75 The Eighteenth-Century Italian Opera Seria: Metamorphoses of the Opera in the Imperial Age [Colloquia Musicologica Brunensia, 42 (2007)], Praha: KLP, 2013, pp. 75-88 Die Rezeption der italienischen Oper am Hofe des Olmützer Bischofs Schrattenbach1 Jana Spáčilová Der Olmützer Bischof Wolfgang Hannibal Kardinal Schrattenbach (1660-1738, Bischof seit 1711) war einer der bedeutendsten Förderer des mährischen Kulturlebens in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Seine Person verkörperte gleichsam eine kulturelle Verbindung zwischen den mährischen Ländern und wichtigsten Musikzentren des damaligen Europa. Als Domherr und später Domdekan in Salzburg (Mai 1682 – September 1711), Kardinal in Rom (Juli 1714 – Juli 1719, März 1721 – Juli 1722) und vor allem Vizekönig in Neapel (August 1719 – März 1721) hatte Schrattenbach – im Vergleich zu anderen mährischen Musik-Mäzenen – einzigartige Gelegenheiten, das beste der zeitgenössischen Musik durch persönliches Erleben kennen zu lernen. Nach seiner endgültigen Übersiedlung nach Mähren im Jahre 1722 lag seine bedeutendste musikalische Aktivität in Aufführungen von Opern in den bischöflichen Schlössern zu Kremsier und Wischau sowie von Oratorien in Brünn. Die ersten wichtigen Informationen über Opernproduktionen am bischöflichen Hof bietet die Studie von Jiří Sehnal Počátky opery na Moravě aus dem Jahre 1974 an.2 Seit 2005 wird der Schrattenbachischen Oper mehr Aufmerksamkeit gewidmet, dies im Rahmen des Förderprojekts „Italienische Oper in Mähren in der ersten Hälfte des 18. Jhs“. Zu den Ergebnissen dieser Forschung kann man auch meine Dissertation Musik am Hofe des Olmützer Bischofs Schrattenbach (1711-1738). Beitrag zur Librettistik von Oper und Oratorium des Barock (Brno 2006) zählen. Gegenwärtig läuft die Aufarbeitung der Schrattenbach-Libretti im Rahmen des Projekts „Catalogue of the Italian Opera Libretti in Central Europe in the 1st Half of the 18th Century“. Die Nachrichten über musikalische Aktivitäten Schrattenbachs stammen meist von gedruckten Libretti. Bis heute sind 24 Opern- und 36 Oratorienlibretti bekannt (siehe Tabelle 1 auf der nächsten Seite). Die Geschichte der italienischen Oper in Kremsier und Wischau fängt im Jahre 1727 an. In diesem Jahr sind drei Opern datiert: die lateinische Pastorale Endymio und die italienischen Opern Merope (Anonym) und Spartaco, letzterer mit höchster Wahrscheinlichkeit von Giuseppe Porsile verfasst (aufgrund des Ver- 1 Der vorgetragene Text wurde revidiert gemäß den Ergebnissen der im Rahmen des Grantprojektes „Catalogue of the Italian Opera Libretti in Central Europe in the 1st Half of the 18th Cen- tury, I: Moravia“ (Grantagentur der Tschechischen Republik, Reg.-Nr. P409/12/P940). 2 Jiří Sehnal, Počátky opery na Moravě. Současný stav vědomostí [Die Anfänge der Oper in Mähren. Gegenwärtiger Kenntnisstand], in: O divadle na Moravě, Praha 1974 [= Acta Universitatis Palackianae Olomucensis, Facultas Philosophica, Suppl. 21], S. 55-77. Jana SpáčilOVÁ76 gleich des Kremsierer Libretto mit der Erstfassung, Wien 1726). Autor des erstgenannten Werkes, sowie der anderen lateinischen Oper, Yta innocens aus dem Jahre 1728, ist ein einheimischer Musiker Johann Kopecký, welcher als Musiklehrer im Kremsierer Tabelle 1: Das Repertoire des Olmützer bischöflichen Hofes Jahr, Anlass Titel Komponist / Librettist Libretto (Sprachversion) Kremsier 1727, Sommer Merope [? / A. Zeno] • US-DMu (it.) • D-TRp (d.) 1727, Geburtstag Endymio (lateinisch) [J. Kopecký] • CZ-KRa (lat.) 1727, Namenstag Spartaco [G. Porsile / G. C. Pasquini] • I-Mb (it.) 1728, Sommer Engelberta [? / A. Zeno] • CZ-OP (it.) • CZOLu (d.) • CZ-Bam (d.) 1728, Geburtstag Yta innocens (lateinisch) [J. Kopecký] • CZ-OLu (lat.) 1728, Namenstag Bajazet [F. Gasparini / A. Piovene – I. Zanelli] • CZ-KRa (d.) 1729, Sommer Faramondo [? / A. Zeno] • SI-Ls (it.) 1729, Namenstag Antioco V. M. Gurecký / A. Zeno • SI-Ls (it.) • CZ-Zd (it.) • CZ-Nlobkowicz (it.) 1730, Sommer Astarto G. Bononcini / A. Zeno • SI-Ls (it.) 1730, Namenstag Griselda V. M. Gurecký / A. Zeno • SI-Ls (it.) • CZ-KRa (it.) 1731, Sommer Coronide (favola pastorale) F. Peli / Pastore Arcade • CZ-OLu (it.) 1731, Namenstag [Artaserse] / Artaxerxes J. A. Hasse / P. Metastasio • CZ-R (d.) 1732, Sommer Lucio Papirio G. Giacomelli / A. Zeno • CZ-Bk (it.) • CZ-KRa (it.) ? 1732, Namenstag Ezio / Aëtius N. Porpora / P. Metastasio • CZ-Bm (it.) • D-Sl (it.) • SI-Ls (it., d.) 1733, Sommer Il Demetrio / Demetrius J. A. Hasse / P. Metastasio • CZ-Pn (it.) • D-Sl (d.) • SI-Ls (it., d.) 1733, Sommer Giasone / Jason (componimento per musica) N. Porpora / S. Stampiglia • SI-Ls (it., d.) 1733, Namenstag Ezio / Aëtius N. Porpora / P. Metastasio Siehe Ezio 1732 Wischau 1734, Sommer Scipione nelle Spagne V. M. Gurecký / A. Zeno • CZ-Bk (it.) 1734, Namenstag Alessandro nell’Indie L. Vinci / P. Metastasio • CZ-OP (it.) 1735, Sommer Nitocri [? / A. Zeno] • CZ-Bk (d., ohne Titel- blatt) 1735, Namenstag Demofoonte G. Schiassi / P. Metastasio • H-Bu (it.) 1736, Sommer Tito Vespasiano ovvero La Clemenza di Tito / Die Gütigkeit Titi Vespasiani J. A. Hasse / P. Metastasio • CZ-Bk (it.) • CZ-Pd (it.) • CZ-Pn (d.) 1736, Namenstag Catone in Utica L. Leo / P. Metastasio • CZ-KRa (it.) • CZ-Pnm (it.) 1737, [Sommer] Alessandro in Sidone (tragi­commedia per musica) G. Bononcini / [A. Zeno – P. Pariati] • CZ-Pnm (it.) 1737, Namenstag Adriano in Siria J. A. Hasse / P. Metastasio • A-Sca (it.) Die Rezeption der italienischen Oper am Hofe des Olmützer Bischofs Schrattenbach 77 Piaristenkolleg tätig war.3 In früheren Jahren tragen die Textbücher keine Komponisten- sowie Librettistennamen, wir konnten daher nur noch einen anderen Autor durch Librettoanalyse mit Wahrscheinlichkeit feststellen, und zwar Francesco Gasparini (Bajazet, 1728). Wie man Tabelle 1 entnehmen kann, kennen wir in diesem Augenblick wahrscheinlich schon das vollständige Repertoire des bischöflichen Hofes. Zu den in meiner Dissertation angeführten Titeln trat noch die Oper Nitocri, deren Aufführung durch die im Mährischen Landesarchiv aufbewahrten Rechnungen und das in der Kapuzinerbibliothek in Brünn befindliche Libretto belegt ist, hinzu.4 Im Jahre 2012 wurden drei weitere Werke identifiziert, und zwar Merope (Kremsier 1727), Alessandro nell’Indie von Leonardo Vinci (Wischau 1734) und Demofoonte von Gaetano Maria Schiassi (Wischau 1735). Es ist allerdings möglich, dass auch vor 1727 einige Opern gespielt wurden. Offenbar werden in Zukunft noch Korrekturen erfolgen müssen. Die Opern-Einstudierungen in Kremsier und Wischau fanden gewöhnlich zweimal pro Jahr statt, und zwar im Sommer (eine Vorstellung fiel auf den Geburtstag des Bischofs 12. September) und zu dem Fest des Heiligen Wolfgang, also zum Namenstag Schrattenbachs (31. October). Seit 1734 fanden die Vorstellungen im neuen, vom italienischen Bühnenbildner Gaetano Fanti erneuten Theater im Schloss Wischau statt.5 Die bischöfliche Hofkapelle bestand aus einheimischen Musikern, die Leitungsposten waren mit Italienern besetzt. Namentlich kennen wir zwei Kapellmeister, und zwar Abbé Stefano Leporati aus Modena (c. 1676-1753, Kapellmeister am Ende der zwanziger Jahre) und Abbé Girolamo Pera aus Venedig (c. 1690-1771, als „maestro di cappella di S. Altezza Em.“ im 1738 genannt). Ferner kennen wir zwei Namen von Konzertmeistern: Carlo Zuccari (1704-1792, in Mähren zwischen 1725 und 1729) und Carlo Tessarini (c. 1690-1766, um 1737).6 Unter den einheimischen Musikern hat Wenzel Matthias Guretzky (1705-1743) eine außergewöhnliche Position innegehabt; er ist auch als Autor von Opern und Oratorien bekannt.7 Aufgrund der neu gefundenen Quellen aus der zweiten Hälfte der 30er Jahre konnten auch einige Sänger am Hof von Schrattenbach näher identifiziert werden: Maria Rosalia Bees-Majerin (oder Beesmajerin, Sopran), Teresa Majerin (Sopran), Antonio Fornarini aus Urbino (Sopran, in Mähren 1734-1738), Herr Santo (Familienname unbekannt, Alt), Don Domenico (Familienname unbekannt, 3 Nach der Piaristenchronik Continuatio Annalium Domus Cremsiriensis ab anno 1725, Nationalarchiv (früher Staatliches Zentralarchiv) Prag, Abteilung 1, Fonds ŘPi – Piaristen (40), Buchnr. 325. 4 Mährisches Landesarchiv Brünn, Fonds G 76, Familienarchiv Kálnoky Letovice: Inv. Nr. 83, Kart. 16 (96 Fol., verschiedene Rechnungen 1726, Rechnungen für die Oper 1735); Inv. Nr. 144, Kart. 18 (8 Fol., Rechnungen für die Oper 1735). Das Archiv Schrattenbach ist in das Familienarchiv Kálnoky dank Elisabeth Gräfin von Schrattenbach (1809-1875) übergegangen, die 1827 Gustav Josef Graf Kálnoky geheiratet hat. Libretto: CZ-Bk 19.I.43, ohne Titelblatt, Provenienz und Datierung wurde nach der graphischen Gestaltung des Druckes bestimmt. 5 Jana Spáčilová, Operní divadla na Moravě v 1. polovině 18. století – současný stav vědomostí a per­spektivy dalšího výzkumu [Die Operntheater in Mähren der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts – gegenwärtiger Kenntnisstand und weitere Forschungsperspektiven], in: Opus musicum 43 (2011), Nr. 6, S. 38-54. 6 Von diesen Musikern näher Václav Kapsa – Jana Perutková – Jana Spáčilová, Some Remarks on the Relationship of Bohemian Aristocracy to Italian Music at the Time of Pergolesi, in: Studi Pergolesiani / Pergolesi Studies 8 (2012), S. 313-341, vor allem 333-335. 7 Opern: 1729 Antioco, 1730 Griselda, 1734 Scipione nelle Spagne; Oratorien: 1731 Giacobbe, 1734 S. Francesco di Paola, 1736 Gioas, Re di Giuda. Jana SpáčilOVÁ78 Tabelle 2: Die übernommenen Opern des Schrattenbachischen Repertoires und ihre Urauf- führungen Titel Komponist Ort Datum Aufführung in Mähren Zeitabstand im Jahren Spartaco G. Porsile Wien Karneval 1726 Oktober 1727 1 Bajazet F. Gasparini Reggio Emilia April 1719 Oktober 1728 9 Astarto G. Bononcini Roma Karneval 1715 Sommer 1730 15 Artaserse J. A. Hasse Venezia Karneval 1730 Oktober 1731 1 Lucio Papirio G. Giacomelli Parma Mai 1729 Sommer 1732 3 Ezio N. Porpora Venezia November 1728 Oktober 1733 (1732?) 5 (4) Il Demetrio J. A. Hasse Venezia Karneval 1732 Sommer 1733 1 Giasone N. Porpora Napoli April 1732 Sommer 1733 1 Alessandro nell’Indie L. Vinci Roma Karneval 1730 Oktober 1734 4 Demofoonte G. M. Schiassi Venezia Karneval 1735 Oktober 1735 weniger als 1 Tito Vespasiano J. A. Hasse Pesaro September 1735 Sommer 1736 weniger als 1 Catone in Utica L. Leo Venezia Karneval 1729 Sommer 1736 7 Alessandro in Sidone G. Bononcini Wien Karneval 1737 Sommer 1737 weniger als 1 Bass), Don Mauro Fanti (in Mähren bis 1738), Anton John (geb. 1713 in Liebau, Bass) und P. Anton Wegschmidt (geb. 1711 in Olmütz, Tenor).8 Was die Provenienz des Repertoires betrifft, können wir einige Tendenzen beobachten. Vier Opern sind direkt für den Bischof komponiert worden, und zwar drei Opern von seinem Kammerkomponisten Wenzel Matthias Guretzky: Antioco (1729), Griselda (1730) und Scipione nelle Spagne (1734), und die Pastoralserenate Coronide (1731) von Francesco Peli, „compositore di camera“ des Herzogs von Modena. Pelis vorausgesetzter Aufenthalt in Mähren zwischen 1731 und 1734 kann durch diese Tatsache bestätigt werden.9 Die Frage der Autorschaft von Adriano in Siria (1737) bleibt noch offen – das Libretto trägt den Namen von Johann Adolf Hasse, sein Adriano wurde aber nach dem bisherigen Forschungsstand erst in Dresden im Jahre 1752 komponiert. Eine beträchtliche Menge aus dem Schrattenbachischen Repertoire wurde von anderen Orten übernommen (siehe Tabelle 2). Fünf von dreizehn übernommenen Opern kommen aus Venedig. Den kürzesten Zeitabstand sehen wir bei der Oper Demofoonte von G. M. Schiassi, die bereits zehn Monate nach ihrer in der Karnevalszeit 1735 erfolgten Venezianischen Premiere in Wischau gespielt wurde. Andere zwei Opern – Artaserse und Il Demetrio von Hasse – wurden nur eineinhalb Jahre vor ihrer Kremsierer Aufführung in der Lagunen-Stadt uraufgeführt. Hasses Werke wurden am bischöflichen Hof 8 Jana Spáčilová, Nové poznatky k hudbě na dvoře olomouckého biskupa Schrattenbacha [Neue Erkenntnisse zur Musik am Hofe des Olmützer Bischofs Schrattenbach], in: Musicologica Brunen- sia 45 (2010), Nr. 1-2, S. 198-206. 9 Neben dieser Oper führte Peli in Brünn im Jahre 1731 sein Oratorium L’ultima persecuzione di Saule contro Davidde (Modena 1708) auf. In dasselbe Jahr fällt auch der Einkauf einiger Kirchenkompositionen von Peli und anderen modernischen Autoren, heute in der Erzbischöflichen Schlossbibliothek in Kremsier. Mehr darüber in Jana Spáčilová, Chrámová hudba v Kroměříži v roce 1731. Olomoucký biskup Schrattenbach a hudba vrcholného baroka (3) [Kirchenmusik in Kremsier im Jahre 1731. Olmützer Bischof Schrattenbach und Musik des Hochbarock (3)], in: Opus musicum 2005, Nr. 3, S. 39-45. Die Rezeption der italienischen Oper am Hofe des Olmützer Bischofs Schrattenbach 79 ziemlich beliebt; dieselbe Zeitspanne wie bei den oben erwähnten Opern ist auch bei seinem Tito Vespasiano festzustellen (hier sind es sogar nur zehn Monate). Ähnlich wurden die beiden aus Wien kommenden Opern (Spartaco, Alessandro in Sidone) und eine neapolitanische Serenata von Porpora (Giasone) bereits im Jahre nach der Erstaufführung in Mähren gespielt. Bei den anderen fünf Opern italienischer Herkunft ist der Zeitabstand von der Premiere länger (Lucio Papirio – 3 Jahren, Alessandro nell’Indie – 4, Ezio – 5, Catone – 7, Ba- jazet – 11). Die älteste Oper, welche am bischöflichen Hof gespielt wurde, war Astarto von Giovanni Bononcini. Ihre Uraufführung in Rom ist 1715 datiert, also während des dortigen Aufenthaltes von Schrattenbach. Diese Oper hat auch weitere Konsequenzen für das Brünner Oratorienrepertoire, wie später gezeigt wird. Dank detaillierter Analyse von mährischen Libretti und im Vergleich mit anderen Versionen können wir feststellen, dass der Abstand von Erstaufführung – ganz logisch – direkt proportional zum Maß der Bearbeitung ist (siehe Tabelle 3). Es ist wohl möglich, dass neben der Premiere und heute uns bekannten Reprisen noch ein weiteres Zwischenglied zur mährischen Aufführung existierte und die Kompositionen schon in der Form nach Mähren gekommen sind, in welcher sie uns heute aus den Textbüchern bekannt sind. In fast allen Opern im besprochenen Zeitraum sind aber bestimmte spezifische Tendenzen zu beobachten. Die Änderungen bestehen meistens aus dem Ersetzen und Paraphrasieren von Arien; das Streichen von Arien, Rezitativen oder ganzen Szenen stellt eine Ausnahme dar. Ebenfalls selten ist das Hinzufügen neuer Passagen. Nur in einem einzigen Libretto sind die Veränderungen gegenüber dem Original grafisch verzeichnet, und zwar in der Oper Demofoonte, wo zwei neu eingefügte Szenen (I/4, II/3) mit dem obligatorischen Sternchen versehen sind. Tabelle 3: Veränderungen in Schrattenbachischen Libretti (nach Zeitabstand der Uraufführung zugeordnet) Titel Musik- nummer insgesamt Gestri- chene Arien Neue Texte Para- phrasen Arien aus Original- Libretto Paraphrasen des Original- Librettos Andere Oper Alessandro in Sidone 22 --- --- --- --- --- --- Demofoonte 28 1 2 --- 5 --- --- Tito Vespasiano 28 --- 2 --- 1 --- --- Giasone 21 --- --- --- --- --- --- Il Demetrio 28 1 --- 1 1 --- --- Artaserse 28 1 1 --- 2 --- --- Spartaco 31 1 2 2 --- --- --- Lucio Papirio 33 --- 5 6 --- --- 1 Ezio 28 1 6 5 --- --- 1 Alessandro nell’Indie 32 3 --- 3 --- --- --- Catone in Utica 23 5 1 2 3 3 (1 rec.) --- Bajazet 40 --- 8 8? --- --- --- Astarto 37 1 7 6 --- --- 1 Nach gegenwärtigem Zustand der Kenntnis von italienischen Opern des 18. Jahrhunderts ist nicht festzustellen, ob es sich bei den unterschiedlichen Kremsierer und Wischauer Arien um ganz neu verfasste Texte oder um Entlehnungen aus anderen Opern handelt. Die Vorlagen wurden nur für drei Arientexte gefunden: Jana SpáčilOVÁ80 • Care dell’Idol mio Luci adorate (Lucio Papirio, Quinto Fabio, II/7) stammt ursprünglich aus dem Libretto Venere placata (Aminta, II/2) von Claudio Nicola Stampa (Erstaufführung in Venedig 1731 mir der Musik von Francesco Corselli; derselbe Titel wurde 1735 im mährischen Rottal-Schloss Holleschau mit Musik des dortigen Kapellmeisters Giuseppe Nicola Alberti gespielt),10 • Luci belle voi piangete (Ezio, Ezio, I/3) ist eine Paraphrase der Arie aus Attalo, rè di Bitinia (Attalo, II/4) von Johann Adolf Hasse (Neapel 1728, das Libretto basiert auf La verità nell’inganno von Francesco Silvani),11 • Finchè un Zeffiro soave (Astarto, Agenore, I/3) ist eine Paraphrase der Arie mit demselben Incipit aus Metastasios Ezio (Fulvia, I/13). In manchen Fällen verwendet das mährische Libretto aus dem originellen Libretto Metastasios stammende Arien, die anlässlich Erstaufführung nicht vertont wurden (Tabelle 4): Oper Akt/Szene, Rolle Premier-Arie Mährische Arie (Metastasio) Tito Vespasiano II/12, Servilio Sai crudel, lo so, lo veggio Non odo gli accenti Il Demetrio III/9, Mitrane Se nel monte da saetta Più liete imagini Artaserse I/3, Artabano keine Arie Su le sponde del torbido Lete II/11, Arbace Per questo dolce amplesso Per quel paterno amplesso Catone in Utica I/5, Catone Pensa di chi sei figlia Si sgomenti alle sue pene III/1, Fulvio keine Arie La Fronda che circonda III/10 Emilie Chi mai saper desia Nacqui agl’affanni in seno Demofoonte I/14, Timante *Son qual legno, che in pro­cella (Original-Arie in virgole) Se ardire, e speranza II/6, Dircea *L’empia mia stella irata (Original-Arie in virgole) Se tutti i mali miei II/10, Demofoonte *Terzetto (Original-Arie in virgole) Perfidi già che in vita II/12, Timante, Dircea (Scena in virgole) La destra ti chiedo III/3, Matusio (Scena in virgole) Ah che ne mal verace Die meisten Texte konnten nicht identifiziert werden, woraus sich die Hypothese ergibt, dass sie erst auf mährischem Gebiet entstanden sind. Diese Hypothese wird durch die Tatsache unterstützt, dass die Mehrheit der neuen Texten eine bloße Paraphrasierung von originellen Arien darstellt. Die Unterschiede zwischen den Versionen reichen vom Ersatz etlicher Ausdrücke bis hin zur freien Variante, die nur die ursprünglichen Gedanken enthält; es wird aber immer die Struktur der Verse geändert. Das interessanteste Verfahren der Paraphrasierung ist in Catone in Utica von Leonardo Leo erkennbar. Es sind hier nicht die Texte der Uraufführung verwendet, sondern die Texte der Arien aus der ursprünglichen Fassung von Metastasio (I/7, III/3-4). An einer Stelle ist sogar 10 RISM A/II (CD ROM 2005), 850.025.915, I-Vqs, MS Cl.VIII.14 (1128). Libretto Venedig 1731: I-Mb, Racc. dram. 910, Libretto Holleschau 1735: I-Mb, Racc. dram. 2720. 11 Roland Schmidt-Hensel, „La musica è del Signor Hasse detto il Sassone...“. Johann Adolf Hasses „Opere Serie“ der Jahre 1730 bis 1745: Quellen, Fassungen, Aufführungen, Göttingen 2009, Bd. 1, S. 398 Die Rezeption der italienischen Oper am Hofe des Olmützer Bischofs Schrattenbach 81 ein Arien-Text ins Rezitativ verändert (II/6). Ein Autor der Textbearbeitungen könnte der bischöfliche Sekretär Giovanni Battista Catena sein, der auch als Librettist bekannt ist.12 Die Gründe für die Bearbeitungen konnten unterschiedlich sein. Der meist angeführte Grund für das Schaffen von Pasticci aufgrund von Wünschen der Solisten hat hier wahrscheinlich keine große Rolle gespielt, weil am bischöflichen Hof ständige Sänger engagiert waren. Hier kommt es vor allem auf die Modernisierung veralteter Passagen an; so sind zum Beispiel alle Continuo-Arien in Astarto durch neue Arien ersetzt. Der zweite Grund konnte aufführungspraktisch sein; so ist eine Arie mit obligaten Hörnern in Bajazet gestrichen. Mit höchster Wahrscheinlichkeit kann der Kammerkomponist Wenzel Matthias Guretzky für den Autor der musikalischen Bearbeitungen gehalten werden. Es bleibt nun die Frage, ob Guretzky (oder ein anderer Musiker) die neue Musik selbst komponierte oder Arien aus anderen Werken benutzte. Obwohl die Opern-Partituren aus dem Olmützer bischöflichen Hof verloren oder bisher nicht gefunden sind (zum Unterschied von der Partituren aus dem Schloss Jaromeritz), kann man einige wichtige Informationen aus den Notenmaterialen zu den Brünner Oratorien entnehmen. Nach meiner bisherigen Forschung existieren aus dem gesamten Oratorien-Repertoire drei Partituren in der Berliner Staatsbibliothek und ein Fragment, das in Umschlägen von zwei Kirchenkompositionen in der Musikhistorischen Abteilung des Mährischen Landesmuseums gefunden wurde. Diese Notenmaterialen sind aber sehr wichtig für die Kenntnis der Rezeption der italienischen Oper am Olmützer Hof und sollen deshalb näher betrachtet werden. Die erste Frage ist die nach der Nachweisbarkeit der mährischen Provenienz der drei oben genannten Partituren. Zwei dieser Partituren (Morte, e Sepoltura di Christo, D-B, Mus. Ms. 2720 und Il Trion­fo della Croce, D-B, Mus. Ms. 17900) sind von derselben Kopistenhand geschrieben (sie­he Abb. 1, 2). Der Schreiber wurde von meiner Mitarbeiterin Marta Stodůlková ganz sicher als Salzburger Kopist Johann Jakob Rott (c. 1682- 1766) identifiziert. Rott arbeitete in Salzburg als Kopist seit c. 1725.13 Die Salzburger Herkunft wird auch durch das Papier mit dem Wasserzeichen „Wilder Mann“ und die Initialen „ISH“ belegt.14 Beide Werke wurden, wie die leider nicht datierten Textbücher belegen, in Salzburg aufgeführt.15 Es sind aber in unseren Partituren einige Einlagearien vorhanden, die auf einem völlig anderen Papier und von einem anderen Kopisten (oder von zwei sehr ähnlichen Kopistenhänden) geschrieben sind (siehe Abb. 3, 4). Was diese unbekannte Kopistenhand betrifft, können wir nach der Konsultation mit Ernst Hintermaier und Thomas Hochrander konstatieren, dass es sich um keine Kopistenhand Salzburger Provenienz handelt. Die gleiche Situation habe ich bei einem anderen Oratorium festgestellt, und zwar bei S. Giovanni Nepomuceno von Niccolò Porpora (D-B, Mus. Ms. 17781). Das Papier und Hauptkopist von S. Giovanni Nepomuceno sind Venezianischer Herkunft (siehe Abb. 5, 6). 12 Bersabea ovvero Il pentimento di David (Wien 1729, Brno 1730, Musik von Georg Reutter d. J.) und Giacobbe (Brno 1731, Musik von Wenzel Matthias Guretzky). 13 Thomas Hochradner, Matthias Siegmund Biechteler (1668-1743): Leben und Werk eines Salzbur­ger Hofkapellmeisters. Studien zur Salzburger Musikgeschichte in der ersten Hälfte des 18. Jhs., 2 Bde., Diss., Salzburg 1991. 14 Aus Lengfelden bei Salzburg, wo in Jahren 1709-1736 Johann Sigismund Hofmann tätig war. 15 Claudio Sartori, I libretti italiani a stampa dalle origini al 1800, 7 Bde., Cuneo 1990-1994: Morte, e Sepoltura di Christo, SI-Ls, AE 40/12 (16095), Il Trionfo della Santa Croce, I-Mb, Racc. dram. 5626 (23890). Jana SpáčilOVÁ82 Abb. 2: G. C. Predieri, Il Trionfo della Croce, D-B, Mus. Ms. 17900, Salzburger Kopist Johann Jakob Rott Abb. 1: A. Caldara, Morte, e Sepoltura di Christo, D-B, Mus. Ms. 2720, Salzburger Kopist Johann Jakob Rott Die Rezeption der italienischen Oper am Hofe des Olmützer Bischofs Schrattenbach 83 Abb. 3: Morte, e Sepoltura di Christo, Einlagearie „Gioia la cruda morte“, Kopist unbekannt, wahrscheinlich mährischer Herkunft Abb. 4: Il Trionfo della Croce, Einlagearie „Ramenta ancor di più“, Kopist unbekannt, wahrscheinlich mährischer Herkunft Jana SpáčilOVÁ84 Abb. 5: N. Porpora, S. Giovanni Nepomuceno, D-B, Mus. Ms. 17781, Venezianischer Kopist, Zettel mit Hinweis auf die Verwendung der Arie in der Oper Nitocri Abb. 6: S. Giovanni Nepomuceno, Fol. 55r , Umbenennung der Rolle „Venceslao“ zu „Consigliere“ Die Rezeption der italienischen Oper am Hofe des Olmützer Bischofs Schrattenbach 85 Die zahlreichen Einlagearien sind jedoch auf demselben Papier und von ähnlicher Hand wie bei den beiden obengenannten Partituren geschrieben (siehe Abb. 7). Das Papier der Einlagearien in allen drei Stücken enthält das Wasserzeichen „Bock im Ovalschild mit Krone“ (siehe Abb. 8). Bei Eineder16 ist das Papier jedoch nicht erfasst, es kommt aber häufig bei den Musikalien der Wiener Hofkapelle aus der Zeit von Karl VI. vor.17 Die einzige Tatsache, die diese drei Werke verbindet ist die, daß alle drei Titel in Brünn aufgeführt wurden: Morte, e Sepoltura und Il Trionfo della Croce 1730 und S. Giovanni Nepomuceno (als Il Martirio di S. Giovanni Nepomuceno) 1732. Und schließlich gibt es hier noch eine bemerkenswerte Tatsache. Neben der Berliner Partitur von Porporas S. Giovanni Nepomuceno sind zwei andere Partituren dieses Wer­kes in der Österreichischen Nationalbibliothek Wien erhalten.18 In beiden Wiener Partituren gibt es einen Satz im Rezitativ von König „Venceslao“, der in der Berliner Partitur für die 16 Georg Eineder, The Ancient Paper-Mills of the Former Austro-Hungarian Empire and Their Watermarks, Hilversum 1960. 17 Walter Gleissner, Die Vespern von Johann Joseph Fux. Ein Beitrag zur Geschichte der Vespervertonung, Diss., Mainz 1981, S. 233-253; Josef-Horst Lederer, Einleitung, J. J. Fux: Sämtliche Werke, Ser. VI., Bd. 3, Graz 1990, S. X. 18 A-Wn, Mus. Hs. 19195 (Questenbergsche Provenienz); SA.68.C.9 Mus 26. Abb. 7: S. Giovanni Nepomuceno, Einlagearie „L’amica speme“, Kopist unbekannt, wahrscheinlich mährischer Herkunft, Zettel mit Hinweis auf die Verwendung der Arie in der Oper Nitocri Abb. 8: Wasserzeichen der Einlagearien Jana SpáčilOVÁ86 Abb. 9: Morte, e Sepoltura di Christo, Einlagearia „Gioia la cruda morte“, ursprünglich „Son pellegrino errante“ aus Porporas Siface Person des „Consigliere“ bestimmt ist (Fol. 55r ) – genau so, wie es im Brünner Textbuch gedruckt wurde (siehe Abb. 6).19 Aufgrund aller diesen Tatsachen vermute ich, dass alle drei Berliner Partituren für die Aufführungen in Brno bestimmt waren.20 Da von zwei dieser Oratorien noch andere Exemplare existieren, empfiehlt es sich, die Behandlung der Einlagearien näher zu untersuchen.21 Leider haben wir keine weitere Kopie von Il Trionfo della Croce, wo sich ziemlich große Anzahl von neuen Passagen befindet (insgesamt fünf Arien). In den beiden anderen Partituren gibt es zwei Arten von Einlagearien – einerseits die einfache Transponierung (fünf Arien in S. Giovanni Nepomuceno),22 anderseits ganz neue Stücke. Die Partitur von Caldaras Morte, e Sepoltura enthält eine neue Arie, und zwar Gioia la cruda morte (Niccodemo, Tenor, Nr. 4). In der Tat ist das aber die Opernarie Son pellegrino errante aus Porporas Siface, welche in Karneval 1726 in Venedig uraufgeführt und 1729 in Prag gespielt wurde.23 Die Korrekturen und die Verteilung der Balken lassen vermuten, dass der Text der Arie zusätzlich unterlegt wurde (siehe Abb. 9). 19 „Del tuo vicin periglio / Pietà mi muove, e del tuo ben desio.“ 20 Diese Hypothese wurde auch von Ursula Kirkendale akzeptiert (Antonio Caldara. Life and Venetian-Roman Oratorios, revised and translated by Warren Kirkendale, Firenze 2007, S. 169). 21 S. Giovanni Nepomuceno war mit zwei oben genannten Wienerischen Partituren zu vergleichen, Morte, e Sepoltura mit der Partitur der Uraufführung in Hofkapelle (A-Wn, Mus. Hs. 17120). 22 L’amica speme (Nr. 1.), Della fragile mia vita (Nr. 8), Volo a te su l’ali ardenti (Nr. 11), Frà i tormenti, e frà le pene (Nr. 14). In der Aria Quercia che in cima al monte (Nr. 6.) wurden nur einige Takte transponiert. 23 RISM A/II 701.001.542, B-Bc, 15179/1, Aria del Sig. Porpora (für Sopran); 850.011.601, I-Vlevi, C F.B.43, Del Sign. Porpora S. Giov. Grisostomo 1726 (für Tenor). Die Rezeption der italienischen Oper am Hofe des Olmützer Bischofs Schrattenbach 87 In Porporas Nepomuceno befindet sich eine neue Arie in der Tenor-Partie des „Consigliere“ Come all’Olimpo in cima (Nr. 4), welche überraschenderweise im So­pran­schlüssel geschrieben ist. Evident ist das aber ein Fehler, der bei mechanischer Ab­schreibung der Vorlage entstehen konnte (als eine Art der Korrektur ist hier die Notiz „Consigliere NB“ vorhanden, Abb. 10). Die Herkunft dieser Arie konnte ich noch nicht fest­stellen. Ein endgültiger Beweis zur Bestätigung der Hypothese von der Brünner Provenienz der Partituren sind besondere, bei zwei Arien in Porporas Oratorium S. Giovanni Nepomuceno eingeklebte Zettel. Vor der Arie L’amica speme (Giovanni, Fol. 15v , transponierte Arie) klebt ein Zettel mit dem Vermerk „Jon Manete / Atto Terzo / Qual ripercossa / Selce Sfavilla etc.“ (siehe Abb. 7). Vor der Arie Pellegrin che in notte oscura (Angelo, Fol. 68v , unveränderte Arie) befindet sich der Rest des Zettels, vo man „[…] te / dolente / etc.“ lesen kann (siehe Abb. 5, als Arie Morirà forse innocente / e il tuo amore allor dolente identifiziert). Diese Zettel weisen auf die Verwendung beider Arien in einem anderen Werk hin, wobei dieses ohne Zweifel die 1735, das heißt drei Jahre nach der Aufführung von Porporas Il Martirio die S. Giovanni Nepomuceno, am Schrattenbachischen Hofe gespielte Oper Nitocri war. Die Durchsicht sämtlicher relevanten Nitocri-Versionen ergab, dass diese beiden Arien einzig und allein in dem Wischauer Libretto vom 1735 vorkommen. Der Ausdruck „Jon“ vor der Rollenbezeichnung bezieht sich außerdem höchst wahrscheinlich auf Schrattenbachs Hofsänger Anton John. Dieser war zwar Bassist, kann jedoch die ursprünglich für Sopran bestimmte Arie in einer Transposition gesungen haben, wofür auch die zahlreichen Umarbeitungen in der Partitur sprechen würden.24 24 Spáčilová, Nové poznatky ( Anm. 8), S. 198-206. Abb. 10: S. Giovanni Nepomuceno, Einlagearia „Come all’Olimpo in cima“, Provenienz unbekannt Jana SpáčilOVÁ88 Die drei besprochenen Brünner Oratorien-Partituren aus Berliner Staatsbibliothek stellen die wichtigste Quelle für Bearbeitungen von musikdramatischen Werken am Hofe Schrattenbachs dar. Sie belegen die Freiheit bei der Behandlung der dort aufgeführten Werke und die starken Verbindungen zwischen Oper und Oratorium. Diese Bearbeitungspraxis kann man noch durch ein weiteres Beispiel belegen. Das ist ein Oratorium Il peccato di Adamo (1726), dessen Teile auf den Umschlägen der Kirchenkompositionen vom Heiligen Berg bei Olmütz enthalten sind.25 Die Notenmaterialien bestehen aus einer Geigenstimme von zwei Arien und aus den Gesangstimmen von einigen Rezitativen. Ein Fragment wurde als Arie M’insegna amor l’inganno aus der Oper Astarto identifiziert (Agenore, Tenor, I/3). Im Oratorium wurde diese Arie für die Sopran-Partie des Adamo bestimmt. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass bei späteren Aufführungen von Astarto in Kremsier (1730) diese im Oratorium benutzte Arie durch eine neue Arie ersetzt wurde. Der Text dieser neuen Arie ist eigentlich eine Paraphrase von Finchè un Zeffiro soave aus Metastasios Ezio (Fulvia, I/13, siehe oben). Es entstehen hier also neue Anregungen für die weitere Forschung. Aufgrund dieser Erkenntnisse über Behandlung der Oratorien am Hofe Schrattenbachs könnten jetzt auch Hypothesen über die Opern-Praxis aufgestellt werden. Es könnte sich dann vielleicht das Resultat ergeben, dass die meisten italienischen Opern am Olmützer bischöflichen Hof eigentlich mehr oder weniger Pasticci waren. Die Analyse der Libretti und Partituren sowie die Feststellungen über die Bearbeitungen der musikdramatischen Werken am Hof Schrattenbachs bilden einen ersten Schritt zur Erkennung der einheimischen Rezeption der italienischen Oper. Es bleibt aber die Frage, ob es überhaupt möglich ist, einschlägiges Notenmaterial zu finden. Ich hoffe, dass es als Mittel für die Bestätigung meiner Schlüsse dienen kann. 25 Von diesen Notenmaterialen siehe näher meine Studie Nově identifikované hudební materiály k oratoriu Il peccato di Adamo (Brno 1726) [Neu identifizierte Notenmaterialen zum Oratorium Il Peccato di Adamo (Brno 1726)], in: Hudba v Olomouci a na střední Moravě, I, Olomouc 2007, S. 253-266.