Text 2: Brünn. Die Verführungen einer Namenlosen 22. Ol. 2014 ■ Vom Beinhaus zum Bauhaus ist der Weg nicht weit. Und erführt mitten hinein in die Geschichte der Moderne: Auf der Suche nach dem wahren Brünn. In der mährischen Hauptstadt fühlt man sich Wien näher als Prag. Robert Musil bezeichnete in seinem unvollendeten Großroman „ Der Mann ohne Eigenschaften " die mährische Hauptstadt Brünn, in der er seine Jugend verlebte, nur mit einem „B": „Das wahre B. ist natürlich der Ring der Fabrikviertel, die Tuch- und Garnstadt", schrieb er. Das klingt nicht gerade aufregend. Aber ist es nicht reizvoller, einmal eine Stadt ohne Namen zu erkunden als immer wieder die längst zu Abziehbildern gewordenen Tourismusmetropolen? Und einen Vorteil hat die Abkürzung ja auf jeden Fall: Man muss sich nicht entscheiden, ob man die Stadt mit ihrem deutschen oder tschechischen Namen anreden soll: Brünn oder Brno. Man könnte der Einfachheit halber bei „B" bleiben. Doch schon nach wenigen Stunden ist man geneigt, diese erstaunliche Stadt mit ihrem richtigen Namen nennen zu wollen. Aber welchem? Einen besuchsträchtigen Superstar allerdings hat „B", sogar einen mit Unesco-Prädikat. Es ist die berühmte Villa Tugendhat von Ludwig Mies van der Rohe. Wie ein falsch adressiertes Paket vom Planeten Bauhaus liegt die langgestreckte, weiße Kiste an einem Abhang, in einer Reihe von historistischen Villen. Vor einem Jahr wurde sie, gründlich restauriert, wieder für das Publikum geöffiiet und ist seither ein Magnet für Architekturfreunde aus aller Welt. franffurtcrjdlgemeine ZEITl NC FIiK DEUTSCHLAND