Antike Statuen waren gar nicht weiß? https://www.youtube.com/watch?v=LG7x_bdvAJY Das ist eine griechische Statue. Sie hat drei Eigenschaften: sie ist schön, groß, und weiß. Ah, weißer Marmor, Symbol für Reinheit und Ideal kultureller Größe, auf der ganzen Welt kopiert. Nur stimmt das ganz und gar nicht. Die griechischen Statuen waren ursprünglich nicht weiß, sondern mehrfarbig, also polychrom. Von Kopf bis Fuß bemalt. Seltsam, oder? Bekannt ist das schon lange: als Beweis dienen die Schriften von Platon und Plinius den Älteren: „Die Statuen wurden bemalt. Ja, natürlich, das wurden sie“. Die Polychromie ist seit dem 18. Jh. bewiesen, man fand Spuren von Farbe auf den Parthenon. Aber warum hat man Ihnen das verschwiegen? Warum blieb dieser Mythos bestehen? Und warum malen wir diese Statuen nicht wieder an? In Frankreich kopieren die Werkstätten der Museen die Meisterwerke der Antike im makellosen Weiß, obwohl das falsch ist. Der Archäologe Philippe Jockey will damit Schluss machen, aber das ist nicht so einfach. Im antiken Griechenland waren Malerei und Skulptur unzertrennlich, etwa so wie der Apfelkuchen und die Kugel Vanilleeis. „Die Entwicklung griechischer Städte ist untrennbar mit Farben verbunden, in allen Bereichen, insbesondere in der Religion“. Die Beziehung zu den Gottheiten des antiken Griechenlands drückte sich in Farben aus. Je mehr Farbe, umso größer war die Gunst der Götter. Die Griechen malten die Skulpturen ein. Aber warum wurden sie eingeweißt? Durch mangelnde Pflege sind die Farben mit der Zeit verblasst, und das Christentum hat dann die letzten Spuren der Polychromie beseitigt. „Die Skulpturen, die in der Renaissance entdeckt wurden, waren römische Kopien verlorengegangener griechischer Originale. Und diese Kopien aus unterschiedlichen Materialien gefertigt waren auf jeden Fall farblos“. In der Renaissance fertigten die Künstler einfarbige Statuen und verfestigten die Vorstellungen der weißen Antike. Antik ist schick, und weiß ist praktisch. Das Mittelalter mit seinen barbarischen Farben war Geschichte, und man hob sich ab vom großen Feind, der Osmanischen Kunst. Als Johann Winckelmann 1764 die Kunstgeschichte begründete, machte er Weiß zur allgemeinen Norm. „Je weißer ein Körper, umso schöner war er. Ich glaube wir haben hier wirklich die Definition dieses weißen Ideals, der Ästhetik des weißen Griechenlands. Der Mythos vom weißen Griechenland wird der Antike nicht gerecht, doch er bleibt bestehen, auch wenn die Archäologie dem widerspricht. Im 18. und 19. Jh. brachten Ausgrabungen eine sehr bunte Kunst zu Tage – wie diese Kore, Skulpturen mit schmalen Augen und wunderschönen roten Haaren. Frevel! Die Farben wurden also schlicht geleugnet. „Die Archäologen sahen die Statuen und beschrieben sie, gleichzeitig stellten sie aber auch Abdrücke von ihnen her, Gypskopien, die sie sofort an die Weltausstellungen schickten. So entstanden zunehmend weiße Statuen“. Europa leugnet die Farbe, weil weiß politisch ist. Arthur de Gobineau stellt 1853 die Theorie der Überlegenheit der weißen Rasse auf. Die weißen Statuen standen für intellektuelle und rassische Überlegenheit gegenüber anderen Völkern. Die monochrome Ästhetik wurde auch als Propagandainstrument von Mussolini und Hitler missbraucht. 70 Jahre später sind die Statuen immer noch weiß, wenn auch aus anderen Gründen. Dank Ultravioletter- und Infrarotstrahlung könnten über 3.000 Jahre alte Statuen heute neu bemalt werden. Der Archäologe Vinzenz Brinkmann hat Polychromie-Tests durchgeführt. Doch Öffentlichkeit und Wissenschaftler sind skeptisch: das ist kitschig und ehrlich gesagt auch nicht besonders schön. „Ich denke die Öffentlichkeit hat Recht, wenn sie keine polychromen Statuen will. Wie konnten die Griechen, die so große Bildhauer waren, nur so schlecht malen? Wir müssten heute Künstler finden, die große Maler sind und gleichzeitig in der Lage an 3D-Modellen zu arbeiten. Wir kennen jetzt zwar die Farben nicht, aber deren Zusammensetzung, die Bindemittel und so weiter. Das ist ein spannendes Forschungsfeld, dass noch viele Fragen offen lässt. Im Moment herrscht status quo: die Statuen bleiben weiß, weil keiner weißt wie man sie bemalen soll. Und es fällt nicht leicht zuzugeben, dass ein Teil der Kunstgeschichte auf einen Mythos basiert. Nur Jean-Luc Godard scheint die Statuen in Farbe vorzuziehen. „Ich mag Götter, ich finde Götter wirklich toll“.