Max Dauthenday: Paradies Es wirft sich an's Herz, auf rauschenden schweren Flügelschlag eine ernste Amethystbläue. Eine Strahlung verborgener heiliger Quellen und aus glühenden Laubgrotten. Aus dem Gebüsch ein Mann und ein Weib. Und sie schreiten über den blumigen Rasen, Seite an Seite. Nackt, ein feuchter Violenschein über ihren Leibern. Ein Löwe leckt seine Hand und andere Tiere folgen. Ein Eber auf der Seite des Weibes. Eine weiße Kuh und schnäbelnde rosige Flamingos und andere, Tiger, Elefanten und noch mehr. Aus hyazinthblauen Büschen kommt der Zug. Triefende Sonnenbrände über den Büschen. Durchglühte Laubhänge, Malachitleuchten und Smaragdfeuer und darüber die Luft weinrot und rotgolden, wie von üppigen Säften getränkt. Tauben, lilienweiß, die Flügel gespannt im Goldduft über dem Menschenpaare. Im Rasen, rings, kurze große Blumen, rotgefleckte Tulpen und Aurikeln und Primeln in kleinen Sträußen. Oben schmettert das Licht in Posaunen, die Sonnenbrände wirbeln und über die Laubkronen brausen die grünen Feuer. Aber unten, alles ist Marmorkühle, alles klar, eine blaufeuchte Klarheit. Das Weib hält eine Blüten-Girlande hinter sich, bis zu den Biegungen der Knie schaukelt die Girlande, bei jedem Schritt streicheln sie die kühlen, tauigen Blüten. Sie neben ihm. Ihre Leiber breit und kräftiges Fleisch. Und an ihnen die Nacktheit ist wärmeleer in unbewußter blauer Keuschheit. Die Schatten sind gelbzart wie Blütenmehl an ihrem Fleische. Aber es ist überall um sie, dies dämmerige Violenblau. Es senkt die Äste, sie wiegen sich gewölbt, wie unter Edelsteinlasten, und unter dem Laube in gedämpften Floren. Und über den Tieren dasselbe nachdenklich schweigende Blau, das die Blutwärme verdeckt und alles rollende Rot. Die großen weißen und roten Blumen im Rasen mit den samtdunkeln Pupillen sehen zu dem Menschenpaar auf, und wandeln vor ihm her. Und auch auf ihnen das kühle stumme Blau, das alles bezähmt. Das Menschenpaar schreitet über den Rasen. Der blaue Äther wogt um ihre Nacktheit, eine Strahlung verborgener heiliger Quellen und aus glühenden Grotten. Eine ernste Amethystbläue, eine Kühle, es wirft sich an's Herz auf rauschendem schweren Flügelschlag. Die Welle Pfauengrüne Gluten in der Luft. Über dem Meere Heliotropdüfte. Kochender Atem stockt. Die Wasser stauen sich. In der brünstigen zyanenblauen Dämmerung eine Frau, mit feuchtem Leib aufgestiegen, ein zauderndes Neigen und Schwingen in ihrem Körper, es wogt noch flüssig jedes Glied. Unter ihr die Wasser glattmilchig, mit Lachen weinrot wie große, offene Wunden. Ein Pfauenhimmel und Leuchtrauch von Smaragd und Lapislazuli und ein Funkenkitzeln und fliehende Irisschiller um diesen Leib. Fern am Himmel, im Wasser, rast ein Licht, weiß, elektrisch, und blauweißer Schaum berstet am Ufer. Im hochgesträubten Schaum kauert eine andere, blau und rotgolden der Wasserqualm, über ihren Rücken rieselt grünblauer Muschelglimmer. Und die Wasser wie silberrandige flachrunde Flossen schieben sich ans Ufer. Überall dieser Heliotropdunst und Weinrauch. In allem das sich windende Weib, das zum Lande sehnt, das die roten Lachen halten, und aus der Meerestiefe eine herrische Goldglut. Sie ringt sich höher. Sie biegt den Leib vor. Sie reckt das Kinn. Nur mit den Zehen noch über den roten geöffneten Lachen, sie wankt, tastet – das Ufer! zum Ufer – o, das Ufer! Sie liegen an ihr und flüstern und hauchen und seufzen, all diese goldrot, goldblauen Farben ihres Leibes. Ein schluchzender Jubel in ihrem Auge und ein vibrierendes scheublaues Sehnen. Aber die roten Lachen halten sie, und der mondgoldene Schein aus der Tiefe hält sie. Der Goldschein greift an ihren Hüften hoch, greift um die Brüste, um die Schenkel und um den Arm bis zur warmen Armhöhle. Es zieht sie zurück. Sie wehrt, sie steift sich. – Der Goldschein faßt höher. Ihr Haarstrom bis zur Hüfte, rot und grün in Perlen, die Goldlichter ritzen das Haar hinauf und an die Wangenknochen und an die Linien des Kinns. Nur, – o – zum Ufer, Erde! Das Sehnen spitzt sich, ein metallscharfes Leuchten drängt aus den Poren. Grüne Phosphorblässe auf Stirn, Wangen, um den Leib. Flehende zitternde Farben recken sich höher. Aber der Goldschein der Tiefe bezwingt sie alle. Die stumme qualvolle rote Lache zu ihren Füßen öffnet sich und saugt sie zurück. – Nur einen sehnenden Augenblick lebte die Welle.