Ausgleichsversuche zwischen Tschechen und Deutschen in der Monarchie Obsah Ausgleichsversuche zwischen Tschechen und Deutschen in der Monarchie............................ 1 Österreichertum.................................................................................... ............................... 1 Der Bohemismus und das böhmische Staatsrecht.................................................................. 2 Zentralismus versus Föderalismus....................................................................................... .. 2 18 Fundamentalartikel................................................................................. ........................ 6 Die Ära Taafe und Stremayrsche Sprachverordnungen......................................................... 9 Linzer Programm........................................................................................... .................... 14 Georg Schönerer ................................................................................................... ........... 15 Engelbert Pernerstorfer...................................................................................... ................ 15 Lueger, Karl , Christlich-soziale Partei............................................................................... 15 Punktationen 1899/1890.......................................................................................... ......... 16 Badeni-Krise....................................................................................... .............................. 17 Der Mährische Pakt............................................................................................... ........... 17 Österreichertum Gleich im Revolutionsjahr 1848 haben sich die Wege der Tschechen und Deutschen in den böhmischen Ländern geschieden. Noch in den Napoleonischen Kriegen gab es auch unter den Tschechen Anhänger des Österreichertums, die mit Hormayer zusammenarbeiten wollten. Die Brüder des Kaisers, Erzherzog Karl und Erzherzog Johann schätzten den Ideologen des österreichischen Patriotismus Johann von Hormayer (1782–1848). 1808 gründete Hormayer die Zeitschrift Vaterländische Blätter für den österreichischen Kaiserstaat, die Samlung von Kurzporträts Oesterreichischer Persönlichkeiten Plutarch oder Leben und Bildnisse aller Regenten und der berühmtesten Feldherren, Staatsmänner und Gelehrten des österreichischen Kaiserstaates, 1809 dann das Archiv für Geschichte, Statistik, Literatur und Kunst und 1811 das Taschenbuch für die vaterländische Geschichte. Aus dieser Zeit stammt das tschechichsce Lied „Hajme Františkova trůnu/ Uher, Němec, Čech.“ Gerade in dieser Zeit der Napoelon-Kriege wurde die Kaiserhymne populär. Den Text schrieb der ehemalige Jesuit Lorenz Leopold Haschka (1749–1827): "Gott erhalte Franz den Kaiser" wurde zu Haydns Melodie von 1797 gesungen. Von tschechischen Vertretern des Österreichertums sei nur Jan Nepomuk Norbert Hromádko erwähnt, der Herausgeber der Beilage der Vídeňské noviny Prvotiny pěknych umění, der als Tschechisch-Lehrer in der Kaiserfamilie tätig war. Der Bohemismus und das böhmische Staatsrecht Jiří Kořalka bezeichnet das Österreichertum, den böhmischen Landespatriotismus (Bohemismus), den Deutschnationalismus, das Tschechentum und den Slawismus als wichitgste Identitätsangebote in der böhmischen Gesellschaft. Der böhmische Landespatriotismus, der Deutsche und Tschechen gleichermaßen einschloss und bis 1848 vorherrschte, stand seit 1848 in Widerspruch zur deutschen und der tschechischen Nationalbewegung. Deutsche und Tschechen seit 1848 begriffen sich immer mehr als Teil einer Kulturgemeinschaft aller Deutschen (Großdeutschtum) oder Slawen (Panslawismus). Das böhmische Staatsrecht, also die Konstituierung der Länder der böhmischen Krone als Selbstverwaltungseinheit, gehörte ursprünglich – unabhängig von der ethnischen Zugehörigkeit – zu Forderungen der böhmischen Landespatrioten. Die Zuspitzung des von den Nationalbewegungen angeheizten deutsch-tschechischen Konflikts bewirkte jedoch, dass die Deutschen nicht mehr die »Böhmischen Länder« als Einheit sehen wollten - aus Angst vor tschechischer Majorisierung. Darin waren L. v. Löhner und F. Palacký einig, dass das staatsrechtliche Prinzip durch ein sprachliches Prinzip abgelöst werden sollte. Die Deutschen träumten von 2-3 deutschsprachige Kreise in Nordböhmen und 4-5 tschechischsprachige Kreise im Binnenland. Südbömische deutschsprachige Gebiete sollten an österreichische Länder angeschlossen werden. Sowohl Havlíček als auch Löhner sahen zuerst vor, dass die Sprachinseln in dem jeweiligen Sprachgebiet ihrem Schicksal überlassen werden. Erst nach Protesten der Prager Deutschen wurden in die Teplitzer Resolution (August 1848) auch Schutz der Sprachinseln aufegnommen. Eine neue Fassung der Verwaltungsstruktur Österreihc veröffentlichte Löhner am 18. 11. 1848 in Brno. Löhner gründete im April 1848 in Wien den Verein der Deutschen aus Böhmen, Mähren und Schlesien zur Aufrechterhaltung ihrer Nationalität, der gegen die Zugeständnisse des Kaiser an die Tschechen protestierte. Die Gleichstellung der beiden landesüblichen Sprachen wurde als Sieg des slawischen Barbarentumsgeschildert. Zentralismus versus Föderalismus Aus tschechischer Sicht scheint die österreichische Geschichte nach dem Neoabsolutismus der 50er Jahre in zentralistische Phasen und föderalistische Korrekturversuche zu zerfallen. Tschechen erhofften sich von den konservativen, katholisch geprägten Kabinetten eine Unterstützung in Auseinandersetzungen mit den meistens liberal und zentralistisch orientierten Deuschen im Lande. Im Februar 1861 trat eine neue zentralistische Verfassung in Kraft. Ihr Autor war Anton von Schmerling, (1805 –1893). Schmerling gehörte zu Beginn der Märzrevolution zu den Revolutionären, die in Wien die Nationalgarde aufstellten. Von 1849 bis 1851 war Schmerling Justizminister der österreichischen Regierung Schwarzenberg. Wegen des verschärften Neoabsolutismus in Österreich trat er zurück und wurde bis 1858 Senatspräsident am Obersten Gerichtshof. 1860-65 war er an der Spitze der Regierung (als "Staatsminister", da der offizielle Ministerpräsident Erzherzog Rainer war), obwohl er nur gestützt auf die Deutschliberalen im Abgeordnetenhaus (im Volksmund "Schmerling-Theater") regierte. Die Verfassung, auch als Februarpatent beklannt, sah eine Trennung von Selbstverwaltung und Staatsverwaltung vor, d. h. daß z. B. der Statthalter nicht mehr dem Landtag rechenschaftspflichtig war. Wahlzensus – 10 Gulden - wurde eingeführt. Das Herrenhaus wurde nicht gewählt, sondern vom Kaiser ernannt und verfügte über ein Veto-Recht. Im Landtag wurden drei Kurien einführt: - Großgrundbesitz, Stadt, Land. Verglichen mit der Wahl in den Reichstag 1848/49 hat der neue Wahlzensus und die Festlegung der Wahlbezirke eine Benachteiligung der Nichtdeutschen zur Folge. Tschechen aus Böhmen und Mähren sowie Polen aus Galizien haben den Reichstag aus Protest gegen die zentralistischen Tendenzen verlassen, Rumänen und Siebenbürger Sachsen fehlten von Anfang an. Nach Kořalka (S. 153, Národnostní otázka) gab es für die Landtagswahl seit 1860 vier Kurien: Im Böhmischen Landtag (241 Abgeordnete) gehörte die erste Kurie dem Großgrundbesitz, 70 Abgeordnete die zweite den Handelskammern, 15 Abgeordnete die dritte den Städten und 72 Abgeordnete die vierte den Landgemeinden. 79 Abgeordnete 5 Sitze blieben dem Prager Erzbischof, den drei katholischen Bischöfen *Leitmeritz, Königgrätz, Budweis) und dem Rektor der Karlesuniversität. Das Wahlrecht betraf nur 6% der Bevölkerung, und die Wähler der vierten Kurie wurden deutlich benachteiligt, obwohl sie für mehr als die Hälfte aller Steuern in der Monarchie aufkamen. Die Landtage delegierten dann ihre Vertreter in den Reichsrat. Die Enttäuschung von der innenpolitischen Entwicklung Österreichs unter dem deutschliberalen Kabinett Schmerling, das gestiegene Selbstbewußtsein der Tschechen, die seit 1861 den Prager Bürgermeister stellten und die wachsenden Sympathien für Rußland, das 1861 die Leibeigenschaft aufgehoben hatte, schlugen sich in Palackýs Schrift aus dem Jahre 1865 Die Idee des österreichsichen Staates nieder, die den berühmten Satz enthält: Byli jsme i před Rakouskem, budeme i po něm!, der allerdings eher als Warnung an Wien, nicht als eine Proklamation von Unabhäningkeitsbestrebungen der Tschechen gemeint war. Aus demselben Jahr 1865 stammt auch das Memorandum /Denkschrift/ an den Kaiser, in dem für die böhmische Krone dieselbe Stellung beansprucht wurde, die der ungarischen zusteht. Die alten föderalistischen Ansprüche wurden vom Trialismus ersetzt. Während aber die Ungarn Anspruch auf ihre eigene ungarische Regierung erhoben, begnügten sich die Tschechen damit, das historische böhmische Staatsrecht und die Krönung des Kaisers zum böhmischen König zu verlangen. Die Deutschen waren allerdings entschieden dagegen und an ihrem Widerstand sind diese tschechischen Forderungen auch gescheitert: sie erblickten darin einen unzulässigen nationalen Hegemonimus der Tschechen oder Manöver einer feudalen Clique bzw. beides zugleich. Nachdem 1861 Königreich Italien[1] entstanden war und Österreich 1866 auch Venedig[2] an Italien abtreten mußte, waren die Deutschen das einzige große Volk Europas ohne eigenen Nationalstaat. Voraussetzung für die Vereinigung unter preußischer Hegemonie war Ausschaltung Osterreichs in diesem Machtkampf. Der Sieg Preußens bei Königgrätz bot auch der Forderung von J. V. Frič (in Pláč koruny České) nach der Unabhängigkeit des Königreiches einen konkreten politischen Rahmen[3]. Bismarckt wandte sich aber nach dem Sieg von den Tschechen ab. Da die Deutschen in Österreich, die schon der Ausschluss Österreichs aus gesamtdeutscher Politik deprimierte, eine Föderalisierung der Monarchie nicht zulassen wollten, warnte Kanzler Bismarck Kaiser Franz Joseph I. davor, durch Zugeständnisse an die Tschechen eine deutsche Irredenta in der Monarchie ins Leben zu rufen[4]. Auch die Ungarn waren gegen den Trialismus, und so entschieden sich der Kaiser und der leitende Minister Friedrich Ferdinand von Beust mit Zustimmung der Deutschliberalen für den österreichisch-ungarischen Dualismus. Im Februar 1867 wurde der ungarische Reichstag von 1848[5] wiederherstellt und ein konstitutionelles ungarisches Ministerium, d. h. eine Regierung, gebildet. An deren Spitze stand Graf Gyula Andrássy, der in der Revolution Anführer des Zempléner Landsturms im Kampf gegen die kaiserlichen Truppen bei Schwechat sowie ungarischer Gesandter in Istanbul war. Nach Niederschlagung der ungarischen Revolution 1850 wurde er zum Tode durch den Strang verurteilt. Ungarn wurde nach Februar 1867 innenpolitisch praktisch unabhängig. Neben der Person des Monarchen, der zugleich König von Ungarn und Kaiser von Österreich war, blieben nur das Außenministerium und das Kriegsministerium sowie das Reichsfinanzministerium (dieses lediglich zur Finanzierung von Außenpolitik, Armee und Kriegsmarine) gemeinsame Angelegenheiten. Der erste Außenminister der gesamten Monarchie Friedrich Ferdinand von Beust (1867–1871), dem gleich Graf Gyula Andrássy (1871–1879) in der Hierarchie folgte, prägten die Außenpolitik Österrreichs. Den drei gemeinsamen Ministerien – „kaiserlich und königlich“ (k.u.k.) – standen als Volksvertretung die so genannten Delegationen gegenüber, Ausschüsse des österreichischen Reichsrates und des ungarischen Reichstages. Die beiden nach österreichischem und nach ungarischem Gesetz zu gemeinsamen Beschlüssen ermächtigten Delegationen waren gleich groß. 18 Fundamentalartikel Im Februar 1871 entstand das Kabinett von Karl Hohenwart, das sich nur bis 30. Oktober 1871 halten konnte. Nach dem Sturz des zentralistischen Ministeriums Leopold von Hasner-Karl Giskra und nach kurzer Zwischenregierung Potockis wurde der kleirikale und konservative Hohenwart, der Erfahrungen mit einer Lösung nationaler konflikte in Krain, Fiume/Rijeka und Trient hatte, aber bisher keine Rolle im Wiener politischen Leben spielte, unerwartet 1871 als Ministerpräsident Leiter einer Regierung, in der sich Karl Habietinek, Schäffle, Jirecek u. a. befanden. Habietinek war Professor des Zivilprozesses und des Handelsrechts an der Prager, seit 1868 an der Wiener Universität. 1871 bekam er im Kabinett Hohenwart das Portefeuille des Justizministers. Minister für Kultur und Bildung war im Kabinett Hohenwart Josef Jireček. Jireček war mit der Tochter des Pavel Josef Šafařík verheiratet. Nach dem Tod seines Schwiegervaters begann er mit der Herausgabe seiner Schriften zur Slawistik. 1850 ging er von Prag nach Wien und arbeitete als Jurist am Ministerium für Kultur und Bildung und publizierte daneben im Wiener Tagesblatt, einer Zeitschrift die vom böhmischen Adel herausgegeben wurde. Hohenwart gelang es die polnische Autonomie in Galizien zu erweitern[6]. Die Verhandlungen mit Tschechen, an deren Spitze Graf Clam-Martinitz stand und Ladisav Rieger ihm bloß sekundierte.[7] Im kaiserlichen Reskript[8] wurde den Tschechen eine Wahlrechtsreform und den Deutschen ein Gesetz zum Schutz der nationalen Minderheiten versprochen. Das Kabinett Hohenwarts, das einen dt.- tsch- Ausgleich anstrebte und die Verhandlungen über die sog. Fundamentalartikel zum Abschluss bringen sollte, scheiterte an der Lösung des Nationalitätenproblems.[9] Die Verhandlungen wurden nur zwischen der tschechischen Repräsentation und der Regierung, ohne die Deutschen geführt, weil sie gerade im Februar 1867 und dann vom August 1870 bis März 1872 die Mehrheit im Böhmischen Landtag einbüßten und die Verhandlungen boykottierten. Die Verhandlungen wurden nach dem ungarischen Vorbild stellvertretend im Namen der beiden Volksstämme, einer gleichsam zweisprachigen politischen Nation geführt. Die Verhandlungen über die Autonomie des Böhmischen Königreiches dauerten vom August 1870 bis Oktober 1871. Handelsminister im Kabinett Hohenwart, Albert Schäffle, und Clam Martinic standen an der Spitze der beiden Delegationen. Verwaltungs- und Gerichtsbezirke sowie Wahlbezirke sollten möglichst einsprachig sein. In der Selbstverwaltung war die zweite Landessprache bei Behörden und beim Gericht zugelassen, wenn dort mindestens 20% der Wähler zu der Minderheit zählten oder wenigstens eine Gemeinde andersprachig sei. Das setzte auch Tschechischkenntnisse bei deutschen Beamten voraus. Prag sollte zweisprachig bleiben. Der Landtag sollte in zwei Kurien nach dem nationalen Prinzip geteilt werden und so auch die Finanzierung des Schulwesens geregelt werden. Wirtschaftliche Kompetenzen sollten z. T. an die Wiener Zentralregierung übergehen. Die Fundamentalartikel wurden auch deswegen kritisiert, weil sie die Rolle des Adels überbewerteten und Mährens Unabhängigkeit von Prag bestätigten. 18 Fundamentalartikel sahen eine Krönung Franz Josephs in Prag vor. Diese versprach der Kaiser nach 1861 und 1870 nun in einem feierlichen Reskript bereits ein drittesmal. Unterstützt von den Ungarn und zur Zufriedenheit Berlins wurde die Autonomie Böhmens letztendlich abgelehnt. In der Begründung äußerte sich Graf Beust[10], dass es nicht opportun wäre angesichts der sich anbahnenden Annäherung zwischen dem Dt. Reich und Österreich die führende Rolle der Deutschen in Böhmen und Zisleithanien anzutasten. Der Kaiser beugte sich dem Druck von deutscher und ungarischer Seite. Die Frage der Krönung zum König Böhmens war damit ein für allemal trotz aller Zusicherungen negativ beantwortet worden, die wohl letzte ernsthafte Gelegenheit für einen dauerhaften Ausgleich mit den Tschechen versäumt. Diese setzten ihren passiven Widerstand gegen die ungeliebte Staatsmacht fort und boykottierten den Reichsrat in Wien. In seinen Lebenserinnerungen erklärt Albert Schäffle, dass ,,[d]ie Fundamentalartikel [...] durchaus nicht die Endverabredung des zu schaffenden Ausgleiches, sondern nur der Ausdruck dessen, was äußersten Falles den Deklaranten eingeräumt werden konnte, wenn die Vertreter der übrigen cisleithanischen Kronländer zustimmten [waren]." Die Deutschen hatten die Befürchtung, durch eine Föderalisierung des Reiches isoliert und zu einer nationalen Minderheit degradiert zu werden. Auch das sehr ausgewogene Nationalitätengesetz konnte ihnen diese Furcht nicht nehmen. Die Deutschen forderten daher statt des Ausgleiches, der ihrer Meinung nach Degradierung und Isolierung der Deutschböhmen bedeutet hätte, die administrative Teilung Böhmens in einen deutschen und einen tschechischen Teil. So erklärte Alfred Knoll 1871: ,,Wir würden auch den Tschechen die Staatsbildung gerne gönnen, wenn sie nur nicht aus unserem Fleische herausgeschnitten werden müßte. Am besten wäre es seiner Meinung nach, könne man eine Grenze durch Böhmen ziehen, welche die Nationalitäten voneinander trenne. Die Tschechen sprachen sich aber ganz deutlich gegen solche Separationsbestrebungen aus, da dadurch die Unteilbarkeit der Länder der böhmischen Krone, wie im böhmischen Staatsrecht verankert, zunichte gemacht worden wäre. Die Ära Taafe und Stremayrsche Sprachverordnungen In der Mitte der 70er Jahre haben die Aufstände gegen das Osmanische Reich ein Hoffnung erweckt, dass die Rolle Russlands auf dem Balkan auch die Stellung der Slawen in Zisleithanien verbessert. In Bosnien-Herzegowina gab es im Sommer 1875 einen vor allem wirtschaftlich motivierten Aufstand gegen die Osmanen. Es folgte der bulgarische Aufstand 1876, der die Fürstentümer Serbien[11] und Montenegro[12] zu einer Kriegserklärung gegen ihre nominellen osmanischen Herrscher ermutigte. Die deutsche-tschechische Gegnerschaft in Prag wirkte sich auf geteilte Sympathien im Krieg um Bulgarien aus. Karl Hans Strobl berichtet im seinem Prager Studentenroman „Der Schipkapaß“ (später: "Die Flamänder von Prag")über ein Lokal am heutigen Stadtrand von Prag-Dejvice oberhalb des Šarka-Tales bei der ulice Zlatnice, dass deutsche Sympathien bei den Türken lagen. Nach dem türkischen Verteidiger von Plewen Osman Pascha nannten sie dann den ihnen freundlichen Wirt. Der Schipkapass war der größte und wichtigste Zugang nach Südbulgarien und weiter zum Bosporus. Wäre es damals Süleiman Pascha gelungen den Schipkapass nach Norden zu überqueren, dann hätten die Türken die russischen Truppen aufgespalten und wären in den Rücken der russischen Truppen eingedrungen. Die Türken hätten den russischen Belagerern von Plewen in den Rücken fallen können, hätten die Türken in der Festung Plewen gestärkt und sich mit den Truppen von Osman Pascha. Dadurch hätten die Türken dann eine zahlenmäßige Überlegenheit in Nordbulgarien gehabt, was für Russland wahrscheinlich die Niederlage im Krieg gewesen wäre. Im Frieden von San Stefano wurden die großen Eroberungen Russlands anerkannt, auf dem Berliner Kongress jedoch die entstehung eines großen Bulgarien verhindert. Ein größerer slawischer Staat auf dem Balkan erschreckte vor allem Österreich. Der nördliche und der östliche Teil Bulgariens wurde deshalb in zwei Fürstentümer unterteilt – Bulgarien und Ostrumelien. Ostrumeline blieb als autonome Provinz Bestandteil des Osmanischen Reiches (sie bestand bis 1885, als eine unblutige Revolution in Plowdiw (Philippopel) der Sonderexistenz dieses Gebiets eine Ende setzte). Die Region Mazedoniens, die an das Ägäische Meer reichte, wurde Bulgarien entzogen und wieder unter die osmanische Verwaltung gestellt. Bis 1882 flüchtete über eine halbe Millionen Muslime aus Bulgarien in das Osmanische Reich, weitere 250.000 starben. In Russland löste die Revision des Friedens von San Stefano eine große Enttäuschung und Verbitterung aus, die vor allem gegen die Deutschen und die Österreicher gerichtet war. Man fühlte sich um die Früchte eines verlustreichen Krieges betrogen, an dem viele freiwillig für die Befreiung der Slawen und die Rückeroberung Konstantinopels für die orthodoxe Christenheit kämpften. Tschechen hofften 1877/78, dass die ausssenpolitischen Verwicklungen eine Verbesserung ihrer Stellung in Österreich bringen kann. Riegers Grußbotschaft an den russischen Slawophilen und Panslawisten Ivan Sergejevič Aksakov hatte allerdings nur eine kühle Reaktion von Aksakov und Vertrauensverlust bei aristokratischen Verbündeten zur Folge. Die österreichische Okkupation von Bosnien-Herzegowina im Jahre 1878 wurde auf dem Berliner Kongress bestätigt. die Abkühlung der Beziehungen zwishcen Deutschland und Russland führte zum Zweibund mit Österreich-Ungern, Es war ein geheimer Defensivvertrag, der am 7. Oktober 1879 (veröffentlicht am 3. Februar 1888) zwischen dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn abgeschlossen wurde. Der Zweibund erreichte bereits 1881 sein Ziel, Russland seine drohende Isolation im Mächtesystem vor Augen zu führen und es so zurück zu einer Annäherung an das Deutsche Reich führen. 1881 schloss Russland mit dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn den Dreikaiserbund, der das zwischenzeitlich auseinander gebrochene Dreikaiserabkommen von 1873 fortsetzte. Im Jahre 1789 kam in Österreich eine neue konservative Regierung zustande, weil Deutschliberale prinzipell gegen die Verstärkung des slawischen Elements in Zisleitheanien durch die Erwerbung von Bosnien-Herzegowina waren. Man brauchte auch die Stimmen der alttschechischen Abgeordneten, um die Deutschliberalen ablösen zu können. Nicht zuletzt wegen seiner Rolle in der Politik der passiven Resistenz und seiner panslawistischen Auftritte wurde nicht Ladislav Rieger Minister in der konservativen Taaffe-Regierung Die Funktion des Landsmannministers bekleidete in den Jahren 1879-84 Alois Freiherr von Pražák (1820-1901). Wir Brünner verdanken ihm das Pražák-Palais (1871–73). Geb. 21. Febr. 1820 zu Ungarisch-Hradisch studierte das Gymnasium in Kremsier und die philosophische Vorbereitungsklasse in Brünn, wo der Augustiner František Matouš Klácel a der Benediktiner Řehoř Volný seine Lehrer waren. In Olmütz studierte er dann Jus und seit 1844 betrieb er eine Rechtsanwaltskanzlei in Brünn. 1848 wurde er von seiner Vaterstadt in den mährischen Landtag und in den Reichstag gewählt und gehörte im Reichstag zur Partei der slawischen Rechten. 1861 gründete er die altböhmisch (konservativ) orientierte Nationalpartei Mährens, ließ sich in den mährischen Landtag und (bis 1863) in den Reichsrat wählen. Im Reichsrat galt er als Haupt der gemäßigten Tschechen. Als 1863 die böhmischen Abgeordneten aus Protest gegen die zentralistische Politik den Reichsrat verließen, blieben Pražák und mährische Abgeordnete im Parlament. Auch in der Hohenwart-Ära nahm Pražák an den Verhandlungen über den Ausgleich teil und auf seine Initiative verabschiedeten die mährischen Abgeordneten im Landtag die ausgehandelte Kompromisslösung – die Deutschen haben die Abstimmung boykottiert. Am 12. Aug. 1879 wurde er zum Minister ohne Portefeuille[13] im Ministerium Taaffe ernannt und übernahm im April 1881 das Justizministerium. Durch seine Arbeit an den Stremayrschen Sprachenverordnungen (1880)[14] erwarb er sich Verdienste um die Gleichberechtigung der beiden Landesprachen in den Böhmischen Ländern. Im Jahre 1888 wurde er in den niedrigen Adelsstand erhoben. Im Oktober 1888 wurde er zwar des Justizministeriums[15] enthoben, blieb er Minister ohne Portefeuille. Weder die Alt- noch Jungtschechen trauten ihm so recht, sie hielten ihn für einen Leisetreter und hätten ihn gern durch einen radikaleren Mann ersetzt gesehen. Bezeichnend für das Tschechentum Pražáks war, daß er vor allem deutsch schrieb und auch deutsch am besten und sichersten sprach. Tschechisch zu schreiben, machte ihm immerhin Mühe. Seine Erinnerungen sind deutsch geschrieben.[16] Der Artikel 19 des Staatsgrundgesetzes vom 21. September 1867, Reichsgesetzblatt 142, erklärte alle Volksstämme des Staates für gleichberechtigt und erkannte jedem Volksstamme ein unverletzliches Recht auf Wahrung und Pflege seiner Nationalität und Sprache zu. Gleichzeitig wurde die Gleichberechtigung aller landesüblichen Sprachen in Schule, Amt und öffentlichem Leben vom Staate anerkannt. Ein Ausführungsgesetz, dessen dieses Staatsgrundgesetz bedurft hätte, wurde nicht erlassen. Die erste Sprachenverordnung war die Taaffe-Stremayr'sche vom 19. April 1880 für Böhmen und im gleichen Wortlaut für Mähren. Danach waren die Eingaben an die Behörden in der Sprache der Eingabe zu erledigen und Erklärungen in beiden Landesprachen aufzunehmen. Bekanntmachungen für das ganze Land mussten doppelsprachig sein. In Strafverfahren galt die Sprache des Angeklagten[17]. In bürgerlichen Rechtsstreitfällen war bei Verwendung mehrerer Sprachen das Urteil in beiden Sprachen auszufertigen. Staatliche Behörden haben mit den autonomen Organen in deren Geschäftssprache zu verkehren. Eduard Graf Taaffe, (1833 Wien -1895 Ellischau (Nalžovy)[18], war österreichischer Staatsmann aus einem in Westböhmen ansässigen irischen Geschlecht, konservativer Sozialreformer und vor seiner Ernennung zum Ministerpräsidenten war er hoher Beamter in Salzburg, Oberösterreich und Tirol. 1879-93 war er Ministerpräsident und Innenminister. Er versuchte, gestützt auf die österreichischen, tschechischen und polnischen Konservativen, die nationalen Gegensätze zu überbrücken. Seine Koalition wurde der „Eiserne Ring“ genannt. 1882 ließ er die Prager Universität teilen[19].1882 setzte er die Zensusgrenze (Mindeststeuerleistung) für die Wahlbeteiligung von zehn auf fünf Gulden herab, wodurch der gewerbliche Mittelstand das Wahlrecht erhielt. Dadurch schuf er die Voraussetzungen für die Verabschiedung einer wirksamen Sozialgesetzgebung. 1884 ließ die Regierung Gewerbeinspektorate einrichten, um die Gesetze zu überwachen (die Arbeitsräume, den maximal elfstündigen Arbeitstag, die Sonntagsruhe, den Lohn- und Kündigungsschutz, die Jugend- und Frauenbeschäftigung). 1885 erließ man ein Gesetz über die Begrenzung der maximalen Arbeitszeit, 1888 über die „obligate Arbeiterkrankenversicherung“, 1889 über die „obligate Arbeiterunfallversicherung[20]. Nach dem Sieg der Jungtschechen bei der Wahl in den Landtag 1889 strebte Taaffe] einen Kompromiss zwischen den tschechischen und deutschen Abgeordneten an. 1891 ließ er den Reichsrat auflösen und bei der Neuwahl haben die Jungtschechen die meisten Mandaten der Alttschechen bekommen. Damit war die Alleinregierung der Konservativen unmöglich und Taaffe musste mit der Linken verhandeln. Die Ernennung des Grafen Kuenburk führte zur Demission von Pražák, aber auch Kuenburg, Mitglied der Vereinigten deutschen Linken reichte nach einer gegenüber den Tschechen versöhnlichen Rede des Grafen Taaffe schon im November 1892 sein Demissionsgesuch ein. Sein letzter Versuch einer Wahlreform vom Oktober 1893 sollte das Wahlrecht nicht an Steuerhöhe, sondern an eine minimale Bildung koppeln: das Wahlrecht sollte man all jenen männlichen Bürgern zugestehen, die lesen und schreiben konnten oder zumindest den Wehrdienst absolviert hatten. Dagegen war die Vereiningte deutsche Linke sowie die Polen und Taafes Regierung musste abgelöst werden. Von den radikalen Nationalparteien heftig bekämpft, scheiterte er am Versuch, ein (beinahe) allgemeines Wahlrecht einzuführen. Seine Regierungsjahre (fast 14 Jahre) zählen zu den stabilsten Jahren der Monarchie, die auch den Tschechen einen wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung brachten. Mit typischem Wiener Charme sprach Taaffe vom Fortfretten und Fortwursteln, einer mühsamen Suche nach pragmatischen Entscheidungen über die politischen Lager hinweg, manchmal nur gestützt auf das Vertrauen des Kaisers bzw. den Notparagraphen der Verfassung, der ihm erlaubte, auch ohne Parlament zu regieren. Die Tschechen mussten in der Taaffeschen Regierung auch für unpopuläre Maßnahmen stimmen: eine kleirikale Schulreform von 1883, sie mussten die Slowaken aufgeben, um die Ungarn nicht gegen die Regierung aufzubringen. Und in der Ära Taafe formierten sich Ende der 80er Jahre zwei politische Gruppierungen, die sich später zu Massenparteien entwickeln sollten: die Christlich-sozialen angeführt von Dr. Karl Lueger (1887), und die Sozialdemokraten angeführt von Victor Adler und Karl Kautsky. Georg von Schönerer hatte 1882 den Deutschnationalen Verein gegründet. (Sie durften aber erst 1919 zur Partei werden.) Schönerianer, auch Alldeutsche genannt, orientierten sich an Bismarck und den Hohenzollern, nicht am Haus Habsburg. Schönerers Antisemitismus prägte später den jungen Adolf Hitler! Die Bildung von Massenparteien bekam zusätzlichen Antrieb durch die Wahlrechtsreform 1896 von Ministerpräsident Badeni. In der Taaffe-Ära entstanden auch einflussreiche deutsche und tschechische Schutzverien wie der Schulverein (1880) oder Matice školská. Auf tschechischer Seite war die größte dieser Organisationen die 1885 gegründete Národní jednota severočeská – neben der ein Jahr vorher gegründeten Národní jednota pošumavská. Der bedeutendste deutsche „Schutzverein“ auf dem Gebiet der böhmischen Länder war der 1884 gegründete „Bund der Deutschen in Böhmen“ (auch Gründer der Kreditanstalt der Deutschen, 1911). Die Radikalisierung des deutschnationalen Lagers in Österreich brachte das Linzer Programm zum Ausdruck. Linzer Programm Das Linzer Programm war ein 1882 in Linz erarbeitetes Grundsatzpapier des österreichischen Deutschnationalismus. Das Dokument stand unter dem Motto „nicht liberal, nicht klerikal, sondern national“ und forderte die staatsrechtliche und wirtschaftliche Entflechtung der verschiedenen Völker Cisleithaniens, die engere Anbindung seiner deutschsprachigen Gebiete an das Deutsche Reich sowie Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit und allgemeine Demokratisierung. Es enthielt darüber hinaus auch einige aus heutiger Sicht sozialistisch oder sozialdemokratisch wirkende sozialreformerische Vorschläge. Initiatoren und Leiter seiner Ausarbeitung waren die Politiker Victor Adler und Georg von Schönerer, der Politiker und Journalist Engelbert Pernerstorfer sowie der Historiker und Publizist Heinrich Friedjung. Ähnlich wie Ungarn sollten auch Galizien und die Bukowina, zwei slawisch dominierte und wirtschaftlich besonders schwache bisherige Provinzen Cisleithaniens, in die faktische wie formale Eigenverantwortlichkeit entlassen werden. Die Provinzen Dalmatien, Bosnien und die Herzegowina sollten vorläufig an Ungarn zediert werden, langfristig sollten sie gemeinsam mit dem bisher ungarisch regierten Kroatien ein „Königreich der Südslawen“ bilden und als solches ebenfalls emanzipiert werden. Eine Umsetzung dieser Forderungen hätte den verbliebenen Rumpf Cisleithaniens politisch wie wirtschaftlich wesentlich entlastet, insbesondere dadurch, dass sich der Staat mit ihr fast aller seiner Polen und der meisten seiner Ostjuden entledigt hätte – Menschen, deren Gemeinschaften vergleichsweise wenig zur Dynamik der cisleithanischen Volkswirtschaft beitrugen und unter anderen Cisleithaniern ausgesprochen unbeliebt waren. Österreich hätte im Wesentlichen nur aus seinen deutsch-, tschechisch- und slowenischsprachig dominierten Kronländern bestanden. Diese Gebiete waren nicht nur verhältnismäßig wohlhabend und politisch gut entwickelt, es war ihnen vor allem noch deutlich anzumerken, dass sie alle Teile des 1806 untergegangenen Heiligen Römischen Reichs gewesen waren. Die Umsetzung des Linzer Programms hätte eine engere Anbindung oder überhaupt einen Anschluss des deutschsprachigen Österreichs an das Deutsche Reich, das Fernziel des Deutschnationalismus, nach Ansicht seiner Autoren damit wesentlich erleichtert. Als ersten Schritt in Richtung Vereinigung sah das Linzer Programm eine Zollunion Österreichs mit dem deutschen Reich vor. Georg Schönerer Rosenau bei Zwettl, 1773 Reichsratsabgeordneter, 08.03.1888 – wegen Überfalls auf die Redaktion des Neuen Wiener Tagblatts (wegen der feindlich geschriebenen Aufsätze über Wilhelm I.), zu 4 Monaten Haft verurteilt, seines Mandat und seines Adelstitels für verlustig erklärt, nach 10 Jahren wieder in den Reichsrat gewählt. 1901 an der Spitze der Alldeutschen Partei. Ehrenbürger von Eger (bis 1904, als der Stadtrat den Kaiser empfangen hat). Engelbert Pernerstorfer 1885 – Reichstagsabgeordneter für die deutschnationale Partei, seit 1891 für die Sozialdemokraten Lueger, Karl , Christlich-soziale Partei Bürgermeister von Wien Erst 1888 entstand die Christlichsoziale Partei, die viele Antisemiten Schönerer abwerben konnte. 1889 gab es den Vereinigungsparteitag der Sozialdemokraten, dem die Eingliederung der nationalen Fraktionen gelang. Danach wurden eindeutig soziale Fragen den nationalen bevorzugt. Im Reichsrat gab es außerdem kam es zur Spaltung der Deutsche Fortschrittspartei: 1888 wurde durch Verschmelzung des Deutsch-österreichischen mit dem Deutschen Klub wurde die Vereinigte Linke gegründet. Alldeutsche Vereinigung und Deutsche Volkspartei bilden seit 1911 mit den Agrariern den Deutschen Nationalverband. 1904 entstand in Böhmen Deutsche Arbeiterpartei, aus der dannn Deutsche nationalsozialistische Arbeiterpartei hervorging. Punktationen 1899/1890 Zwei Umstände haben die Jungtschechen gegen Ergebnisse der vom Großgrundbesitz angeregten Verhandlungen gleich misstrauisch gemacht: die Maßnahmen galten nicht für Mähren und Schlesien, wo die tschechische Bevlkerung am meisten benachteiligt war, und während die Deutschen ihre Verhandlungsführer selbst gewählt haben, wurden die tschechischen von der Regierung nur aus dem alttschechischen Lager ernannt. Die Vorschläge der Regierung gingen auf die deutsche Doktrin der Teilung nach dem nationalen Prinzip ein: es sollten zwei nationale Kurien im böhmischen Landtag entstehen und der Kurie des Großgrundbesitzes sollte die Funktion des Züngleins an der Waage zufallen. Die Verwaltung des Schulwesens und Förderung der Landwirtschaft sollten auch auf dem nationalen Prinzip aufgebaut werden. Zugeständnisse an Tschechen stellte eine versprochene Wahlrechtsreform für den Landtag und eine in Aussicht gestellte neue Regelung der Übernahme der Minderheitenschulen durch die Gemeinden[21] dar. Die wichtigste Forderung der Tschechen –die innere Verkehrssprache wenigstens in den Behörden in einsprachigen tschechischen Gebieten – konnte Rieger allerdings nicht durchsetzen, es gelang ihm nur noch, die deutsche Forderung, Deutsch als die einzige Amtssprache einzuführen, abzuwehren. Obwohl die Tschechen zahlenmäßig die Polen in Zisleithanien übertrafen, konnten sie keine vergleichbare Stellung des Tschechischen erreichen, wie sie das Polnische in Galizien hatte. Das Protokoll über die erreichte Vereinbarung wurde im Januar 1890 unterzeichnet. Die Deutschen hielten das Ergebnis für ihren Erfolg, Rieger konnte sie nur für das kleinere Übel erklären. Nur die Regierung war froh, die drohende passive Resistenz der Deutschen verhindert zu haben, ohne die Tschechen als Koalitionspartner verloren zu haben. Für die Alttschechen als Koalitionspartner bedeutete das Verhandlungsergebnis allerdings eine Katastrophe bei der nächsten Wahl. Die sogenannten Schönbornschen Verordnungen, die Durchführungsbestimmung zu den Punktationen, haben die Hoffnung der Tschechen enttäuscht, Tschechisch könnte wenigstens z. T. den Status eines zweiten Verkehrsprachen in der Kommunikation zwischen den Ämtern darstellen. Die jungtschechische Mehrheit im Landtag stimmte nur der Teilung des Landesschulrates und der Landwirtschaftskammer zu. Badeni-Krise Der ehemalige Statthalter in Galizien Graf Kazimierz Badeni ging daher einen Schritt weiter als die Punktationen und erließ im April 1897 Sprachenverordnungen für Böhmen und Mähren, die die Zweisprachigkeit im inneren und im äußeren Amtsverkehr garantierten. Damit sollten die deutsch-tschechischen Spannungen abgebaut werden. Das Gegenteil aber war der Fall: Es kam zu scharfen Protesten und Demonstrationen, vor allem in den deutsch-böhmischen Gemeinden, aber auch weit außerhalb der betroffenen Gebiete, etwa in Graz oder Klagenfurt. Die deutschnationale Obstruktionspolitik brachte schließlich die Regierung im Parlament zu Fall, im November 1897 musste Badeni zurücktreten, seine Nachfolger nahmen die Sprachverordnungen schrittweise zurück. Damit hatten all jene eine schwere Niederlage erlitten, die durch Zugeständnisse an die nichtdeutschen Nationen den Erhalt der Monarchie zu sichern trachteten. Immerhin hatte Badenis unmittelbarer Nachfolger, Ministerpräsident Paul Gautsch Freiherr von Frankenthurn, zumindest in Mähren einen gewissen Erfolg – mit dem sog. Mährischen Ausgleich. Der Mährische Ausgleich frei nach Franz Schausberger Die mährische Landeshauptstadt Brünn hatte Anfang des 20. Jahrhunderts rund 125.000 Einwohner. Davon waren 81.600 Deutsche (65 Prozent), 39.000 Tschechen (31 Prozent) und vier Prozent andere. Brünn wurde bis 1918 nur von deutschen Bürgermeistern regiert. Von 1894 bis 1916, also 22 Jahre lang, wirkte Dr. August Wieser als Bürgermeister. Der sogenannte "Mährischen Ausgleich" umfasste vier Gesetze: eine neue Landtagswahlordnung mit getrennten Wählerkatastern, den garantierten Schutz der nationalen Minderheiten, die Sprachenordnung bei den Gemeinden und das Gesetzt über das Schulwesen. Am 15. und 16. November 1905 wurden im Mährischen Landtag die entscheidenden Verhandlungen über den Ausgleich geführt. Alle Beschlüsse wurden mit großer Mehrheit gefasst. Im Schulwesen verankerte Mähren nach dem Vorbild Böhmens den Zwang zur nationalen Zugehörigkeit für die Mitglieder der Schulbehörden auf allen Ebenen. Darüber hinaus wurde festgelegt, dass in der jeweiligen Volksschule (in der Regel) nur Kinder aufgenommen werden durften, die der Unterrichtssprache mächtig waren. Damit versuchte man einem beliebten Mittel im Nationalitätenkampf, dem sogenannten "Kinderfang", ein Ende zu setzen. Die national getrennten Ortsschulräte bekamen das Recht, gegen die Anmeldung von Kindern in den Schulen der anderen Nationalität Beschwerde zu erheben. Dies wurde von deutschmährischer Seite als Einschränkung des Elternrechts heftig kritisiert – und führte zu Beschwerden beim Verwaltungsgerichtshof. Die neuen Gesetze der Landesordnung und der Landtagswahlordnung bewirkten die Einführung der nationalen Kurien im Landtag im Rahmen des traditionellen Kuriensystems. Der mährische Landtag hatte nunmehr 151 Sitze, die sich aus 71 tschechischen, 40 deutschen, 30 Großgrundbesitzer- und 8 Handelskammermandaten zusammensetzten. Für die deutsche Minderheit war bei der Änderung wichtiger Gesetze praktisch eine Sperrminorität gesichert. Die Bestellung des Landesausschusses (also der Landesregierung) und der Landtagsausschüsse wurde auf der Grundlage der beiden nationalen Kurien vorgenommen. Danach setzte sich die Landesregierung aus vier Tschechen, zwei Deutschen und zwei Großgrundbesitzern zusammen. Der nationale Proporz bzw. die nationale Zugehörigkeit wurde für den gesamten Bereich der Landesverwaltung festgelegt. Die Landtagsabgeordneten wurden in eigenen Wahlkörpern böhmischer und deutscher Nationalität gewählt. Die Erfassung der Wähler und die Zuweisung zu diesen Wahlkörpern erfolgte über nationale Kataster, in die die Eintragung auf Grund behördlicher Erhebung vorgenommen wurde. Wer jedoch glaubte, in die falsche Kurie eingetragen worden zu sein, konnte die Streichung seines Namens aus der Kurie und die Eintragung in jene nationale Liste verlangen, zu der er sich bekannte. Es stand aber auch jedem Wähler frei, die nationale Zugehörigkeit eines anderen, in der gleichen Liste eingetragenen Wählers zu bestreiten. Im Streitfall entschied der Gemeindevorsteher, wobei eine Einspruchsmöglichkeit dagegen bei der staatlichen Behörde bestand. Die Gemeinden konnten sich für eine der beiden Sprachen entscheiden. Lebten in einer Gemeinde zumindest 20 Prozent der jeweils anderen Sprachgruppe, so mussten Eingaben in beiden Sprachen behandelt werden. Es war schon ein Erfolg, dass bei der im Herbst 1906 nach den Bestimmungen des "Mährischen Ausgleichs" durchgeführten Landtagswahl weder die Deutschen noch die Tschechen den Wahlkampf mit nationalen Parolen führten. Im Jahr 1910 wurde, ähnlich dem "Mährischen Ausgleich", ein noch komplizierterer Ausgleich in der viersprachigen Bukowina geschaffen. Sein Funktionieren konnte bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs nicht mehr unter Beweis gestellt werden. Die Monarchie bewies aber immerhin – wenn auch viel zu spät –, dass sie gewillt war, Lösungsmodelle für das Nationalitätsproblem zu realisieren. ________________________________ [1] Durch den Waffenstillstand von Villafranca (11.ÿ7.) und den Frieden von Zürich (10.ÿ11.) erhielt Piemont die Lombardei, Venetien blieb bei Österreich. Inzwischen waren die Herrscher von Toskana, Parma und Modena aus ihren Ländern vertrieben worden; die kirchenstaatl. Romagna schüttelte die päpstl. Herrschaft ab. Die Bourbonenherrschaft in Neapel-Sizilien wurde dann durch die kühne Unternehmung G.ÿGaribaldis vom Sommer 1860 (»Zug der Tausend«) gestürzt. Savoyen und Nizza wurden gemäß dem Bündnisvertrag an Frankreich abgetreten. Nach ersten Parlamentswahlen wurde am 17.ÿ3. 1861 das Königreich I. unter Viktor EmanuelÿII. proklamiert. [2] Unerfüllt blieb der italienische Anspruch auf Südtirol und Triest. [3] Anfang August 1866 erschien in mehreren Tausen Exemplaren anonym die Broschüre Pláč Koruny České. Ihr Autor war Antonín Kotík, ehemaliger Redakteur des Tagblattes Národní listy. Angewidert von dem österreichischen Patriotismus in Böhmen des Jahres 1866 ließ er dieses Pamphlet in Berlin drucken, Aus Angst vor politischer Verfolgung gab er seine Stelle in der Redaktion der Národní listy auf und wurde Beamter in Nová Paka. Frič, der seit 1859 in Paris und dann in Berlin lebte, kam 1866 nach Böhmen, plante, dass der Sohn des italinesichen Königs auf den böhmischen Thron kommen sollte und teilte seinem politischen Förderer Rudolf Fürst Thurn-Taxis bei einer Beratung in Niměřice (Bezirk Jungbunzlau – Mladá Boleslav) mit, dass die tschechischen Formulierungen in der Erklärung der obersten preußischen Heeresleitung von ihm stammten: „zvítězí-li naše spravedlivá věc, uhodí bohdá i Čechům a Moravanům chvíle, kdy tužby své národní rovně s Uhry budou moci uskutečniti. Nechať příznivá hvězda blaha jejich na vždy pojistí!“) und dass er sie im Auftrag Bismarcks schrieb. [4] Křen, Konfliktní společenství. S. 193. Konflikthegemeinschaft, S. 153.. [5] Nach der Niederlage der ungarischen Revolution im Jahre 1849 hieß er nur Landtag. [6] Die Universitäten Lemberg und Krakau wurden schon 1870 polonisiert. Schon seit 1867 gab es eine Autonomie der österreichischen Teile Polens und Polnisch als Unterrichtssprache und seit 1869 Polnisch als Gerichts- und Amtssprache. [7] Vgl. die dt. Übersetzung von Jan Křens Buch Die Konfliktgemeinschaft. Tschechen und Deutsche 1780-1918. München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2000. S. 150f. URL: http://books.google.cz. [8] die kaiserliche gesetzesgleiche Entscheidung eines Einzelfalls. Tschechische Ausgabe (Praha: Akademia 1990), S. 188f. [9] Vgl. http://books.google.cz: Christian Scharf : Ausgleichspolitik und Pressekampf in der Ära Hohenwart: Die Fundamentalartikel von 1871 und der Deutsch-tschechische Konflikt in Böhmen. München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 1996. [10] sächs.-österreich. Politiker. B. verfolgte als sächs. Außenminister (seit 1849) und Min.präs. (1858/1866) einen antipreuß. Kurs und wurde 1866 zum österreich. Außenminister und 1867 auch zum Regierungschef (bis 1871) in Wien berufen. Ihm gelang der Ausgleich mit Ungarn, die von ihm angestrebte antipreuß. Koalition jedoch scheiterte; 1871/1878 Botschafter in London, danach bis 1882 in Paris. [11] Serbien stand seit dem Krim-Krieg (1856) unter dem Schutz europäischer Großmächte, 1867 vierließen die letzten türken das kleine Serbien. Erst auf dem Berliner kongress 1878 wurde die Unabhöngigkeit auch de jure anerkannt und das Gebiet vergrößert. Erst 1882 kam die Erklärung Serbiens als Königreich. [12] 1852 wurde das arme Binnenland Montenegro, in dem Wladikas as dem Geschlechte Petrović herrrschten, zu einem weltlichen Fürstentum erklärt. Wladikas waren nämlich orthodoxe Bischöfe, die unverheiratet sein mussten und demnach keine legitimen Nachkommen haben konnten. Daraus ergab sich eine Onkel-Neffe-Nachfolge der Petrović. Das Land war seit 1688 formal vom Osmanischen Reich unabhängig. Im russisch-türkischen Krieg von 1877/78 stand Montenegro (neben Serbien und Rumänien) auf der Seite des russischen Siegers: 1878 wurde die Unabhängigkeit Montenegros von den europäischen Großmächten anerkannt, und das Land bekam auf dem Berliner Kongress den Hafen Bar zugesprochen und hatte erstmals eigenen Zugang zum Meer. Der seit 1860 als Fürst regierende König Nikola I. war bei Beginn des Ersten Weltkriegs im Sommer 1914 auf Seiten Serbiens und damit der Entente. Es folgte die Besetzung Montenegros durch die österreichisch-ungarische Armee Anfang 1916. [13] eigentlich als Landsmannminister fpr die nationalen Belange zuständig. [14] Karl Ritter von Stremayr war 1879 und 1880 Justizminister, nach ihm wird meistens die Sprachenverordnung bezeichnet, die den slawischen Sprachen mehr Rechte im Verkehr mit den Behörden gewährte. Demnach sollte die Sprache der Eingabe für die Erledigung der Sache maßgebend sein. Man sprach von der Zweisprachigkeit im äußeren Dienstverkehr. [15] 1888 wurde der bisherige Statthalter in Mähren Graf Friedrich Schönborn Justizminister, es war ein Zugeständnis an die deutschen Abgeordneten. [16] F. Kameníček, Paměti a listář dr. A. Pražáka. [17] 1886 wurde erlassen, das das Oberste Gericht des Königreichs Böhmen tschechische Streitfälle auf tschechisch entscheiden muss. [18] das irische Adelgeschlecht Taaffe erwarb die Herrschaft im Böhmerwaldvorland, westlich von Horažďovice schon 1769. 1952 wurden die Orte Nalžovy und Stříibrné Hory zusammengelegt (Nalžovské Hory). Eduard Taaffe verhinderte den Bau einer Bahn über seine Ländereien, da er kein Interesse an einer Industrieansiedlung hatte. Er wollte weiterhin über genügend Arbeitskräfte für seine Besitzungen sowie über ungestörte Jagdgebiete verfügen. [19] Vgl. Die Teilung der Prager Universität 1882 und die intellektuelle Desintegration in den böhmischen Ländern: Vorträge der Tagung des Collegium Carolinum in Bad Wiessee vom 26. Bis 28. November 1982 Hg. Ferdinand Seibt, Collegium Carolinum, München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 1984. Bereits 1864 wurde das Prager Polytechnische Institut geteilt. Vom Wintersemester 1882/1883 nahmen nur die Philosophische und die Juridische Falkultät der böhmischen Karl-Ferdinands-Universität ihre Tätigkeit auf, während die Medizin und Theologie erst später hinzukamen. [20] Karl Freuiherr von Vogelsang hatte mit seiner Schrift "Die materielle Lage des Arbeiterstandes in Österreich" (mit E. Schneider, 1884) entscheidenden Einfluß auf die sozialpolitische Gesetzgebung unter der konservativen Regierung von Taaffe. Er organisierte ab 1888/9 in Wien einen Diskussionskreis für Sozialreformer, bekannt geworden als die "Enten-Abende" (Studienrunde katholischer Sozialreformer) und koordinierte die internationale Kooperation der Sozialreformer bei einer Tagung in Haid (heute Bor, tschech. Rep.). [21] Die Tschechen waren wirtschaftlich schwächer und konnten kaum so viele Schulen finanzieren wie der Dt. Schulverein.