NJII_77 Verfassen von wissenschaftlichen Arbeiten Lucia Foľvarská 06.11.2013 399158 Die Opfer – Täter Problematik in Bernhard Schlinks Roman Der Vorleser. Der Vorleser, ein Roman, der das Licht der Welt 1995 erblickte, ist schlagartig zum Bestseller nicht nur in Deutschland, sondern auch weltweit geworden; und der Name des Autors, Bernhard Schlink, steht heutzutage in jedem Literaturlexikon der Gegenwartsliteratur. Unter den Kritikern wurde er als positiv, sowohl auch negativ empfunden[1]^1. Liebe und Hass, Schuld und Unschuld; und hauptsächlich Täter und Opfer. Das alles findet man in der Geschichte, die der etwa 50 jährige Michael Berg zurückblickend auf sein Leben nacherzählt. Doch wer ist der Täter, und wer ist das Opfer des Romans? Auf den ersten Blick ist es klar. Es ist Hanna. Doch beim genaueren Untersuchen stößt man auf Schwierigkeiten – es ist doch nicht so eindeutig. Man muss sich weitere Fragen stellen. Was macht einen Täter zum Täter und ein Opfer zum Opfer? Kann ein Opfer gleichzeitig ein Täter sein und umgekehrt? In einer Hinsicht ist Hanna Schmitz hundertprozentig einer der Täter – als die Juden damals in der Kirche grausam zum Tode verurteilt wurden, ohne jemand das Urteil laut ausgesprochen hätte, und verbrannt sind; war sie dabei als eine der KZ-Aufseherinen und hat nichts untergenommen, um sie zu retten. „Was hätten Sie denn gemacht?“[2]^2 Und eine unbefriedigende Antwort folgt, die der Richter nach kurzem Überlegen von sich hergibt. Aber was hätte er wirklich gemacht, was hätten wir an ihrer Stelle gemacht? Es ist eine Frage der Moral, auf die es wahrscheinlich keine richtige Antwort gibt und nicht gestellt worden sollte.[3]^3 Doch, um die Leser (und die Zuhörer im Gerichtssaal) auf ihre Seite zu gewinnen, musste sie um jenen Preis gestellt worden sein. Denn warum hat sie das getan? Was hat sie dazu getrieben, es zu tun? Welche Gründe hatte sie allererst? War es ihr Analphabetismus, den sie vor den Vorurteilen der anderen das ganze Leben verborgen hat? Der Welt, sein eigenes Gesicht zu zeigen, ist niemals einfach, doch es zu verstecken, bringt Konsequenzen mit sich. Schuld, Analphabetismus, Unmündigkeit werden durch die Literatur überwunden und dem Michael wird der Status des Opers zugeschrieben. Des Opfers, das aus der sexuellen Beziehung der beiden herausgeht. Aber war er wirklich ein Opfer? Er hat doch freiwillig mitgemacht, er hat sich die Beziehung allein ausgesucht, niemand hat ihn gezwungen. Diese Fragestellungen sollen in der Arbeit aufgeklärt und beantwortet werden. [4]1vlg. Opfer und Täter von Hannes Fricke in Romane des 20. Jahrhunderts, S. 287-291 [5]2Schlink, Bernhard. Der Vorleser: Roman. Zürich: Diogenes, 1997. S. 107 [6]3vlg. Opfer und Täter von Hannes Fricke in Romane des 20. Jahrhunderts, S. 285-286