•Musik und Musikgeschichte in den habsburgischen Ländern, ca. 1620-1820 • •Music and Music History in the Hapsburg Countries, c. 1620-1820 • •4 •Elisabeth Theresia HILSCHER • •Elisabeth.hilscher@oeaw.ac.at Zeit des Umbruches ca. 1735 bis ca. 1820 Von Barock zur „Wiener Klassik“ – vom höfischen zum bürgerlichen Musikleben Viele Stile in kurzer Zeit •Barock •Klassik •Spätbarock/Frühklassik •empfindsamer Stil •Galanter Stil •Vermischte(r) Stil(e) •Kirchenstil •Kammerstil •Opernstil Neue Gattungen – neue Gewichtungen •Musikdramatische Gattungen: höfische Oper wird marginalisiert à Opera seria; wachsende Bedeutung erhalten die unterhaltenden Gattungen Opera buffa, Vaudeville, Singspiel • •Kommerzialisierung des Theaters: Repertoirebetrieb, „Starkult“, Internationalität statt regionale Charakteristik Oper •Neapolitanische Oper dominiert die Opera seria, dazu deutliche Einflüsse des französischen Theaters (Gluck, Salieri) • •à Glucksche Opernreform: Text muss im Vordergrund stehen; Textdeutlichkeit und dramatischer Fortgang vor musikalischer Virtuosität [siehe auch Reformen von A. Zeno und P. Metastasio] Oper - Beispiele •Josef Mysliveček: Il Bellerofonte (1767) • • •Antonio Salieri: Axur, Re d´Ormus (1788) Oratorium •Ende der Oratorienpflege des Hofes mit 1740 • •Italienisches Oratorium wird bis in die 1. Hälfte des 19. Jhdts. weitergepflegt (ab ca. 1780 zunehmend in Übersetzungen) • •Ab ca. 1770 öffentliche Oratorienaufführungen als Teil des neuen öffentlichen Konzertlebens •(z. B. durch die Tonkünstler Societät in Wien) Oratorium - Beispiel • •Joseph Haydn (Giov. Gastone Boccherini): Il ritorno di Tobia (1775/1784) [komponiert für die Tonkünstler-Societät] • • •Joseph Eybler: Die Hirten bei der Krippe zu Bethlehem (1794) •[ebenfalls für die Tonkünstler Societät komponiert] • • Kirchenmusik •Die italienische Aufklärung (Lodovico Muratori) prägt die kirchliche Reformbewegung des 18. Jh. in den habsburgischen Ländern. •Konzentration auf die wesentlichen liturgischen Elemente •Abschaffung des „Andachts-Unwesens“ und an Aberglauben grenzende Auswüchse der Volksfrömmigkeit Kirchenmusik •Reduktion von Wallfahrten und Prozessionen •Abschaffung der Bruderschaften (mit 27. 11. 1783), Einzug des Vermögens •Aufhebung von Klöster und Umwidmung der Gebäude •Dadurch Schließung vieler Kapellen und Sängerknabeninstitute, Reduktion der Kirchenmusik • Kirchenmusik •Neuer Stil à Austausch des Repertoires um 1770 (wirkt bis heute – nur geringe Überlieferung älterer Bestände) •Annäherung im Instrumentarium an Oper/Instrumentalmusik •Landessprachliche Liederbücher, Förderung des Kirchengesanges in Landessprache, Katechismus und Gebete in Landessprache • Kirchenmusik - Beispiele •Antonio Salieri: Messe in B-Dur • •Michael Haydn, Requiem pro Defunco Archiepiscopo Sigismondo [Schrattenbach] • Instrumentalmusik •Im Barock als „unvollständige“ Gattung eher als nebensächlich betrachtet, spielt die Instrumentalmusik ab der Mitte des 18. Jh.s. eine wachsende Rolle. •Symphonie und Sonate gelten als „Leitgattungen“ der Wiener Klassik •Konzert (Klavierkonzert) und Streichquartett spielen ebenso eine wichtige Rolle in der Entwicklung eines öffentlichen wie häuslichen Musiklebens Instrumentalmusik •Entwicklung aus der barocken Sinfonia (à Symphonie) bzw. dem Divertimento (à Streichquartett) •Weiterentwicklung der Sonate und des Concerto im Sinne der neuen thematischen Arbeit und Prinzipien des Satzbaues (vor allem im Kopfsatz) •„barockes Relikt“ Menuett! Begriff „Wiener Klassik“ •Diskussion über die Herkunft der „Wiener Klassik“: Streit Guido Adler / Hugo Riemann (Mannheimer Schule versus Wiener Schule/Monn) • •Diskussion ist bis heute im Laufen – auf jeden Fall war Wien im 18. Jh. ein Zentrum der Entwicklung der symphonischen Aktivitäten Streichquartett/Streichtrio •Zweite „Leitgattung“ der Wr. Klassik •Entwicklung aus dem barocken Divertimento • •Kennzeichen ist eine intensive thematische Arbeit (v.a. im Kopfsatz), die sich durch alle Stimmen zieht („Gespräch von vier gleichberechtigten gebildeten Männern“) Klaviersonate und Klavierkonzert •Großer Aufschwung im Klavierbau vom barocken Cembalo zum leistungsstarken Piano Forte (W.A. Mozart: Wien sei ein „wahres Clavierland“). • •Klavier wird ab ca. 1770 zum Hausmusikinstrument des Adels und Bürgertums schlechthin (gleich verbreitete wie das häusliche Streichquartett) Instrumentalmusik - Beispiele •Karel Stamic, Concerto für Klarinette und Orchester in Es (1. Satz: Allegro) •Georg Matthias Monn, Sinfonia in G bzw. Sinfonia a quattro in b •Antonín Reicha, Bläserquintett in Es op. 88, Nr. 2 (Finale: Allegretto) Konzertwesen •Bis ca. 1750 finden Konzerte in einem geladenen, einem geschlossenen Kreis zugänglichen Rahmen statt. • •Ab ca. 1750 öffentliches Konzertwesen entsteht – man bezahlt für den Eintritt, er ist jedem, der eine Karte kaufen kann, offen (dazu Abonnement- bzw. Subskriptionssystem) Entwicklung des öffentlichen Konzertwesens •1745: Beginn der „Wiener Fastenkonzerte“ am Burgtheater (J. Sellier) [Vorbild sind die Pariser „Concert spirituel“) •Ab 1756 unregelmäßig Akademien am Burgtheater •Ab 1761 jeden Freitag (spielfrei!) Akademien am Burgtheater Tonkünstler Societät •Gegründet 1771 als Pensionsverein der Wiener Musiker und der Hofmusiker •Ab 1772 2x/Jahr Benefiz-Akademien mit Werken der Societät-Mitglieder. •Übernahme der Oratorien-Pflege des Hofes in das öffentliche Konzertleben Weitere Konzerte •Benefiz-Akademien anderer Wohltätigkeits-Institute (Armeninstitut, Taubstummeninstitut, „Zum Wohle der Kriegswitwen und Verwundeten“) •Trattnerhof (Ghelen) •Mehlgrube •Freiluftkonzerte (Augarten): Martin, Jahn Adelskonzerte •In der Tradition der adeligen Abendunterhaltungen •Nun mit erweitertem Publikumskreis an „Kennern und Könnern“ •Kinsky, Trautsohn, Sachsen-Hildburghausen,Baron Keess, Lobkowitz, van Swieten •„Gesellschaft der Associirten Cavaliere“ • Neue Trägerschichte – neue Strukturen •Bürgertum / 2. Gesellschaft (niederer Adel/Beamtenadel): werden die Träger des Musiklebens ab ca. 1750, vor allem ab 1780 und im 19. Jh. •Vereine: neue Organisationsform, löst (bis zu einem gewissen Grad) die alten Bruderschaften ab – iuristische Basis, statt religiöser Basis (Musikvereine, Wohltätigkeitsvereine etc.) • • • • •