Didaktická dílna 13.11.2020 Phraseodidaktik 1. Einleitung •Phraseologie – Teildisziplin der Lexikologie oder selbstständige Disziplin? •linguistische Disziplin, Wissenschaft oder Lehre, die sich mit der Erforschung der festen Wortgruppen / Wortverbindungen (Phraseologismen) beschäftigt •Phraseologismen: Redewendungen, Redensarten, Phraseme, Phraseolexeme, Idiome… •Phraseologie: Merkwürdige und komplizierte Erscheinung der Sprache: •Einheiten des lexikalischen Systems (Wörter/Lexeme) können sich zu mehr oder weniger festen Wortgruppen vereinen, deren Bedeutung sich vielmals aus der Bedeutung einzelner Glieder nicht erschließen lässt, sondern an die neu entstandene Gesamtheit gebunden ist Beispiel: 1.Paul hatte einen Stein im Schuh und musste bei der Wanderung eine Pause machen. 2.Paul hat bei seinem Vater einen Stein im Brett, weil er ihm oft im Garten hilft. • bei jdm einen Stein im Brett haben – „bei jmdm. große Sympathien genießen“ - feste Wortgruppe (etymologisch erklärbar – ein Tischspiel) •DUDEN 11: Redewendungen Warum seit den 70er Jahren des 20. Jhs. wachsendes Interesse? •kommunikativ-pragmatische Wende: Phraseologismen üben wichtige Funktionen in der Kommunikation aus •kognitive Wende: Phraseme in mentalen Prozessen •Wichtige Forschungszentren: –Leipzig : W. Fleischer: Phraseologie der deutschen Gegenwartssprache, Tübingen: Niemeyer 1997 –Zürich: H. Burger: Phraseologie: Eine Einführung am Beispiel des Deutschen. Berlin: Erich Schmidt 2003, 2010 –Kontrastive Phraseologie: international: –Phraseologie: ein internationales Handbuch zeitgenössischer Forschung. Hrsg. von H. Burger… [et al.] Berlin: de Gruyter 2007 – Dmitrij Dobrovol´skij: Dt - R – Christine Palm: Phraseologie. Eine Einführung. Tübingen: – Narr 1995 (Dt – Schwedisch) – Peter Ďurčo: Dt – Slowakisch – Kateřina Šichová: Dt – Tschechisch –Übersetzungspraxis: phraseologische WB (Phraseographie) – – • Phraseodidaktik •Fremdsprachendidaktik – nicht nur ein phraseologisches Minimum, sondern ein phraseologisches Optimum angestrebt (Phraseodidaktik): •Der phraseologische Dreischritt (Peter Kühn) •Vierschritt: •Erkennen – Verstehen – Festigen (Üben) – Verwenden • Fachliteratur •Fleischer, Wolfgang: Phraseologie der deutschen Gegenwartssprache. 2., durchgesehene und ergänzte Auflage. Tübingen 1997 •Burger, Harald: Phraseologie. Eine Einführung am Beispiel des Deutschen. 4., neu bearbeitete Auflage. Berlin 2010 •Donalies, Elke: Basiswissen Deutsche Phraseologie.Tübingen 2009 •BERGEROVÁ, Hana: EINFÜHRUNG IN DIE DEUTSCHE PHRASEOLOGIE. Ein Reader, Augaben- und Übungsbuch, Ústí nad Labem 2005 •Phraseologie: ein internationales Handbuch zeitgenössischer Forschung. Hrsg. von H. Burger… [et al.] Berlin: de Gruyter 2007 • • • • Wörter- und Übungsbücher •Hessky, Regina/Ettinger, Stefan: Deutsche Redewendungen. Ein Wörter- und Übungsbuch. Tübingen 1997 •DUDEN. Bd. 11: Redewendungen. Mannheim 2002 •DUDEN. Bd. 12: Zitate und Aussprüche. Mannheim 2012 •Heřman/Blažejová/Goldhahn: Deutsch-tschechisches Wörterbuch der Phraseologismen und festgeprägten Wendungen •www.redensarten.de •Bergerová, Hana: web: http://frazeologie.ujepurkyne.com • 2. Merkmale der Phraseologismen 1.Polylexikalität: mehrere Lexeme (mindestens zwei): blinder Passagier 2.Festigkeit/Stabilität – nicht austauschbare Struktur – relativ: Variationen und Modifikationen möglich: jdm Honig um den Mund, den Bart, ums Maul schmieren/jdm. *Marmelade… 3.Lexikalisierung und Reproduzierbarkeit: in WB gespeichert 4.Idiomatizität in verschiedenen Abstufungen: •Öl ins Feuer gießen •jmdm. einen Floh ins Ohr setzen •jmdn. ins Bockshorn jagen •die Gesamtbedeutung lässt sich nicht additiv aus der Summe der Bedeutungen der einzelnen Komponenten erschließen, sondern ist an die Gesamtheit gebunden •stilistische Vielfalt: Emotionalität, Expressivität, Bildlichkeit (metaphorisch), Anschaulichkeit, Kultursymbolik, semantische Abenteuerlichkeit (was sie bedeuten, woher sie stammen…) • • • • • Idiomatizität und Idiome •Beispiele: •einen Kater haben – „sich nach übermäßigen Alkoholgenuss schlecht fühlen“ •die Katze im Sack kaufen – „etwas unbesehen, ungeprüft kaufen und dabei übervorteilt werden“ •Herr Müller hat an meiner Tochter einen Narren gefressen. • an jmdm. einen Narren gefressen haben (umg.) • übertragen, „undurchsichtig“ •jmdn.übers Ohr hauen (umg. / ugs.) •auf den Busch klopfen •Perlen vor die Säue werfen •Eulen nach Athen tragen •jmdm. einen Korb geben • 3. Klassifizierung der Phraseologismen •Phraseologismus – Oberbegriff für alle festen WortGruppen 1.Idiome: die größte und wichtigste Gruppe •1.1. verbale Idiome: jmdn. an der Nase herumführen •1.2. nominale Idiome: blinder Passagier, schwarzes Schaf • (Substantiv, Adjektiv, Adverbiale: im Handumdrehen, auf Anhieb) •1.3. Sondergruppen (verschiedene Strukturen): •phraseologische Vergleiche: sich wie ein Elefant im Porzellanladen benehmen •Paarformeln/Zwillingsformeln: mit Kind und Kegel, gang und gäbe •feste Phrasen: Da liegt der Hund begraben. Phraseologie im weiteren Sinne: •2. Parömiologie: •Sprichwörter, geflügelte Worte, Zitate, Aphorismen, Bauern- und Wetterregeln: •Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. •Wer zuletzt lacht, lacht am besten. •Über die Toten soll man nur Gutes sagen. (Chilón) – De mortuis nihil nisi bene •Veni, vidi, vici. Alea iacta est/sunt (Cäsar) •Viel Nebel im Februar bringt Regen oft im Jahr. •3. Kollokationen, Funktionsverbgefüge: •den Tisch decken,Maßnahmen treffen, Hilfe leisten •4. Kommunikative Formeln: •Grüße, Wünsche, Flüche: Gute Fahrt! Du lieber Himmel! Lass mich in Frieden! Verdammt noch mal! 4. Kontrastive/Konfrontative Phraseologie •die vergleichende (interlinguale) Untersuchung der phraseologischen Systeme von zwei oder mehr Sprachen •Herausarbeiten der Gemeinsamkeiten und Unterschiede •Ergebnisse: neue Einsichten für die (intralinguale) Betrachtung einer Einzelsprache •Quellen- und Zielsprache: Suche nach einem Äquivalent (einer Entsprechung) Äquivalenztypen: 1.Volläquivalenz •morphosyntaktische und lexisch-semantische •Identität in der Quellen- und Zielsprache (Dt.-Tsch.) –den Teufel an die Wand malen – malovat čerta na zeď –den Bock zum Gärtner machen – udělat kozla zahradníkem 2.Teiläquivalenz •kleinere morphosyntaktische und lexisch-semantische Unterschiede: –jdm. den Floh ins Ohr setzen - tsch.: nasadit brouka do hlavy („jdm. den Käfer in den Kopf setzen“) – sp.: echar a alguien la pulga tras la oreja („jdm. einen Floh hinter das Ohr setzen/geben) • Äquivalenztypen: 3.semantische Äquivalenz: unterschiedlich konstruierte Phraseme – unterschiedliche Bilder bei der Bedeutungsidentität: •nicht auf den Mund gefallen sein – •tsch: mít dobře proříznutou pusu/hubu („den Mund / das Maul gut aufgeschnitten haben“) Nulläquivalenz: 4.Nulläquivalenz: Fehlen eines phraseologischen Äquivalents: –Paraphrase durch ein Verb, eine Umschreibung: –jdn. auf den Arm nehmen – dělat si z někoho legraci („sich lustig machen über jdn.“) –jdm. auf die Schliche kommen – někoho prokouknout („jdn. durchschauen“) •jmdm. blauen Dunst vormachen – balamutit, mlžit „falsche Freunde“ •„falsche Freunde“ –„faux amis“: formal (fast) identisch – Bedeutungen nichts miteinander zu tun: –auf einen grünen Zweig kommen – být na větvi („auf dem Zweig sein“ – sehr aufgeregt über etw. sein) –die Ohren steifhalten – nastražit uši (die Ohren spitzen), –jmdm. durch die Finger sehen – dívat se na někoho skrz prsty: „jdn. scheel ansehen“ • Ansatzpunkte für den Vergleich von zwei oder mehr Sprachen: •Klassen/Gruppen von Phraseologismen: • Idiome, Vergleiche, Paarformeln, Sprichwörter, geflügelte Worte, Bauern-und Wetterregeln: •Beispiel: Paarformeln: klipp und klar – zcela jasný („ganz klar“), gang und gäbe – obvyklý, běžný („gewöhnlich“): niedriger Grad der Äquivalenz, volläquivalent einige „ältere“ Paarformeln: Lug und Trug – klam a mam • • • • Sachgruppen: •Sachgruppen: thematisch-sachliche Gliederung: Bestandteile der Idiome bilden: Körperteile (Somatismen), Tiere (Zoomorphismen), Farben, Zahlen, Naturerscheinungen (Pflanzen, Elemente, Wetter, Rohstoffe…), religiöse Begriffe (Gott, Teufel, Engel), Bekleidungstücke (Ärmel, Schuh…), Instrumente (Flinte…), Eigennamen und geographische Namen… • 1.Körperteile: Kopf, Gliedmaßen und ihre Teile: Hand, Arm, Bein, Fuß, Finger…, Sinnesorgane: Auge, Ohr, Nase, innere Organe: Herz, Magen, Leber, Lunge… • hoher Grad der Äquivalenz: jdm. sein Herz ausschütten – norw. °a lette, °apne sitt hjerte for en („jdm. sein Herz erleichtern/öffnen“) – tsch. vylít si srdce („sich das Herz ausgießen“) • • Sachgruppen: 2.Tiere: Haustiere (Hund, Katze, Kuh, Pferd…), Wildtiere (Wolf, Fuchs…), Insekten (Biene, Fliege), Reptilien (Schlange), Vögel (Meise, Spatz, Eule…), sehr oft phraseologische Vergleiche: wie die Katze um den heißen Brei herumlaufen/-schleichen – chodit kolem něčeho jako kočka kolem horké kaše, Symbole: mit den Wölfen heulen – výt s vlky: Kdo chce s vlky žíti, musí s nimi výti („Wer mit den Wölfen leben will, der muss mit ihnen heulen“) • 3.Farben, Zahlen: Symbolwerte, oft identisch oder teil-identisch (Symbole): das Blaue vom Himmel herunter versprechen – tsch. slibovat modré z nebe – (eng. to promise the moon), zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen – zabít dvě mouchy jednou ranou (tsch. „zwei Fliegen auf einen Schlag töten“) • Weitere Ansatzpunkte: •Ursprung (Woher?): •Mythologie, Antike, Bibel, Mittelalter •Spiele,Krieg/Kampf/Soldatenleben,Landesleben •literarisches Schaffen: viele äquivalente Idiome, Sprichwörter und geflügelte Worte •Beispiele: jdm. die Leviten lesen (geh.) –– číst někomu levity (tsch.) - sermonear (sp. „eine Predigt halten“); • die Flinte ins Korn werfen – hodit flintu do žita • ( tsch. „die Flinte in den Roggen werfen“) • Onomasiologische Gliederung nach Schlüssel-/Leit-/Oberbegriffen (Richtung Konzept ® Zeichen) •(Hessky/Ettinger: Deutsche Redewendungen. Ein Wörter- und Übungsbuch für Fortgeschrittene, Tübingen: Narr, 1997): •„phraseo-semantische Felder“- Synonymie: • 1. Zustand des Menschen: Angst-Furcht, Hunger-Durst-Betrunkenheit, Sterben-Tod: • Beispiele: den Löffel abgeben - zaklepat bačkorama („die Pantoffeln ausschütten“) – natáhnout brka („die Federn ausstrecken“) (ugs.-salopp) • 2. menschliche Eigenschaften: Dummheit-Verrücktheit, Faulheit-Fleiß • Beispiele: Stroh im Kopf haben – einen Klaps haben – tsch. mít v hlavě slámu/seno/piliny (Stroh/Heu/Sägemehl) – nemít všech pět pohromadě (nicht alle Tassen im Schrank haben) - ugs. • 3. menschliches Handeln: Ablehnung-Zustimmung, Loben, Schmeicheln, Beleidigen… • 5. Übungstypologie •Hessky/Ettinger: •1. Übungen zur Form der phraseologischen Einheiten •2. Übungen zur Bedeutung •3. Übungen zum Erkennen und Verstehen (Texte: Presse, Werbung…) •4. Übungen zur Verwendung der phraseologischen Einheiten (z.B. Lückentexte) • • • 2. Übungen zur Bedeutung phraseologischer Einheiten •Welche Einheit passt zu welcher Bedeutungsbeschreibung? •A. nicht mehr jung sein B. an Gewicht zunehmen •kein heuriger Hase sein •aus allen Nähten platzen •in die Breite gehen •ein älteres Semester sein •gut bei Leibe sein •sich aufs Altenteil setzen • A.Schlüsselbegriff ESSEN B. HUNGER •Sich den Bauch vollhauen – kein Kostverächter sein – einen feinen Gaumen haben – am Hungertuch nagen • • • Magisterarbeiten: •Bc. Michaela Novotná: Phraseme mit Tierkomponenten (Pferd, Ross, Kuh, Stier, Ochse) aus phraseodidaktischer Sicht •Bc. Eliška Míčková: „Weder Fisch noch Fleisch“ Weit verbreitete Idiome im DaF-Unterricht • Beispiel der Übungen zur Verwendung der Idiome mit Tieren •Situationsbeschreibungen: Welche Phraseologismen treffen zu? • •1. Teresa hat ___________________________________. Guck mal, was Schreckliches sie anhat! • •a. mehrere Pferde im Rennen b. ein Augenmaß wie eine Kuh c. einen Geschmack wie eine Kuh • •Bildet Sätze mit folgenden Phraseologismen: • •1. schuften wie ein Ochse • 2. alles auf ein Pferd setzen •3. einen Pferdemagen haben •4. etwas geht auf keine Kuhhaut • Beispiel der Übung: weit verbreitete Idiome •Erklären Sie die im Kontext angeführten Idiome: • A) „Sie brauchen nicht die Katze im Sack zu kaufen. Wir haben für Sie von jedem Buch eine Leseprobe.“ •B) „Auch bei ersten Konflikten oder Problemen sollte der neue Kollege nicht die Flinte ins Korn werfen.“ •C) „Dieses Verfahren ist weder Fisch noch Fleisch - entweder man ist dafür oder dagegen und bleibt nicht aus Angst vor einer eindeutigen Entscheidung auf der halben Strecke stehen.“ •die Katze im Sack kaufen = …………………………………………………………… •die Flinte ins Korn werfen = …………………………………………………………... •weder Fisch noch Fleisch = …………………………………………………………