Übersetzungskritik Zdeněk Mareček 2019 Frei nach nach Klaus Kaindl, Hans G. Hönig, Chritiane Nord und Juliane House sowie Jitka Zehnalová (Kvalita a hodnocení překladu) Pauschale Urteile, Beispiele von translatorischer Inkompezenz • „Ein übersetztes Buch ist wie eine Leiche, die von einem Auto bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt worden ist.“ (Thomas Bernhard) • Gottfried Benn, ‘Probleme der Lyrik’ (1951): ‘Man kann das Gedicht als das Unübersetzbare definieren.’ • https://derstandard.at/2000011593466/Lost-in-Translation • Erster Teil der Hörprobe: "Es muss Iphigenie gewartet haben, bis der richtige Wind geweht wird, damit sie also mit den Segeln durch Europa ...„ • "Es wird also Winde wehen lassen, die Sie also bitte schön auch dem Sturm entgegensetzen können." derstandard.at/2000011593466/Lost-in-Translation • Modelle der Übersetzungskritik • Nach Hans G. Hönig • zwei Ansätze: der eine, der auf sprachlicher Ebene nach den Ursachen von Fehlern fragt, und derjenige, der sich auf die Auswirkungen von Fehlern für die Nutzer des Textes konzentriert. • 1. Der texttypologische Ansatz (Katharina Reiss) • 2. Der pragmalinguistische Ansatz (Juliane House) • 3. Der funktionale Ansatz (Margret Amman) • 2. Der polysystemische Ansatz (Raymond van den Broeck) Der texttypologische Ansatz (Katharina Reiss) • 1970 am Romanischen Seminar der Universität Würzburg, wo sie auch nach ihrer Emeritierung im Jahr 1988 lehrte. • 1971: Möglichkeiten und Grenzen der Übersetzungskritik • 1989: Übersetzungstheorie und Praxis der Übersetzungskritik • Texte nach ihrer dominanten Funktion eingeteilt. Karl Bühler (1934). • Der Texttyp bestimmt die Methode des Übersetzens und die Rangfolge des in der Zielsprache zu Bewahrenden (1971:34) • Inhaltbetont, formbetonte und appellbetonte Texte Katharina Reiss • Statt Textsorte spricht sie von der „Textart“ • Verkennung der semantischen Instruktionen (mangelnde Deckungsgleichheit zwischen ausgangs- und zielsprachlichen Übersetzungseinheiten) • Verkennung von lexikalischen Instruktionen (Fachterminologie, falsche Freunde, Metaphern) • Verkennung von grammatischen Strukturen in der Ausgangssprache • Verkennung von stilistischen Instruktionen (Individual- und Zeitstil, Stilmischungen und Stilbrüche) Katharina Reiss • Außersprachliche Determinanten (Situationsbezug, Sachbezug, Zeitbezug, Ortsbezug, d.h. Kulturspezifika; Empfängerbezug. • • Feststellung, Beschreibung und Bewertung einer Übersetzungslösung in einem Zieltext, nicht subjektiv, sondern argumentativ nachvollziehbar. • gegen eine rein zieltextorientierte Bewertung, obwohl den ersten Schritt die Analyse und Beurteilung des Zieltexts darstellt und erst in einem zweiten Schritt die Übersetzung mit dem Ausgangstext zu vergleichen ist. Der pragmalinguistische Ansatz (Juliane House): Analyseraster Juliane House • Translation quality assessment: a model revisited. Tübingen 1977 • 1. Pragmalinguistische Analyse des AT: Register, Genre und individuelle Textfunktion • Das Register: Fachlichkeitsgrad, Einstellung des Senders zum Thema und seine kommunikative Intention (Tenor) und Kommunikationsformen (Mode; Medium – gesprochen/geschrieben). • Fachlichkeitsgrad, Tenor und Kommunikationsform werden auf lexikalischer, syntaktischer und textueller Ebene analysiert. • Das Genre, im Prinzip die Textsorte, Register und individuelle Textfunktion Juliane House: Vorgabe eines Rasters nach dem systemischfunktionalen Modell Michael a. K. Hallidays • • • • • • • • • • • A. Dimensions of Language User 1. Geographical Origin 2. Social Class 3. Time B. Dimensions of Language Use 1. Medium: simple/complex 2. Participation: simple/complex 3. Social Role Relationship 4. Social Attitude 5. Province Juliane House •1. detaillierte Ausgangstextanalyse auf der Basis der oben genannten Kategorien (ergibt das A-Textprofil) •2. detaillierte Zieltextanalyse auf der Basis der oben genannten Kategorien (ergibt das Z-Textprofil) •3. Vergleich beider Texte bezogen auf ihren Übereinstimmungsgrad hinsichtlich der oben genannten Kategorien (= Befund) •4. Relativierung des Befundes hinsichtlich der Funktion des Zieltextes • H. Gerzymisch-Arbogast http://translationconcepts.org/pdf/uebersetzungskritik.pdf Juliane House, Übersetzung von J.K. Galbraiths ‘The Great Crash 1929, dt. R. Mühlfenzl/H. Roesler Men meet together for many reasons in the course of business. They need to instruct or persuade each other. They must agree on a course of action. They find thinking in public more productive or less painful than thinking in private. But there are at least as many reasons for meetings to transact no business. Viele Gründe gibt es, warum sich Männer zu geschäftlichen Zwecken zusammensetzen. Sie wollen sich gegenseitig informieren oder überzeugen. Im Laufe der Verhandlung müssen sie sich auch einmal einig werden. Für sie ist es oft viel produktiver und weniger anstrengend, gemeinsam zu denken als für sich allein. Aber es gibt auch genauso viele Gründe für Zusammenkünfte ohne geschäftliche Hintergründe. Galbraiths ‘The Great Crash 1929 Meetings are held because men seek companionship or, at a minimum, wish to escape the tedium of solidarity duties. They yearn for the prestige which accrues to the man who presides over meetings, and this leads them to convoke assemblages over which they can preside. Man trifft sich, weil die Männer Gesellschaft lieben, oder auch, weil sie der Langeweile ihrer Pflichten entrinnen wollen. Sie sehnen sich nach dem Prestige, der Präsident einer Versammlung zu sein, und das bringt sie dazu, Versammlungen einzuberufen, bei denen sie dann präsidieren können. Galbraiths ‘The Great Crash 1929 Finally, there is the meeting which is called not because there is business to be done, but because it is necessary to create the impression that business is being done. Such meetings are more than a substitute for action. They are widely regarded as action. Und zuletzt entsteht dann die Versammlung, welche nicht einberufen werden kann, weil ein Geschäft zu machen ist, sondern weil es nötig ist, den Eindruck zu erwecken, dass Geschäfte gemacht werden. Solche Treffen sind gewissermaßen ein Ersatz für tatsächliches Handeln. Heidrun Gerzymisch: atomistische, holatomistische und holistische Perspektive • Aus atomistischer Sicht: fünf Denotatabweichungen und eine Verletzung der Sinnbeziehungen, nach dem Kriterium‚Denotatabweichung’ als schlecht und nach dem Kriterium ‚Sinnbeziehungen’ als eher gut beurteilt. • Die Übersetzung wurde eher schlecht beurteilt werden. Nicht nur Wort für Wort, Satz für Satz, sondern im Zusammenhang, d.h. Kriterium für Kriterium und unter Verwendung homogener Werteprädikate sollte man verfahren. • • • Juliane House: Offene/verdeckte Übersetzung http://www.google.com/books? hl=cs&lr=&id=D16aYuTCBJ0C&oi=fnd&pg=PR7&dq=Juliane+Ho use+Limits+of+Translation&ots=4VPVW07Rfa&sig=pL8DReMCn t2xbXVc8sIr2tPrbUo#v=onepage&q=limits&f=false Wie würden Sie das von Gerzymich gewählte Beispiel auf dieser Skala bewerten? Offene, verfremdende Übersetzung •Strebt nicht den Eindruck an, es sei ein zweites Original. •Oft sind es literarirsche fiktionale Texte. •Emisch: •Emisch bedeutet „mit den Augen eines Insiders“ einer Kultur oder eines Systems und bezeichnet eine Beschreibung, die in erster Linie aus Sicht eines Teilnehmers der untersuchten Kultur richtig ist. geschlossene, einbürgernde Übersetzung Die Übersetzungstrebt will wie ein Originaltext in der Zielkultur wirken.Typisch für Gebrauchsanweisungen, journalistische und wissenschaftliche Texte. Die kulturellen Unterschiede werden deutlich berücksichtigt, die Welt des ursprünglichen Diskurses wird ausgegrenzt, die stilistische Eigenart des AT ausgefiltert. Von wem wurde die offene Übersetzung nach 1813 bevorzugt? Juliane House • Overt – offen • Funktion des Originals bleibt nicht erhalten • Einbettung in eine neue Diskurswelt, in einen neuen Rahmen • Covert – verdeckt • Äquivalentes Ereignis, Funktion re-kreieren • Medien, Werbung • Kulturelle Filter Friedrich Schleiermacher: Über die verschiedenen Methoden der Übersetzung Richard Humphrey: Schleier um Schleier um Schleiermacher Blendlinge (Mischlinge) Wer möchte nicht lieber Kinder erzeugen, die das väterliche Geschlecht ein darstellen, als Blendlinge? Lawrence Venuti: Foreignizing translation in English can be a form of resistance against ethnocentrism and racism, cultural narcissism and imperiaslism, in the interest of democratic relations. Der kulturelle Filter •damit die Zukunft schneller kommt •vs. •We apologize for any inconvenience work on our building site is causing you. • Der funktionale Ansatz von Margret Amann • Eine rein zieltextorientoerte Untersuchung. • 1. Feststellung der Translatfunktion • 2. Feststellung der intratextuellen Translatkohärenz • 3. Feststellung der Funktion des AT • 4. Feststellung der intratextuellen Kohärenz des AT • 5. Festellung einer intertextuellen Kohärenz zwischen Translat und AT Nur über den Adressatenbezug möglich, Amann greift auf Umberto Ecos Konzept des Modelllesers zurück Margret Amann: Scenes- and framesAnsatz • Scene: die sich im Kopf eines Menschen aufbauende Vorstellung aufgrund von Wahrnehmungen. • Frame: jegliches wahrnehmbares Phänomen, das als informationshaltig definiert wird. • • Auf literarische Übersetzungen anwendbar Der polysystemische Ansatz (Raymond van den Broeck) • Eine hypothetish konstruierte adäquate Translation rekonstruiert und als tertium comparatinis für den Vergleich mit ZT herangezogen. • 1. Textemanalyse: phonic, lexical, syntactical components, language varieti, elements off text conventiones • 2. Elemente des ZT und des AT verglichen (obligatory and optional shifts), Beschreibung der Unterschiede • Die Bewertung der Übersetzung, in der die Normen des Beurteilers und die Normen des Übersetzer gegenübergestellt werden. Qualitätslektorat • Top-down-Korrektur • Die Übersetzung eines erfahrenen Übersetzer mit dem Lernziel für den weniger erfahrenen Überprüfer • Gegenlesen durch einen Kollegen (intralingual, nur bei Zweifelsfällen wir der AT herangezogen) • Fachlektorat • Sprachlektorat durch ZS-Muttersprachler Übersetzungsfehler • Pragmatisch: mangelnde Berücksichtigung der ZT-Pragmatik (Inhalt, Sinn) • Kulturelle Fehler (Textssorte, Textaufbau) • Formale Fehler (Typographie) • Sprachfehler: Lexik, Phraseologie, Idiomatik, Satzbau Jiří Levý: Analýza překladu •1. Welcher Text diente als Vorlage (korouhvička skřípe). Man übersetzte nicht immer das Original, sondern schon z. B. aus dem Deutschen oder Englischen •Jan Neruda übersetzte Hugos Consience: statt Alexandriner steht hier Blankvers, er ging nämlich von der dt. Übersetzung von Ludwig Seeger (1860) aus. •L. Cejp über Jungmanns Übersetzung von Miltons Paradies Lost1760 Justus Friedrich Wilhelm Zachariae, Verständnis, 25%, 1793 Samuel Gottlieb Bürde, Stil, 50%, 179 1/2, JI Przybylski, Miltona Ray utracony , Neologismen, 20%, 1667, Miltons Paradies Lost, 1% • Jiří Levý • Entgleisungen bei dem Übersetzer: moderní listí – moderndes Laub (předstíral překlad ze švédštiny) • Jaký byl překladatelův charakteristický rytmus jeho prozaické věty, ke kterým donotám je zvláště vnímavý • Nejde o vypočítávání významových chyb a stylizačních neobratností. Wozu dient Übersetzungskritik? • Unterscheidung zwischen sozio-kulturellen Bewertungen und sprachlichen Vergleichen • Einblick in das Übersetzen geben. Klären, was eine Übersetzung bewirkt, auch in Relation zum Original. • Subjektive Entscheidungen des Übersetzers nachvollziehbar machen und erklären. • Sprachliche Analyse, Beschreibung und Bewertung. •