unterschiedlichen Lebenswelten zu überwinden. Dass das klappt, hat viel mit gegenseitiger Neugier zu tun. Spaltung und Unsicherheit Charlotte war neu in Istanbul, als sie nach einer Zufallsbegegnung mit Tugba und Büsra immer tiefere Einblicke in den Alltag traditioneller Familien bekam. Bei den Schwestern. wiederum weckte Charlottes unabhängiger, freier Lebensstil Sehnsüchte und ließ dabei Akzeptanz entstehen für Dinge, die in ihrer Welt eigentlich verpönt sind: Alkohol trinken oder außereheliche Liebesbeziehungen haben zum Beispiel. Oder aber, Präsident Erdogan nicht ausstehen können. NDR/ Katharina Willinger Junge Istanbuler demonstrieren für die Rechte von sexuellen Minderheiten. Dass das in diesem Fall gut funktioniert, hängt vielleicht auch damit zusammen, dass Charlotte Deutsche ist und deshalb im Konflikt zwischen Anhängern und Gegnern Erdogans gewissermaßen parteilos dasteht. Innerhalb der türkischen Gesellschaft aber vertiert sich die Spaltung, je härter Erdogan um seine Macht kämpft. In Istanbul, der westlichsten Metropole der Türkei, in der gleichzeitig auch die konservativsten und glühendsten Anhänger Erdogans leben, lässt sich diese fortschreitende Spaltung und Unsicherheit der Bevölkerung so gut beobachten wie nirgendwo sonst. Unter meinen Istanbuler Freunden gibt es niemanden, der Kontakt zu konservativen Erdogan-Fans hat oder sich emsthaft dafür interessiert, was diese Menschen bewegt. Natürlich wäre es naiv, zu glauben, dass es die Probleme des Landes lösen würde, wenn es bloß mehr Kommunikation zwischen Andersdenkenden gäbe. Aber mehr aufeinander zuzugehen, das würde vielleicht dabei helfen, die Wunden zu heilen, die der anhaltende Konflikt in der Gesellschaft in den letzten Jahren aufgerissen hat. Oder ein bisschen Gelassenheit schaffen für all das, was noch auf das Land zukommt.