http://ts.faz.net/ts/v.aspx?3|525728786|1|1|id|1|grub|268ab64801534cf288df93bb89f2d797|gdoc|351E071 5DAB2411D9913813A90725F35|stpl|/f30/common/content.aspx|js|0 Home http://faz.ivwbox.de/cgi-bin/ivw/CP/2C0107040300;faz.net/aktuell/naturundwissenschaft/menschgene?n= 486504&r=http%3A//www.faz.net/s/Rub268AB64801534CF288DF93BB89F2D797/Doc%7EE351E0715DAB2411D9913813A 90725F35%7EATpl%7EEcommon%7EScontent.html http://faz.ivwbox.de/cgi-bin/ivw/CP/2C0107040300;faz.net/aktuell/naturundwissenschaft/menschgene/n= 10000 http://www.faz.net/img/leer.gif?faz.net/aktuell/naturundwissenschaft/menschgene.ivw&n=10000&rub=268 AB64801534CF288DF93BB89F2D797&tpl=common/Themenseite&doc=&ses=1 Aktuelle Nachrichten online - FAZ.NET AktuellWissenMensch & Gene Sarrazins Gen-Thesen In Sachen Intelligenz nicht auf Intuition bauen Aus wissenschaftlicher Sicht kann man Thilo Sarrazin eigentlich keinen Vorwurf machen. Er hat als Laie nur das weitergegeben, was manche sogenannten Experten vorher behauptet haben. Bleibt die Frage: Wieso fördern die selbsternannten Experten immer noch eugenisches Gedankengut? Von Manfred Velden Von Genen gesteuert? Ein Zwillingspaar Von Genen gesteuert? Ein Zwillingspaar 08. September 2010 Die Problematik der von Thilo Sarrazin losgetretenen Debatte besteht vor allem darin, dass es sich bei ihrem Thema (Erblichkeit mentaler Eigenschaften wie zum Beispiel Intelligenz) um ein solches mit erheblichen politischen Implikationen handelt, es gleichzeitig aber auch wissenschaftlich äußerst voraussetzungsvoll ist. Für eine vernünftige Diskussion ist es unabdingbar, dass alle Teilnehmer die Grundlagen der verwendeten Erblichkeitsbestimmungen kennen. Es soll deshalb hier versucht werden, in unvermeidlicherweise stark vereinfachter Form, die Grundprinzipien der Bestimmung von sogenannten Erblichkeitskoeffizienten (die ursprünglich in der Agronomie zur Vorhersage von Züchtungserfolgen entwickelt wurden) darzustellen und die Konsequenzen zu beschreiben, die sich aus ihrer Anwendung auf mentale Eigenschaften beim Menschen ergeben. Dabei stellen sich zwei ganz entscheidende Fragen. Erstens: Kann es einen allgemeinverbindlichen Erblichkeitskoeffizienten, wie er für die Intelligenz immer wieder postuliert wird, überhaupt geben[M1] ? Und zweitens: Sagt das Ausmaß der Erblichkeit etwas darüber aus, inwieweit eine mentale Eigenschaft wie die geistige Leistungsfähigkeit durch soziale, politische oder pädagogische Interventionsmaßnahmen verändert werden kann[M2] ? Variation ist Voraussetzung für Erblichkeit Die Bejahung der zweiten Frage ist eine zentrale Annahme eugenischen Denkens, das ja die Zwangsläufigkeit der Degeneration der Nation als Folge der überproportionalen Nachkommenzahl Minderbegabter unterstellt. Es sei vorausgeschickt, dass bei den folgenden Ausführungen ganz bewusst auch an die Leser gedacht wurde, die sich gegen die Erlernung formaler mathematischer Sprache als resistent[M3] erwiesen haben. Die in Klammern eingefügten Formeln können eine nützliche Hilfe sein, zum Verständnis der Grundprinzipien reicht aber auch der übrige Text. Der einzige statistische Begriff, den man zum Verständnis der Erblichkeitsberechnungen benötigt, ist jener der Variation oder Varianz. Quantitative Merkmale, also solche, die beliebig viele Werte annehmen können, wie die Körpergröße, haben bei verschiedenen Menschen verschiedene Ausprägungen. Um zu beschreiben, wie stark bei einer Anzahl von Individuen die Unterschiede hinsichtlich des Merkmals sind, wie stark also das Merkmal variiert, hat man als standardisiertes Maß die Varianz* entwickelt. Zum Thema * Integrations-Debatte: Was ist dran an Sarrazins Thesen? * Intelligenz-Forschung: Wir sind alle Schlümpfe * Lernforscherin Elsbeth Stern im Gespräch über Gene und Intelligenz Variation ist Voraussetzung für Erblichkeit. Wären alle gleich groß, brauchte man sich keine Gedanken über die Erblichkeit der Körpergröße zu machen. Der entscheidende Grundgedanke der Quantitativen Genetik besteht darin, dass man die in einer Population zu beobachtende und messbare Varianz, die phänotypische Varianz (Vph), in verschiedene Komponenten aufteilen kann. So bedingt etwa die Tatsache, dass Menschen in verschiedenen Umwelten aufwachsen und leben, dass das in Frage stehende Merkmal bei ihnen verschieden stark ausgeprägt ist. Sie erzeugt also Varianz, die umweltbedingte Varianz (Vu), die Teil der phänotypischen Varianz ist. Ebenso erzeugt die Tatsache, dass Menschen genetisch verschieden ausgestattet sind, einen speziellen Varianzanteil, die genetisch bedingte Varianz (Vg). Berechnung des Erblichkeitskoeffizienten Neben diesen beiden Ursachen für Variation gibt es noch weitere Quellen für Abweichungen, jedoch wollen wir hier vom einfachsten Fall ausgehen, nämlich dass die phänotypische Varianz sich allein aus Vg und Vu zusammensetzt (Vph = Vg + Vu). Um den Erblichkeitskoeffizienten und seine im Rahmen unserer Diskussion wichtigsten Bedeutungen zu verstehen, reicht dieser einfachste Fall völlig aus. In diesem Falle wäre der Erblichkeitskoeffizient der Anteil der erblich bedingten an der gesamten - der phänotypischen - Variation. Formal gesprochen: Die genetisch bedingte Varianz (Vg) dividiert durch die phänotypische Varianz (Vph) ist der Erblichkeitskoeffizient. Da sich die phänotypische Varianz aus der genetisch und der umweltbedingten Varianz zusammensetzt, ist der Erblichkeitskoeffizient letzten Endes der Quotient aus der genetisch bedingten Varianz (Vg) dividiert durch die genetisch bedingte plus die umweltbedingte Varianz. Der Erblichkeitskoeffizient ist damit ein Dezimalbruch, der prinzipiell zwischen 0 und 1 schwanken kann. Für Erblichkeitsangaben multipliziert man häufig mit 100 und kommt so zu Prozentangaben für Erblichkeit. Unser insoweit erarbeitetes Instrumentarium reicht nun bereits aus, die beiden oben erwähnten, für den Wert von Erblichkeitskoeffizienten entscheidenden Fragen zu beantworten, und die Antwort ist bei beiden ein eindeutiges Nein. Wieso? Wenn es einen allgemeinverbindlichen Erblichkeitskoeffizienten etwa für die Intelligenz tatsächlich geben sollte, so müssen die genetisch bedingte und die umweltbedingte Varianz Konstanten sein. Für den genetischen Anteil Vg mag dies mit einer gewissen, jedoch nicht großen Ungenauigkeit zutreffen, da die menschliche Spezies genetisch recht homogen ist, wie vor allem der Genetiker Cavalli-Sforza gezeigt hat. Unterschiede in einer Sozietät Kann man die Konstanzannahme aber auch für die umweltbedingte Varianz machen? Hierzu müssen wir uns genauer ansehen, was Vu zum Beispiel bei einer mentalen Eigenschaft wie Intelligenz oder geistige Leistungsfähigkeit bedeutet. Wir kennen keineswegs alle Umweltbedingungen, die für die Entwicklung geistiger Leistungsfähigkeit relevant sind, von zweien ist aber immerhin bekannt, dass sie eine wichtige Rolle spielen: Schulbildung und sozioökonomischer Status. Darf man annehmen, dass in allen Gesellschaften der Welt die Unterschiede in der Qualität der Schulen gleich sind? Ganz offensichtlich nicht. Es gibt Länder, in denen praktisch alle Kinder Zugang zu guten Schulen haben, und solche, in denen eine kleine Schicht Zugang zu guten Schulen hat, eine breite Schicht Zugang zu relativ schlechten Schulen hat und viele Kinder überhaupt nicht zur Schule gehen. Auch für den sozioökonomischen Status gilt, dass er innerhalb von Sozietäten in ganz verschiedenem Ausmaß variieren kann. Dabei dürfte es sich nicht um Unterschiede von einigen Prozent handeln, sondern die Unterschiede in einer Sozietät (wobei natürlich auch an Sozietäten innerhalb von Nationen zu denken ist) können das Vielfache derer in anderen betragen. Eugenik kann nicht funktionieren Erblichkeit ist also eine Funktion der Umwelt, was gegen unsere Intuition ist. Da nun also die umweltbedingte Variation nach der oben dargestellten Logik den Erblichkeitskoeffizienten stark mit beeinflusst, müssten sich dementsprechend für verschiedene Sozietäten ganz unterschiedliche Erblichkeitskoeffizienten ergeben. Das Ausmaß, in dem dies der Fall ist, zeigen die empirisch ermittelten Erblichkeitskoeffizienten. Nach einem der Standardlehrbücher der Psychologie schwanken die publizierten Erblichkeitskoeffizienten von 0,10 bis 0,87, ergo: 10 bis 87 Prozent Erblichkeit. Das bedeutet von vernachlässigbar bis zu einer Größe, welche die höchsten Werte bei anderen Merkmalen wie Körpergröße sogar noch übertrifft. Ganz offensichtlich gibt es keinen allgemeinverbindlichen Erblichkeitskoeffizienten für Intelligenz, allenfalls spezifische, stark variierende für verschiedene Populationen. Kann nun ein Erblichkeitskoeffizient etwas darüber aussagen, inwieweit ein mentales Merkmal durch Intervention, also Umwelteinflüsse, veränderbar ist? Wie erwähnt ist dies die entscheidende Frage für jeden eugenischen Ansatz, der ja von der genetisch bedingten Zwangsläufigkeit einer nationalen Degeneration ausgeht. Nach der beschriebenen Logik ist die Erblichkeit eines mentalen Merkmals eine Funktion der bestehenden Umweltunterschiede, das heißt, je homogener die Umwelt desto größer die Erblichkeit, so dass zum Beispiel bei einem Bildungssystem, das allen Kindern gute Schulen bietet, die Erblichkeit der mentalen Leistungsfähigkeit besonders hoch ist. Die Annahme der Eugenik, dass die Veränderbarkeit eines Merkmals umso geringer ist, je höher seine Erblichkeit, hätte damit den abwegigen Schluss zur Folge, dass die Wirksamkeit von Interventionsmaßnahmen beispielsweise pädagogischer Art eine Funktion der Umweltvariation in einer Gesellschaft wäre. Sarrazin gibt nur Experten-Behauptungen wieder Ganz allgemein ist also festzuhalten: Erblichkeitskoeffizienten reflektieren die im Durchschnitt in einer Population wirksamen Umweltunterschiede. Sie können deshalb gar nichts über die Wirksamkeit von sozialen, politischen oder pädagogischen Maßnahmen aussagen, die gezielt auf Einzelne oder spezifische Gruppen angewendet werden. Diese Wirksamkeit muss in jedem Falle gesondert überprüft werden. Nach dem Gesagten ist es eigentlich gar nicht mehr nötig, auf die umfangreiche empirische Evidenz dafür hinzuweisen, dass die von Eugenikern seit Galton prognostizierte Degeneration nie eingetreten ist. In allen entwickelten Ländern nimmt die Testintelligenz seit vielen Jahrzehnten kontinuierlich zu, ziemlich genau drei IQ-Einheiten pro Dekade. Was Sarrazin betrifft, so kann ihm wissenschaftlich eigentlich kein Vorwurf gemacht werden. Er hat als Laie nur das weitergegeben, was manche sogenannten Experten vorher behauptet haben. Da er offenbar an die Wissenschaftlichkeit dieser Behauptungen glaubt, kann man ihm auch keine rassistische Einstellung vorwerfen. Bleibt die Frage: Wieso stellen die selbsternannten Experten immer noch solche Behauptungen auf, die eugenisches Gedankengut fördern. Manfred Velden war Professor für Biologische Psychologie in Mainz, Berlin (TU) und Osnabrück und hat sich zuletzt intensiv mit den negativen Auswirkungen der Biologisierung der Psychologie befasst. Text: F.A.Z. Bildmaterial: APN © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH 2010. Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigungs- und Nutzungsrechte erwerben Suchen Sie einen Spezialisten? Krebs, Herz, Orthopädie, Plastische Chirurgie, Neurologie, Gastrologie, u.a. Hier Informieren! Verlagsinformation http://ts.faz.net/ts/v.aspx?3|944687025|1|1|id|20|skey|faznet_koop_arztsuche_vl|ntyp|1|grub|%7b268A B648-0153-4CF2-88DF-93BB89F2D797%7d|js|0 Home Suchen Sie einen Spezialisten? Krebs, Herz, Orthopädie, Plastische Chirurgie, Neurologie, Gastrologie, u.a. Hier Informieren! F.A.Z. 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