform der Sprache soll anhand der folgenden Übersicht (nach BOHN) verdeutlicht werden: Sprechen: Syntax: überwiegend parataktische Verknüpfungen, in der Thema-Rema-Folge treten Abweichungen von der schriftsprachlichen Norm, Morphologie: Abweichungen von der schriftsprachlichen Norm, Wortschatz, Stilistik: ungenauer Wortwahl, Füllwörter, Wortwiederholungen Ausdrucksweise: Redundanz Schreiben: Syntax: gestraffte Fügungsweise, höherer Anteil von hypotaktischen Verknüpfungen, logische Thema-Rhema-Folge Morphologie: Korrektheit in der Anwendung der Norm Wortschatz, Stilistik: adäquate Bezeichnung, Synonymie, „Füllwörter“ werden für Stilbruch gehalten (vgl. BOHN, 1996, 235). 4. Lernpsychologische Grundlagen Auch vom lernpsychologischen Gesichtspunkt aus ist es günstig, das Schreiben als Mittelfertigkeit und Zielfertigkeit getrennt kurz zu behandeln. Das Schreiben als Mittlerfertigkeit verbindet nämlich eng einzelne Fertigkeiten. Als wichtig sind folgende Aspekte zu betonen: 1. Beim Schreiben werden mehrere Sinneskanäle aktiviert. Die Informationen werden dadurch effektiver eingeprägt und besser im Gedächtnis behalten. 2. Das Schreiben wird – im Anfangsunterricht – vom inneren Sprechen begleitet. 3. Eingeübte Schriftbilder werden beim Lesen schneller erfasst, Schriftbilder prägen sich beim Lesen ein. Beim Schreiben als Zielfertigkeit sollte man im Auge behalten, dass das Herstellen vom Text - als Zielprodukten der Schreibtätigkeit - bestimmte psychologische Vorgänge in Gang setzen muss. Die einzelnen Phasen des Schreibprozesses können beschrieben werden wie folgt: + Allgemeine Vorüberlegungen zu Textinhalt, Adressat(en) und Zielsetzung + Aktivierung von thematischem, Adressaten- und textuellem Wissen, + Ordnen und erstes Ausformulieren von Gedanken + (eventuell mehrmalige) Evaluation und Überarbeitung des bisher produzierten Textes in inhaltlicher, sprachlich-rhetorischer und textueller Hinsicht. (JANÍKOVÁ./ McGOVERN, 2004, 55) 5. Übungstypologie Der o. a. Schreibmodell war zur Grundlage des von POGNER (nach HEYD 1997, 191) entwickelten didaktischen Modells, in dem der Gesamtvorgang in fünf Phasen aufgeteilt ist: 1. „prewriting“ Material wird durch brainstorming oder Diskussion gesammelt, (Vorphase) Vorüberlegungen zum potentiellen Leser, zur Textsorte, relevante Informationen zu Zweck und Absicht des Textes angestellt; und/ oder Argumente werden ausgewählt bzw. zur Verfügung gestellt. 1. „writing“ Ein erster Entwurf unter der Fragestellung: (Schreibphase) „Was soll mitgeteilt werden?“ wird geschrieben. 2. „revising“ Das bereits Geschriebene wird kritisch durchgesehen und (Revidieren) reflektiert. Dazu erhalten die Lerner Hilfen, wie sie besser und adäquater schreiben können. (Mögliche Arbeitstechniken: Umschreiben, Kürzen, Gliedern.) 3. „editing“ Es erfolgen Korrekturen an der Oberfläche: Grammatik, (Edieren) Orthographie, Interpunktion, äußere Gestalltung. 4. „postwriting“ Es folgen Veröffentlichung und Reaktion der Leser. (Anschlussphase) (In der Unterrichtssituation wird diese Phase oft durch Bewertung/Benotung durch den Lehrer ersetzt.) 5.1. Übungsformen In diesem Teil gehe ich von der „Typologie der Testaufgaben“ von Peter DOYÉ aus. Die von ihm vorgeschlagenen Typen der Testaufgabe können nämlich im Unterricht als Übungen verwendet werden. In Anlehnung an den deutschen Pädagogen Karl Josef KLAUER und den amerikanischen Testtheoretiker Edward J. FURST, unterscheidet die sog. S-Komponente (Stimulus- Komponente)und R-Komponente (Reaktions- Komponente). „Ein Beispiel aus dem Bereich des Sprechens: Als S-Komponente wird dem Schüler eine Tabelle vorgelegt; die R-Komponente besteht darin dass er sich über die in der Tabelle enthaltenen Daten äußert. In Kurzform: S-Komponente R-Komponente Tabelle Äußerung über die dargestellten Daten. (vgl. DOYÉ, 1992, 14). Neben diesen zwei Komponenten bringt DOYÉ noch die sog. I-Komponente an, die „in das Zweier-Schema…ein drittes Element, die kognitive Komponente einbringt, also das, was im Kopf des Schülers vorgeht, wenn er auf die präsentierte Situation in bestimmter Form reagiert“ (vgl. ebd.) Im Hinblick darauf, dass es sinnvoll ist, die Fertigkeit Schreiben im Zusammenhang mit dem Leseverstehen und Hörverstehen zu üben, gilt dies auch für die Gestaltung von Übungen sowie Testaugaben. In Folgendem führe ich eine Liste der Aufgaben, die im praktischen Unterricht gut verwendet werden können. Zunächst nenne ich die Übungen, wo die Fertigkeit Schreiben isoliert geprobt wird, dann solche, wo sie kombiniert mit dem Leseverstehen und Hörverstehen eingeübt bzw. getestet wird. Der Übersichtlichkeit halber werden die entsprechenden Übungen in zwei Tabellen vorgestellt. 5.1.2. Übungen - Schreiben S-komponente I-Komponente R-Komponente Ein Bild Versprachlichen des Bildinhalts Beschreiben des Bilds Ein Bild Interpretation der im Bild dargestellten Ereignisse Berichten über die im Bild dargestellten Ereignisse Bildserie Verbinden der Bildinhalte zu einer Geschichte Erzählen der Bildgeschichte Mehrere Bilder Herstellung von Beziehungen zwischen den Bildern Äußerungen über die Beziehungen zwischen den Bildern Landkarte Versprachlichen der geographischen Informationen Äußerungen über geographische Informationen Stadtplan Verfolgen eines Weges Beschreiben des Weges Anweisung zur Erörterung eines Themas Entwerfen einer Konzeption zur Behandlung des Themas Schriftliche Behandlung des Themas Anweisung zur Erörterung eines Themas mit Stichwörtern * Entwerfen einer Konzeption anhand der Stichwörter Schriftliche Behandlung des Themas anhand der Stichwörter Anweisung zum Berichten ** Zusammenstellen der Inhalte des Berichts Schriftliches Berichten Anweisung zur Darlegung von Argumenten Sammeln von Argumenten Schriftliche Darlegung von Argumenten Anweisung zum erzählen einer Geschichte anhand von Stichwörtern Konzipieren einer Geschichte Schriftliches Erzählen der Geschichte Deutsche Vorgaben zu einem Brief oder zu einer Postkarte Entwerfen eines Briefes oder einer Postkarte Schreiben eines Briefes oder einer Postkarte (vgl. DOYÉ, 1992 , 92-93). BEISPIEL + KOMMENTAR Der Anschaulichkeit halber führe ich bei einigen mit „*“, „**“ gekennzeichneten Testaufgaben die Beispiele so, wie sie bei P. DOYÉ zu finden sind. * SCHREIBEN S: Die Schüller erhalten eine Anweisung zur Behandlung eines Themas. I: Sie entwerfen eine Konzeption zur Behandlung des Themas R: Sie behandeln das Thema schriftlich. Beispiel: Viele Menschen sind der Meinung, dass im Umgang miteinander mehr kritisiert als gelobt wird. Erörtern Sie (gegebenfalls an Beispielen), welche Bedeutung Sie Lob und Kritik in zwischenmenschlichen Beziehungen einräumen. aus: Goethe-Institut, Oberstufenprüfung, Übungssatz Ü/(&, Aufsatz, München 1986 (vgl. DOYÉ, 1992 , 106). ** SCHREIBEN S: Die Schüler erhalten eine Anweisung zum Berichten über ein Ereignis. I: Sie stellen die Inhalte des Berichts zusammen. R: Sie berichten schriftlich über das Ereignis. Beispiel: Schreib bitte über deine (erste?) Begegnung mit einem Deutschen/Österreicher/Schweizer, den du in seinem oder deinem Land kennengelernst hast. Versuche, die Situation möglichst anschaulich darzustellen. Die folgenden Stichwörter können dir vielleicht helfen: Die Person Wer?, Woher?, Wie alt? Die Situation Wann?, Wo?, Wie? Die Ereignisse Was? … 5.1.3. Übungen - Leseverstehen + Schreiben S-komponente I-Komponente R-Komponente Schriftliche Fragen Verstehen der Fragen: Konzipieren von Antworten Beantworten der Fragen Bilder und schriftliche Fragen dazu Interpretieren der Bilder, Verstehen der Fragen; Konzipieren von Antworten Beantworten der Fragen Schriftlicher Text und Tabelle dazu Verstehen des Textes und Umsetzung seiner Inhalte in geforderte Angaben Eintragen von Angaben in die Tabelle Schriftlicher Text Verstehen des Textes und Komprimierung seiner Inhalte Zusammenfassung der Textinhalte Schriftlicher Text Verstehen des Textes und Konzipieren einer Stellungnahme zu den Inhalten Stellungnahme zu den Textinhalten Schriftlicher Text als unvollständige Erzählung Verstehen des Textes und Konzipieren einer Fortsetzung Zuendeführen einer Erzählung Schriftlicher Text Verstehen des Textes und Umsetzung in eine andere Perspektive Erzählen einer Geschichte aus anderer Perspektive (vgl. DOYÉ, 1992 , 122-123). 5.1.4 Übungen - Hörverstehen und Schreiben S-komponente I-Komponente R-Komponente Gesprochener Text Verstehen des Textes und Umsetzen in Schrift Aufschreiben des Textes (nach Diktat) Gesprochener Text * Verstehen des Textes und Umsetzen der wichtigsten Inhalte in Notizen Eintragen der Notizen in eine Tabelle Gesprochener Text Verstehen des Textes und Komprimierung seiner Inhalte Zusammenfassung der Textinhalte Gesprochener Text als Erzählung Verstehen der Erzählung und gedankliche Wiederholung derselben Schriftliches nacherzählen Lied und lückenhafter schriftlicher Text dazu Verstehen des Textes und Umsetzen in die Schrift Schreiben der fehlenden Textteile in die Lücken (vgl. DOYÉ, 1992 , 136). BEISPIEL + KOMMENTAR Vgl. oben den Kommentar zur ersten Tabelle; das folgende Beispiel gebe ich verkürzt an. * HÖRVERSTEHEN + SCHREIBEN S: Den Schülern wird ein Text vorgesprochen. I: Sie verstehen den Text und setzen die wichtigsten Inhalte in Notizen um. R: Sie Tragen die Notizen in eine Tabelle ein. Beispiel: Sprecher: Liebe Hörerinnen und Hörer des Mittagsmagazin, sicher warten Sie schon auf unsere Frage der Woche. Diesmal waren wir auf dem Flughafen in Frankfurt und haben dort die Fluggäste gefragt: Was Haben Sie auf einer Reise immer dabei? Was würden Sie nie Vergessen? (Hintergrundgeräusche Flughafen) Reporter: Entschuldigen Sie bitte, darf ich sie mal etwas fragen? Ich sehe Sie sind Stewardess. Woher kommen Sie gerade? Stewardess: Mit der Swissäir aus New York. Reporter: Sind Sie Schweizerin? Stewardess: Ja ich komme aus Bern. Reporter: Gibt es eigentlich etwas, was Sie bei ihren Flügen immer dabei haben? Stewardess: (lacht) Ja, meinen Teddybär. (Reporter sucht die nächste Opfer; Flughafengeräusche) … Beruf? kommt woher? fliegt wohin? nimmt was mit? Schweizerin Brite Italiener Deutsche Deutscher: nach: Themen“, Lehrwerk für Deutsch als Fremdsprache, Kursbuch 6, S. 86 und Cassette, Lektion 7, Hueber, München 1984. 6. Didaktisch geleiteter Schreibprozess – ein Beispiel mit Kommentar BEISPIEL: Als Beispiel eines didaktisch unterstützten Schreibprozesses führe ich (verkürzt) eine „Anleitung“, wie ein Kurzreferat verfasst werden soll. Ich habe gerade diesen dem Schreiben gewidmeten DaF-Werks Kapitel gewählt, denn Referate werden zwar schriftlich ausgearbeitet, aber mündlich vorgetragen, d.h. dass einige Hinweise auch für Sprachproduktion im FSU nützlich sind. * Ein Referat ist ein Bericht über ein Thema, das meistens von jemand anderem formuliert wird. * Das Referat wird schriftlich ausgearbeitet, aber mündlich vorgetragen. Die Studierenden/Schüler sollen hier lernen, zu einem gestellten Thema ein schriftlich ausgearbeitetes, aber mündlich vorzutragendes Referat von festgelegter Länge zu halten. Dazu müssen Sie: * Informationen zum gestellten Thema auswählen * die Informationen anordnen * verständlich darstellen * miteinander verbinden Dabei müssen Sie jeweils überlegen: * Was wissen die Zuhörer schon? * Was möchte ich ihnen mitteilen? * Können sie verstehen, was ich ihnen sagen will? BEMERKUNG: An dieser Stelle widme ich – ähnlich dem Autor des Beispiels – keine Aufmerksamkeit dem Erwerb von aktuellen Informationen. Der Lehrer soll aber Schülern in dieser Phase dadurch behilflich sein, dass er auf die zur Verfügung stehenden Informationsquellen hinweist. Erster Schritt: Das Thema klären Leitfrage: Was verlangt das Thema? * Jedes Wort des Themas muss genau abgegrenzt werden: Beispiel: Das Bildungswesen in der Bundesrepublik Deutschland: Ø Bildung: a) öffentlich, im Gegensatz zur – privaten – Erziehung; b) allgemein, im Gegensatz zur Ausbildung, die auf einen ganz bestimmten Beruf vorbereitet. Ø Bildungswesen: Wesen bedeutet mehr als Struktur oder System; es schließt auch Inhalte und Probleme mit ein. Ø Bundesrepublik Deutschland: also kein Vergleich mit früheren Zeiten oder mit anderen Ländern. * Wenn das Thema unklar formuliert oder für die vorgegebene Zeit zu umfangreich ist, muss eine präzisere Formulierung abgesprochen werden. Zweiter Schritt: Stichwörter sammeln Leitfrage: Wenn ich ein Referat zu diesem Thema hörte – welche Informationen würde ich erwarten? Beispiel: Das Bildungswesen in der Bundesrepublik Deutschland: Ø Schulpflicht?, Dauer? Ø Schultypen? Aufbau? Abschlüsse? usw. Ø Fächer? Stundenplan? Lehrmittel? usw. Ø Probleme? Reformen? politische Auseinandersetzungen? usw. * Sammeln Sie so viele Stichwörter wie möglich; später können Sie auswählen! Dritter Schritt: Auswählen Leitfrage: Wie lange darf mein Referat werden? * Nicht immer, aber meistens sind kurze Referate besser als lange. * Für die Diskussion, für Rückfragen usw. sollte etwa doppelt so viel Zeit bleiben wie für das Referat selbst. Rechnen Sie für eine DIN-A4-Seite etwa drei Minuten. * Ein Abschnitt sollte nicht kürzer sein als eine halbe Seite, sonst würde das Referat zu verwirren Wenn Sie also 10 Minuten sprechen wollen, wählen Sie nicht mehr als 5 bis 6 Informationsabschnitte aus. BEMERKUNG: Für den Lehrer ergibt sich aus dem o. a. Grundsätzen die Empfehlung, den Schülern die Länge des Beitrags im Voraus festzulegen. Bei den kürzeren schriftlichen Aufgaben kann auch die Anzahl von Wörtern (bei den mit Hand geschriebenen Texten auch die Anzahl von Zeilen, Seiten usw.) angegeben werden. Vierter Schritt: Anordnen Leitfrage: Wie kann ich die Informationen in eine sinnvolle Ordnung bringen? * Ein gutes Referat hat einen „Roten Faden“, das heißt die Informationen sind nach einem klar erkennbaren Prinzip geordnet. Einige Beispiele: * Ordnungsprinzip: Mehrere deutlich unterschiedene Aspekte Beispiel: Umweltprobleme: 1. Bodenverschmutzung; 2. Wasserverschmutzung; 3. Luftverschmutzung; 4. Lärm Auch bei Themen, die einen Vergleich erfordern, ist es besser, nach Aspekten oder nach einem Funktionszusammenhang zu ordnen. Wenn man dagegen erst A und dann B darstellt und am Schluss beide vergleicht, wird das Referat unübersichtlich, und man muss sich häufig wiederholen. Beispiel: Kohle und Erdöl als Energiequellen – ein Vergleich der Vor- und nachteile. Falsch: 1. Vorteile der Kohle; 2. Nachteile der Kohle; 3. Vorteile des Öls; 4. Nachteile des Öls; 5. Vergleich. Richtig: 1. Vorräte und Vorkommen; 2. Förderung; 3. Transport; 4. Verarbeitung; 5. Verwendungsmöglichkeiten; 6. Umweltbelastungen; 7. Zusammenfassung * Ordnungsprinzip: Von außen nach innen. Von einer äußerlichen Beschreibung geht man zu den komplexeren Aspekten über. * Es gibt nicht die einzige richtige Einteilung, aber es gibt bessere und schlechtere. Besser sind die Einteilungen, die vom Zuhörer leicht verstanden und während des ganzen Referats behalten werden können. BEMERKUNG: Auf das Prinzip der Einheitlichkeit soll besonders Wert gelegt werden. Der „rote Faden“ kann auch gemeinsam im Unterricht zusammengestellt werden, wobei der Lehrer die Grundsätze nicht nur explizit formuliert, sondern auch an richtigen und falschen Beispielen deutlich demonstriert. Fünfter Schritt: Die Zuhörer bedenken Leitfrage: Wer sind meine Zuhörer? Was wissen sie schon über das Thema? Was ist leicht für sie zu verstehen, und wo muss ich genauere Erklärungen geben? * Was für die Zuhörer leicht zu verstehen ist, kann ich kurz behandeln. Was neu und überraschend ist, muss ich ausführlicher darstellen. Auf diesen Aspekt sollte der Lehrer eingehen: Ein vergleichbarer Wissensstand ist Voraussetzung für Verstehen der Zusammenhänge. Die Frage des Adressaten bzw. Publikums muss unbedingt berücksichtigt werden. Nach diesem fünften Schritt sollten die Schüler in der Lage sein, eine geordnete Stichwortsammlung für ihr Referat zusammenzustellen. BEMERKUNG: Diese Schritte betreffen vor allem methodologische Prinzipien allgemeiner Art, die sowohl die Struktur der gegebenen Textsorte, wie auch die logische Gedankenfolge und nicht zuletzt auch die Mitglieder des Kommunikationsprozesses berücksichtigen. In den folgenden Schritten werden stilistische und sprachliche Gesichtspunkte erörtert. Sechster Schritt: Formulieren Leitfrage: Wie muss ich mein Referat schreiben, damit ich es nachher mündlich vortragen kann? * Dazu einige wichtige Hinweise: Ø (a) Kurze Sätze. Ø (b) Klare Gedankenfolge. Ein Gedanke muss sinnvoll an den hervorgehenden anschließen. Ø (c) Wenig Pronomen; es ist besser das Substantiv zu wiederholen Ø (d) Die Gliederung muss „hörbar “ werden. In einem Buch gibt es Absätze und Zwischenüberschriften. In einem Referat müssen Sie das sprachlich ausdrücken. Sie müssen deutlich sagen, dass ein Abschnitt zu Ende ist und ein neuer beginnt, z.B. v Soviel zum (Föderalismus im Bildungswesen). v Ich gehe jetzt über zum oder ich komme jetzt zum (Aufbau des Schulsystems). v Das war ein Überblick über (den Aufbau des Schulsystems). Jetzt müssen wir noch genauer betrachten, wie (sich Schüler zahlenmäßig auf die einzelnen Schultypen verteilen). v Während im letzten Kapitel (der äußere Aufbau) im Vordergrund stand, gehe ich jetzt noch auf (die inneren Probleme der einzelnen Schultypen) ein. v Im vierten und letzten Kapitel lassen Sie mich einiges zu (den Reformbestrebungen im Schulbereich) sagen. * Es hilft den Zuhörern, wenn am Ende eines jeden Kapitels das Wichtigste noch einmal kurz zusammengefasst wird. * Was beim Hören nicht immer gleich aufgenommen werden kann, muss schriftlich mitgeteilt werden: Zahlen, Namen, Buchtitel, schwere Begriffe sollte man vorher an die Tafel schreiben. BEMERKUNG: Wenn der Lehrer das mündliche Vortragen eines Referats seiner Schüler vorhat, sollte er eine Zeitreserve für das Aufschreiben dieser wichtigen Begriffe einplanen; auch derjenige Schüler, der das Referat vorzutragen hat, muss damit beim Planen rechnen. Dieser Umstand muss explizit erwähnt werden. * Beim mündlich vorgetragenen Referat ist es besonders wichtig, abstrakte theoretische Gedanken durch anschauliche Beispiele deutlich zu machen. Aber die Beispiele dürfen nicht zu lang sein. Jedes Beispiel muss abgeschlossen werden mit einem kurzen Hinweis darauf, was das Beispiel deutlich machen sollte: v Dieses Beispiel /Diese Geschichte zeigt uns, dass/wie… v An diesem Beispiel kann man sehen/ wird deutlich, dass/wie… v Ich habe diese Geschichte erzählt, um zu zeigen, dass/wie… Siebter Schritt: Optische Hilfsmittel entwerfen Leitfrage: Welche Teile meines Referats kann ich durch Tabellen, Skizzen, Abbildungen verdeutlichen? * Alles, was sich in Zahlen ausdrücken lässt oder in einem genau definierten Funktionszusammenhang steht, sollte durch Tabellen, Diagramme oder Schaubilder optisch verdeutlicht werden. Zahlen und Tabellen können Sie ins Hand-out aufnehmen; Skizzen und Schaubilder müssen Sie an die Tafel oder auf eine Folie für den Tagelichtsschreiber zeichnen, denn Sie müssen während des Referats auf die Abbildung zeigen können. * Alle Tabellen, Schaubilder usw. müssen im Referat genau erklärt werden: v Diese Abbildung - zeigt uns…/ veranschaulicht…/ macht deutlich…/ soll uns zeigen… v Aus dieser Abbildung - ist zu ersehen…/ ist ersichtlich…/ ergibt sich… v Wie diese Abbildung – zeigt, …/ deutlich macht,… BEMERKUNG: Dieser „Schritt“ kann insofern verallgemeinert werden, dass die Schüler nicht nur zum korrekten Sprachgebrauch geführt werden, sondern es wird auch die kommunikative Kompetenz – Informationen sachgerecht zu vermitteln – geübt. Dass der Lehrer da als ein Vorbild funktionieren sollte, muss nicht betont werden. Achter Schritt: Einleitung schreiben * In der Einleitung geben Sie: Ø eine kurze Erklärung, wie sie das Thema verstehen und wie es eingegrenzt werden soll, Ø einen Überblick über den Aufbau des Referats, Ø Hinweise auf Ihre Informationsquellen. (Woher haben Sie Ihre Informationen bekommen?) * Das folgende Schema kann Ihnen als Anhaltspunkt dienen: v Das Thema meines Referats lautet… v Darunter ist zu verstehen… v Zunächst werde ich… v Anschließend …Dann…Und zum Schluss… v Aus Zeitgründen kann ich auf…nicht eingehen. v Ich stütze mich bei meinen Ausführungen vor allem auf folgende Bücher/ Aufsätze… BEMERKUNG: Wichtig ist, dass zuvor das Referat selbst verfasst wird, und erst danach die Einleitung. Es ist dadurch gerechtfertigt, dass in der Einleitung alle wesentlichen Momente des Referats berücksichtigt werden. Aus methodischen Gründen bietet sich die Möglichkeit an, die Anleitung mit dem „roten Faden“ zu vergleichen. In der Vorbereitungsphase kann z.B. in kleinen Gruppen diskutiert werden, welche bedeutenden Punkte des Referats in der Einleitung unbedingt erwähnt werden müssen. Neunter Schritt: Hand-out entwerfen Hand-out ist ein neuer Name für ein Hilfsblatt, dass die Zuhörer zu Beginn eines Referats in die Hand bekommen und das ihnen das Verständnis erleichtern soll. Auf dem Hand-out stehen: * Name des Referenten; * Thema des Referats; * Gliederung * Zahlenangaben (Tabelle, Diagramme); * Namen; * Erklärung wichtiger Begriffe; * Literaturangaben. BEMERKUNG: Der letzte Punkt betrifft, so wie er dargestellt ist, vor allem Hochschulstudenten. Bei fortgeschrittenen Lernern des Deutschen bzw. bei Gruppen, derer Mitglieder wissenschaftlich arbeiten, gilt das, was ich oben im Hinblick auf den achten Schritt angeführt habe: ein solcher methodischer Vorgang unterstützt sowohl das ordnende Denken wie auch kommunikative Kompetenz der Lerner. (vgl. ESSELBORN/ WINTERMANN,1980, 58 - 65) 7. Kreatives Schreiben Kreatives Schreiben ist eine Bezeichnung für Schreibansätze, die davon ausgehen, dass Schreiben ein kreativ-sprachlicher Prozess ist, zu dem jeder Mensch methodisch angeleitet werden kann. Kreatives Schreiben geht damit über klassischen Schreibunterricht hinaus. Eine einheitliche Beschreibung dessen, was Kreatives Schreiben umfasst, lässt sich kaum geben, weil die Ansätze sich in Grundlagen, Methoden und Zielen zum Teil sehr stark unterscheiden. Das kreative Schreiben stellt keine isolierte Unterrichtsmethode dar – ganz im Gegenteil: Alle vier Bestandteile der Sprachkompetenz können dabei zur Geltung gebracht werden. Dazu noch werden dabei auch Inhalte aus der deutschen Literatur und Landeskunde verwendet. In der heutigen Schreibdidaktik sind kreative Schreibmethoden zu selbstverständlichen methodischen Elementen geworden, die längst über den Deutschunterricht hinausgehen. Im Unterschied zu den Entwicklungen der 1970er und 1980er Jahre ist seit den 1990er Jahren ein Methoden- und Konzeptionspluralismus zu verzeichnen. Sofern konzeptionell über den Einsatz von Techniken des Kreativen Schreibens im Unterricht nachgedacht wird, ist das Bemühen zu bemerken, die verschiedenen Ansätze zu integrieren. Das kreative Schreiben kann ähnlich den anderen Prozessen in mehrere Phasen gegliedert werden. Der Lehrer kann – je nach Bedarf – der jeweiligen Phase mehr oder weniger Zeit widmen. (vgl. POMMERIN, G et al., 1996, 60-70). 1. Vorbereitungsphase In dieser Phase sollten die Schüler möglichst viele Ideen zum angegebenen Thema zusammenbringen. Eine der Möglichkeiten ist „Brainstorming“. Unter Brainstorming (deutsch auch "Ideenkonferenz") versteht man von Alex OSBORN erfundene und von Charles CLARK weiterentwickelte Kreativitätstechnik, die die Erzeugung von neuen, ungewöhnlichen Ideen in einer Gruppe von Menschen fördern soll. Jeder soll seine Gedanken frei äußern können. Darum sollte der Lehrer während der Brainstorming Phase die vorgetragenen Ideen nicht bewerten, geschweige denn sie als untauglich zu bezeichnen oder sie lächerlich zu machen. Es ist dagegen vorteilhaft, alle aufzuschreiben, damit die einzelnen Lerner ihre Assoziationen mit denen ihrer Mitschüler vergleichen können. Auf diese Weise kann das Thema in seiner ganzen Breite dargestellt werden. Im FSU dient dieses Vorgehen der Wortschaterweiterung. 2. Strukturphase Während dieser Phase sollten die Lerner ein Schlüsselbegriff wählen, von dem sie ihre Gedanken- bzw. Textfolge entwickeln werden. Sowohl Kommunikationsabsicht, wie auch der Aufbau des Textes sollen deutlich gemacht werden. Das Ergebnis dieser Phase ist Herausbildung des „roten Fadens“ (Schüler stellen das Verzeichnis der wichtigsten inhaltlichen Schwerpunkte zusammen). 3. Eigentliche Schreibphase Die Lerner formulieren ihre Ideen in den Sätzen; sie schaffen einen kohärenten Text. Die einen beachten streng die einzelnen Punkte des „roten Fadens“, von anderen wird er ergänzt bzw. völlig verändert. In diese Phase gliedert der Lehrer in der Regel die grammatische Phase ein, wo er den Lernern Unklarheiten im Bereich der Morphologie und Syntax erklärt und bei dem Wortwahl hilft. 4. Phase des Vorlesens Hier präsentieren einzelne Schüler ihre Texte vor den anderen. Der vorgelesene Text muss jedoch noch nicht die endgültige Version darstellen. Diese „Zwischenphase“ kann nämlich neue Impulse und Ideen bringen. Die Lerner können über ihre Werke miteinander diskutieren und gegenseitig raten. Der Lehrer hilft ihnen die grammatischen bzw. stilistischen Fehler zu korrigieren. 5. Phase der Überarbeitung In dieser Phase korrigieren die Lerner ihre Fehler und bemühen sich den Text zu verbessern. Sie können dabei entweder in Gruppen oder selbständig arbeiten. Auch jetzt stellt der Lehrer die ratende und korrigierende Instanz dar. 6. Phase – zweite Bearbeitung und das finale Produkt Der Prozess des kreativen Schreibens ist hier zu Ende. Die Texte sind geschrieben, aber die Schüler können mit ihnen noch weiter schöpferisch arbeiten: Illustrationen, Photos oder Kollagen können ihnen hinzugefügt werden. Nicht nur aus Motivationsgründen können solche „finale Produkte“ z.B. in eine Klassenchronik oder Schulzeitschrift veröffentlicht werden.