üb lic tei R< 13 gl ui P< d< dl w Ej k C a P s l a s s Jörg K.Hoensch Geschichte Böhmens Von der slavischen Landnahme bis ins 20. Jahrhundert Zweite aktualisierte und ergänzte Auflage ■ B Verlag C. H. Beck München j 04 IX. Unter Maria Theresia und Joseph II. nem Beifall aufgenommen worden. Die positiven Seiten des Josephinismus» Vor allem die Aufhebung der Leibeigenschaft, die Toleranz- und die Robotpatent/ die Versuche der Urbarialregulierung und der Neuordnung der Grundsteuer' die Sozialgesetzgebung und die Verwaltungsreformen, wurden entweder \L ihrer bahnbrechenden Modernität nicht erkannt oder wegen der bürokratischen Auswüchse, der taktischen Fehler und der das Volksempfinden verletzenden unausgewogenen Eingriffe in Brauchtum und Tradition in den Hintergrund gedrängt. Der Konsolidierung des erschütterten Vertrauensverhältnisses und der Bereinigung der ungelösten Streitpunkte mußte der neue Herrscher Leopold IL daher Vorrang einräumen, besonders angesichts der Welle neuer Beunruhigungen, die durch die Französische Revolution ausgelöst wurde. X. Die Voraussetzungen für die nationale Wiedergeburt unter den Tschechen, 1790-1848 i. Der außenpolitische Ereignisrahmen Das Napoleonische Zeitalter und das sich in der Habsburgermonarchie anschließende „System Metternich", die zur bürgerlichen Revolution des Jahres 1848 führende Restaurationsperiode, haben im Königreich Böhmen zwar politisch nur wenige Spuren hinterlassen, dagegen aber die Voraussetzungen für einen eindrucksvollen Wirtschaftsaufschwung, eine tiefgehende soziale Umschichtung und einen kulturell-geistigen Reifeprozeß geschaffen, auf deren Grundlagen sich dann die vielgerühmte „tschechische nationale Wiedergeburt" vollziehen konnte. Durch einen relativ begrenzten Personenkreis, dem überwiegend Geistliche und Gelehrte, aber kaum Mitglieder der Aristokratie angehörten, wurde im Vormärz die Diskussion über die nationale Geschichtsdeutung und über das Verhältnis zum Land und Staat Böhmen intensiv vorangetrieben, die jedoch durch den Umstand beeinträchtigt wurde, daß der allein zur Verfügung stehende Begriff český nur in ziemlich komplizierter Umschreibung eine Unterscheidung zwischen „böhmisch" und „tschechisch" ermöglichte. Der aus dem mittelalterlichen Latein übernommene, bis ins i.Viertel des 19.Jahrhunderts überwiegend verwendete Ausdruck „Böhmen" und „böhmisch" sowohl für das Land als auch für das Volk und die Sprache schloß den beträchtlichen deutschböhmischen Bevölkerungsteil mit ein, der sich aber unter den Bedingungen der allgemeinen Nationalisierung des öffentlichen und kulturellen Lebens und der vom aufstrebenden tschechischen Bürgertum verfolgten nationalpolitischen Ziele zunehmend aus der Gesamtheit der Landesbewohner ausgegrenzt fand und sich deshalb nach 1848 im deutsch-österreichischen oder deutschnationalen Sinne engagierte. Die von Joseph Matthias Graf Thun, einem Angehörigen des Hochadels, noch 1845 verfochtene Auffassung, „wederein Ceche noch ein Deutscher sondern nur ein Böhme" zu sein, verlor unter dieser Prämisse jede politisch-nationale Relevanz. Die bereits vor 1840 in der deutschen Publizistik immer häufiger verwendeten geographisch-politischen Begriffe „czechisch" und „Czechen" wurden von den tschechischen Patrioten anfangs entschieden zurückgewiesen: zum einen, weil sie der unterstellten Auslegung, in den „Böhmen" einen den Bayern und Sachsen vergleichbaren Stamm der deutschen Gesamtnation zu sehen und die „Czechen" auf ein ethnisch-slavisches Einsprengsel zu reduzieren, eine eindeutige Absage erteilen wollten, zum anderen aber auch, weil sie nur als „Böhmen" das Erbe der glorreichen Traditionen ihres Königreiches beanspruchen konnten und allein die Berufung auf das historische jo6 X. Die nationale Wiedergeburt der Tschechen Staatsrecht der St.Wenzelskrone Aussicht auf eine weitreichende politisch Selbstverwaltung im Rahmen des Habsburgerreiches zu bieten schien. Die sprachlichen, kulturellen und teilweise auch die politischen Erneuerungsbestre bungen der tschechischen bürgerlichen Nationalbewegung und der sich wie derum zuspitzende Antagonismus zwischen Tschechen und Deutschen habe jedenfalls bereits vor dem Sturmjahr 1848 entscheidende Impulse erhalten.' Leopold II. (1790-1792), der nur ungern seine langjährige erfolgreiche Regierungstätigkeit im Großherzogtum Toscana aufgab, um Nachfolger seines überraschend verstorbenen Bruders Joseph II. zu werden, fand sich im März 1790 mit einer Fülle schwieriger innen- und außenpolitischer Entscheidungen konfrontiert, die im Interesse der Gesamtmonarchie keinen Aufschub duldeten 1 Der von den Zeitgenossen als umgänglich, gerecht und fortschrittlich eingeschätzte Kaiser (Wahl am 30. IX. und Krönung am 9.X. 1790 in Frankfurt) verfolgte mit Beharrlichkeit und Augenmaß die von ihm als notwendig erkannte Konsolidierungspolitik, die durch die Zurücknahme einiger der von seinem Vorgänger erlassenen Verordnungen zu einem Abbau der Spannungen in Ungarn und in den Österreichischen Niederlanden beitrug. Mit dem ihm eigenen Sinn für das Mögliche wußte er auch die Unzufriedenheit der böhmischen und mährischen Ständevertreter zu besänftigen, indem er die Aufhebung des josephinischen Urbarial- und Steuerpatents von 1789 am 19. IV. 1790 zuerst für Mähren-Schlesien, am 9. V. auch für Böhmen bekanntmachte und dafür das the-resianische Robotpatent von 1775 wieder in Kraft setzte. Mit der Einberufung der Landtage am 1. V. war die Aufforderung an die Stände verbunden, ihre Klagen und Wünsche offen vorzutragen.3 In diesen umfangreichen „Desiderien" trat das Anliegen zutage, im Rahmen einer verbesserten Landesordnung wenigstens die von den letzten beiden Monarchen kassierten Mitwirkungsrechte an der Landesverwaltung zurückerstattet zu erhalten und den Tradition und Herkommen zuwiderlaufenden Zentralismus abzubauen. Leopold IL, der sich am 6. IX. 1791 in aller Form in Prag krönen und am 10. X. in Brünn von den mährischen Ständen feierlich huldigen ließ, kam diesen Forderungen insoweit nach, als er die 1714 errichteten, 1783 aber aufgehobenen Landesausschüsse erneut zuließ und ihnen einen Teil der an die Gubernien und Kreisämter verlorengegangenen Aufgaben zurückgab. Die Grundherren fanden sich dadurch zufriedengestellt, daß die niedere Gerichtsbarkeit, die Polizeigewalt, die Rekrutierung und die Steuererhebung auf ihren Gutskomplexen restituiert wurden, aber strenger staatlicher Aufsicht unterstellt blieben. Da sich unter den Bauern wegen des befürchteten Abbaus ihrer neugewonnenen Rechte Unruhe breitzumachen begann, wurden die Annullierung der Leibeigenschaft und die Dienstverpflichtungen des Robotpatents aufrechterhalten und ab 1792 die Rustikalsteuern aufgrund der für das Landvolk günstigeren Schätzungen des josephinischen Katasters erhoben. Mit Genugtuung wurde die Zurücknahme der Verordnung über den Gebrauch des Deutschen als allgemeiner Verwaltungssprache zur Kenntnis genommen; die Regelung, künftig die „landesübliche" Sprache zu gebrauchen, führte dazu, daß in den böhmischen Ländern vor Gericht oder als äußere Amts- Der außenpolitische Ereignisrahmen IJ90-1848 307 spräche gleichermaßen die deutsche und die „böhmische" Sprache Anwendung fanden. Modifikationen schienen Leopold II. auch bei einigen anderen Reformkomplexen seines Bruders Joseph II. angebracht zu sein. Auf kirchenpolitischem Gebiet wurde die Wiederzulassung einiger aufgelöster Klöster gestattet; wichtiger jedoch war die Aufhebung der staatlich kontrollierten Generalseminare für die Priesterausbildung, die künftig wieder der Verantwortung der Bischöfe unterstand. Maßnahmen, das Schulwesen und die Universitäten zu Selbstverwaltungskörperschaften umzugestalten oder Justizreformen voranzutreiben, kamen über Ansätze nicht hinaus. Die Auflösung der Vereinigten Hofstelle und die damit verbundene Trennung der politischen und der fiskalischen Administration ließ auf einen Abbau der übertriebenen Zentralisierungsmaßnahmen hoffen. Die Einlösung des angesichts der Entwicklung in Frankreich gemachten Versprechens, den böhmischen Ländern eine neue Verfassung unter gleichberechtigter Einbeziehung der Bürger und Bauern zu geben und ihnen eine größere Eigenständigkeit einzuräumen, die der Präsident der böhmisch-österreichischen Hofkanzlei, Leopold Graf Kolowrat-Krakovsky, in die Wege leitete, verhinderte die Zuspitzung der außenpolitischen Lage ebenso wie der frühe Tod des Kaisers, der unerwartet am 1. III- 1792 verstarb. Unter Mißachtung der zuvor von Kanzler Kaunitz verfolgten Außenpolitik hatte Leopold IL einen Ausgleich mit Preußen (Konvention von Reichenbach, 27. VII. 1790) gesucht, der die Voraussetzung bot, den verlustreichen Türkenkrieg an der Seite Rußlands am 2. VIII. 1791 durch den Frieden von Sistova zu beenden. Der besorgniserregende Verlauf der Revolution in Frankreich hatte den Kaiser veranlaßt, am 25. VII. 1791 mit Preußen ein Präliminarbündnis und am 7. IL 1792 ein Verteidigungsabkommen zu schließen, um zur Hilfeleistung für seinen gefangengesetzten Schwager Ludwig XVI. und seine Schwester Marie Antoinette gerüstet zu sein. Die Furcht vor einer Ausbreitung revolutionären Gedankenguts in den eigenen Erbländern ließ Leopold II. noch eine Verschärfung der Zensurmaßnahmen und eine Erweiterung der Polizeikontrolle anordnen, so daß beim Bekanntwerden seines Todes Gerüchte von einem Attentat kursierten, das den Jakobinern oder den Freimaurern angelastet wurde. Vor dem Hintergrund der drohenden militärischen Auseinandersetzung mit Frankreich hatte Franz II. (als König von Böhmen und seit 1806 als Kaiser von Österreich: Franzi., 1792—1835) seine Herrschaft anzutreten. Der Weg zum „Kaisertum Österreich" Obschon von Franz IL, dem 24 Jahre alten Sohn Leopolds IL, keine bemerkenswerten politischen Initiativen und aufsehenerregenden Reformen ausgingen, hat er mit Pflichtbewußtsein und Ausdauer das ihm übertragene Reich weitgehend ungeschmälert durch das von Kriegen und Aufständen geprägte erste Vierteljahrhundert seiner langen Regierungszeit hindurchgesteuert und sich danach, X. Die nationale Wiedergeburt der Tschechen konservativ und jeder Veränderung abhold, fest an das Hergebrachte und Bewährte gehalten.4 Für die böhmischen Länder empfand er keine besondere Sympathie und brachte auch für ihre speziellen Voraussetzungen wenig Interesse auf, auch wenn er sich bereits am 9. VIII. 1792 im Prager St. Veitsdom mit dem herkömmlichen Zeremoniell zum König von Böhmen krönen ließ. So blieben die böhmischen Länder während der Koalitionskriege und dem antina-poleonischen Befreiungskampf weitgehend sich selbst überlassen, trugen aber schwer an den Kriegslasten und hatten vor allem in Mähren unter den Schäden zuleiden, die durch die Kampfhandlungen und Besetzungen verursacht worden waren. Im Ersten Koalitionskrieg (1792-1797) gingen die Niederlande und weite Teile der italienischen Besitzungen verloren, obgleich Erzherzog Karl bald als „Retter von Böhmen" gefeiert,5 durch die Siege von Würzburg (24. VIII.) und Amberg (3.XI. 1796) wenigstens die Gefahr einer französischen Invasion in den Erbländern abzuwenden vermochte. Als „Gouverneur von Böhmen für den militärischen Teil" hatte der äußerst populäre Karl nach dem Abschluß des Friedens von Campo Formio (17./18.X. 1797) in Prag die Rüstungen für den nächsten Waffengang voranzutreiben. Inzwischen waren am 13.1. 1795 in der Dritten Teilung Polens der Habsburgermonarchie die bis vor die Tore Warschaus reichenden südpolnischen Gebiete zugefallen, wodurch der sla-vische Bevölkerungsanteil bedeutend anstieg. Auch der Zweite Koalitionskrieg (1799-1802) berührte die böhmischen Länder nicht unmittelbar, doch die Abtretung der reichen und wirtschaftlich fortschrittlichen Lombardei, für die nur das heruntergewirtschaftete Venetien gewonnen wurde, verlangte ihnen schwerste materielle Leistungen ab. Der Durchzug russischer Armeen unter A. V. Suvorov im Oktober 1798 durch Mähren und unter A.Korsakov im Mai 1799 durch Böhmen erregte großes Aufsehen und gab der bereits jetzt inbrünstig um Frieden betenden Bevölkerung einen Vorgeschmack auf die späteren Schlachten auf mährischem Gebiet. Die Friedensschlüsse von Luneville und Amiens 1801/02 hatten keinen langen Bestand, obschon die nach der Entlassung des Freiherrn Franz von Thugut jetzt von Ludwig Graf Cobenzl geführte österreichische Außenpolitik einen frankreichfreundlichen Kurs steuerte. In der mit der Wiederbelebung des Kaisertums Karls des Großen begründeten Selbsterhebung des Ersten Konsuls Napoleon zum Kaiser der Franzosen wurde nur die konsequente Folgerung aus der Überwindung der Revolution gesehen. Doch die 1803 unter französischem Druck vom Reichsdeputationshauptschluß in Regensburg verfügte Aufhebung zahlreicher Kleinstaaten und die Auflösung der geistlichen Fürstentümer hatten dazu beigetragen, daß Kurfürstenkoileg wie Reichsfürstenrat künftig eine protestantische Mehrheit besaßen, wodurch der weitere Verbleib der Reichskrone im Haus Österreich gefährdet schien; das Vordringen Frankreichs bis zum Rhein sowie die Anlehnung der süddeutschen Fürsten an Napoleon verschafften den bereits von Joseph II. erwogenen Gedanken, die erbliche Kaiserwürde für den habsburgischen Länderkomplex einzurichten, zusätzliche Aktualität. Nachdem der Gedanke, sich neben der römisch-deutschen Kaiserkrone den Titel eines Der außenpolitische Ereignurahmen 1790-7848 3°9 Kaisers von Ungarn und Böhmen" zuzulegen, fallengelassen worden war, gab Franz am 11. VIII. 1804 seine Erhebung zum „Kaiser von Osterreich" bekannt und ließ, nachdem sich Napoleon am 2. XII. selbst gekrönt hatte, am 7.XII. in feierlicher Form ohne Wiederholung des Krönungsaktes diese Maßnahme erneut verkünden. Während den ungarischen Ständen versichert worden war, dieser rechtiich zweifellos anfechtbare Schritt würde die staatsrechtliche Stellung ihres Königreichs nicht beeinträchtigen, wurde eine Information der böhmischen, mährischen und scbiesischen Stände nicht einmal für notwendig erachtet. Auf dem bedeutungslos gewordenen Regensburger Reichstag vertrat Österreich auch danach ein Kgl.-kurböhmischer Gesandter.6 Dieser Konstruktion war keine lange Lebensdauer beschieden. Österreich wurde in den hauptsächlich auf mährischem und böhmischem Territorium angefochtenen Dritten Koalitionskrieg (1805/06) einbezogen. Anfang November 1805 mußte Wien den Franzosen preisgegeben werden; der Hof zog sich über Brünn nach Oimütz zurück, wo auch Zar Alexanderl. sein Quartier aufschlug. Während in Nordmähren ein russisches Heer unter M.Kutusov stand, rückten französische Truppen in Südmähren ein, forderten hier eine Kriegskontribution in Höhe von 12 Mill. und in den von ihnen besetzten südböhmischen Distrikten Budweis und Tabor die Zahlung von i,jMill. Gulden. Der glanzvolle Sieg Napoleons am 2. XII. in der Dreikaiserschlacht von Austerlitz östlich von Brünn veranlaßte Rußland zum Ausscheiden aus der Koalition und zwang Kaiser Franz, am 26. XII. 1805 im Frieden von Preßburg der Abtretung Venetiens, Tirols, Vorarlbergs und der vorderösterreichischen Besitzungen zuzustimmen.7 Unter dem Einfluß des Fürstprimas Karl Theodor von Dalberg erwog Napoleon damals, selbst das Erbe des römisch-deutschen Kaisertums zu übernehmen. Die Bildung des Rheinbunds und massiver französischer Druck zwangen Kaiser Franz am 6. VIII. 1806, die deutsche Kaiserkrone niederzulegen und damit das seit 1438 bestehende staatsrechtliche Band zwischen dem Haus Österreich und den deutschen Staaten zu zerschneiden. Die damit verbundene Auflösung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation beendete die seit der Kaiserkrönung Ottos I. 962 bestehende unmittelbare Zugehörigkeit der böhmischen Länder zum Reich und das Erlöschen der böhmischen Kurwürde; in Wien setzte sich danach die Auffassung durch, daß die Krone Böhmens dem Kaisertum Österreich untergeordnet sei. In veränderter Form lebte die Mitgliedschaft der böhmischen Länder als Bestandteil der „deutschen" ( = cisleithanischen) Erbländer des Habsburgerreiches in dem am 8. VI. 1815 auf dem Wiener Kongreß begründeten Deutschen Bund noch einmal auf. Die vernichtende Niederlage Preußens 1806/07 und die Schaffung eines polnischen Ersatzstaates im Herzogtum Warschau löste Diskussionen über die Neuordnung der europäischen Grenzen aus, die auch die territoriale Integrität der böhmischen Länder berührten. Das wohl nicht ganz ernstgemeinte Angebot Napoleons, bei der Unterzeichnung einer Militärkonvention ganz Schlesien zurückgeben zu wollen, wurde von Kaiser Franz I. ohne Zögern ausgeschlagen. Zar Alexander Lschien seinerseits keine Einwände gegen eine Herauslösung des J/O X. Die nationale Wiedergeburt der Tscbechen Königreichs Böhmen aus der Habsburgermonarchie zu hegen, als 1808 Pläne kursierten, Sachsen, dessen König zugleich zum Herzog von Warschau gekürt worden war, mit Böhmen, ganz Schlesien und Teilen Polens zu einem großen mitteleuropäischen Zentralstaat zu vereinen. Doch es wurde auch die Möglichkeit erwogen, Böhmen in Suzeränität von Frankreich in die Selbständigkeit zu entlassen oder wenigstens die überwiegend von Deutschen besiedelten Kreise Nordböhmens dem neuen Königreich Sachsen zuzuschlagen.8 Das geschah zu einem Zeitpunkt, ais unter dem neuen österreichischen Außenminister Philipp Graf Stadion Erzherzog Karl in Böhmen neue Kräfte für einen Krieg gegen Napoleon zu sammeln begann und Prag zum Zentrum des geistigen Widerstands und des bald in die Tat umgesetzten Freicorpsgedankens wurde. Der böhmische Landtag stimmte am 31. X. 1808 geschlossen der Summe von 1 Mill. Gulden zur Aufstellung und Ausrüstung der 55 geplanten Landwehrbataillone zu; freiwillige Spenden der Bevölkerung in beträchtlicher Höhe dokumentierten den Tschechen wie Deutsche gleichermaßen auszeichnenden Patriotismus. Als im April 1809 der Krieg ausbrach, konnte Erzherzog Karl am 21./22.V. bei Aspern und Eßlingen an der Donau Napoleon die erste Niederlage beibringen; doch nach der verlorenen Schlacht von Wagram am 5./6.VIL hatte sich Österreich am 14.X. im Frieden von Schönbrunn erneut dem Kaiser der Franzosen zu unterwerfen. Die Gefahr einer Abtrennung ganz Böhmens oder doch von beträchtlichen Gebietsteilen konnte abgewehrt werden, auch wenn die im Königreich Sachsen liegenden Enklaven wie bereits zuvor der böhmische Streubesitz in Bayern verlorengingen. Zwar hatten die südlichen Bezirke Böhmens und Mährens durch Truppenaufmärsche, Scharmützel und Feindbesatzung etwas gelitten, aber sowohl 1809 als auch am Befreiungskampf 1813/14 nahmen die böhmischen Länder nur mittelbaren Anteil. In dem österreichischen Hilfskontingent, das 1812 für Napoleons Rußlandfeldzug bereitgestellt werden mußte, dienten zahlreiche Landeskinder, von denen nur wenige in die Heimat zurückkehrten. Kaiser Franz I., durch seinen Pariser Gesandten Clemens Graf Metternich-Winneberg zu einer frankreichfreundlichen Politik veranlaßt und 1810 durch die Heirat seiner Tochter Marie Luise in dynastische Beziehungen zu Napoleon getreten, tat sich schwer, die Habsburgermonarchie in das Lager der Gegner zu führen. Die Vorbereitungen für die militärische Endabrechnung wurden 1813 weitgehend auf böhmischem Boden getroffen: Der Prager Kongreß (12.VII.-10.VIII.) schuf die diplomatischen Voraussetzungen für die antinapoleonische Allianz, die in den Beratungen der gekrönten Häupter auf den böhmischen Schlössern Einvernehmen erzielte, nach der Auflösung des Rheinbundes Österreich und Preußen in den Grenzen von 1805 wiederherzustellen. Der Erfolg in der Völkerschlacht von Leipzig (16.-19.X. 1813), die Eroberung von Paris (31.III. 1814) und die endgültige Niederlage Napoleons bei Belle-Alliance (Waterloo, 18. VI. 1815) schlossen die Befreiungskriege militärisch ab. Der außenpolitische Ereignisrahmen 1790-184 8 3" Wiener Kongreß und Heilige Allianz Die auf dem Wiener Kongreß (18. IX. 1814-9.VI. 1815) getroffenen Vereinbarungen tangierten die Länder der böhmischen Krone nur am Rande. Mit Genugtuung wurde der Verhandlungserfolg Metternichs aufgenommen, der die Einverleibung ganz Sachsens durch Preußen verhindert und damit an der Nordgrenze wenigstens eine Pufferzone gegen diesen als gefährlich eingestuften Nachbarn erhalten hatte. Der Regelung der deutschen Frage im Rahmen einer Föderatiwerfassung wurden Vorbehalte entgegengebracht und die Kaiser Franz I. von deutschen Patrioten leidenschaftlich angetragene Wiederherstellung des alten Kaisertums als die bessere Lösung betrachtet - doch auch hier setzte Metternich seine Linie durch. Die böhmischen Länder sollten in der Frankfurter Bundesversammlung des neuen Deutschen Bundes nicht mehr durch einen eigenen Vertreter, sondern durch den österreichischen Gesandten repräsentiert werden, so daß der altehrwürdige Name des „Königreichs Böhmen" jede Geltung verlor. Die Bundesakte sah immerhin ein Wiederaufleben der landständischen Verfassung vor, so daß die böhmischen Länder in ihren historischen Grenzen wenigstens mit der Aufrechterhaltung der ständischen Repräsentanz rechnen durften. Da aber für eine die einzelnen Teile zusammenhaltende und nach außen vertretende „Krone Böhmens" innerhalb des Kaisertums Österreich keine Notwendigkeit mehr bestand, kam trotz der ideellen Vorrangstellung des Königreichs Böhmen den Einzelgebieten Böhmen, der Markgrafschaft Mähren und dem Herzogtum Schlesien der gleiche Rang zu. Im Rahmen des am 26.IX. 1815 vereinbarten Weltfriedensbundes der Heiligen Allianz war die von Clemens Fürst Metternich dominierte österreichische Politik vorrangig daran interessiert, das auf dem Wiener Kongreß bestätigte System der Pentarchie zu verteidigen, revolutionäre Bewegungen in allen Teilen Europas auszuschalten und die Demonstration nationaler und demokratischer Gesinnung zu unterbinden.9 Die zwischen 1818 und 1822 durchgeführten Kongresse von Aachen, Karlsbad, Troppau, Laibach und Verona dienten mit der Aufrechterhaltung eines spätabsolutistischen Regierungssystems der Unterdrük-kung der Volksrechte. Die revolutionären Unruhen in Neapel und Spanien, der griechische Freiheitskampf, die Pariser Julirevolution und der Novemberaufstand in Polen 1830/31 bewiesen aber die Brüchigkeit der absolutistischen Reaktion und schürten die Diskussion um eine liberale Regierungsform und die Übertragung autonomer Selbstverwaltungsrechte an die nichtdeutschen Völkerschaften des Habsburgerreiches, die sich ihrer einstigen politischen Sonderstellung immer stärker bewußt wurden. Während der Regierung des indolenten Ferdinand I. sorgten der türkisch-serbische Konflikt, der Aufstand in Galizien und die Annexion der kleinen Stadtrepublik Krakau 1846 außenpolitisch zwar noch für etwas Aufregung, beeinflußten aber die wachsende Unzufriedenheit im Innern und die mit zunehmender Verbitterung geführte Auseinandersetzung um den künftigen Kurs der Innenpolitik nicht bedeutsam.'0