Syntax der deutschen Sprache ¨ Materialien zur Syntaxvorlesung Jaromír Zeman Brno 2013 Inhalt: 1. Einführung in die Syntax 3 2. Generative Transformationsgrammatik 17 3. Die Dependenzgrammatik 25 4. Anhang: Die Wortstellung 40 5. Studienliteratur zur Einführung in die syntaktische Analyse 56 6. Literaturverzeichnis zur Geschichte der neueren deutschen Syntaxforschung Verzeichnis der wichtigsten Werke 57 Der Text ist als Leitfaden für die Syntaxvorlesung gedacht. Er soll als Grundlage die eigenständige Beschäftigung mit den syntaktischen Begriffen und theoretischen Konzepten erleichtern. Die syntaktische Analyse selbst wird im Seminar geübt und erfordert die Lektüre zumindest einiger Titel aus dem Verzeichnis der Studienliteratur. 1.Einführung in die Syntax Was ist Syntax? Die Sprache auf allen ihren Ebenen besteht einerseits aus einem Inventar sprachlicher Einheiten (Laute, Morpheme, Wörter) und andererseits aus Regeln für ihre Kombination. Bezeichnet man diese auf jeder Ebene spezifische Kombinatorik als Syntax, so kann auch von Phono-Syntax (Regularitäten im Bereich von Lautverbindungen zu Silben – „Phonotaktik“) und Morpho-Syntax (Wortbildung und Flexematik / Morphologie) gesprochen werden. Dies ist aber kaum üblich. Meistens versteht man unter Syntax die Satz-Syntax, eine grammatische Disziplin, die sich mit dem Verknüpfen von Wörtern zu komplexeren Einheiten – Wortgruppen und Sätzen – befasst. Dabei wird der mehrfach zusammengesetzte Satz als die obere Grenze der Syntax betrachtet. Weiter könnte man natürlich auch von Text-Syntax sprechen. Allerdings heißt die Disziplin, die die Verflechtung der formal unabhängigen Sätze im Text behandelt, für gewöhnlich „transphrastische Grammatik“ oder Textlinguistik (vgl. E. COSERIU 1994) Als solche hat sie bereits auch in die Grammatikbücher Eingang gefunden. (vgl. den Abschnitt „Der Text“ in der Dudengrammatik 2009, S. 1057 ff.) In der Geschichte der Syntax hat die Bestimmung und Abgrenzung ihres Forschungsobjekts eine nicht zu unterschätzende Rolle gespielt – besonders im deutschsprachigen Gebiet. Wenn wir also einräumen, dass der Satz „Die Geschichte eines Faches ist das Fach selbst“ auch für die Syntax – zumindest bis zu einen gewissen Grad – Gültigkeit beanspruchen darf, so müssen einleitend einige bekannte und auch weniger bekannte Namen erwähnt werden. Als Begründer der Syntax – das Wort bedeutet „Ordnung, Bau“ – gilt Apollonios Dyskolos, ein griechischer Grammatiker des 2. Jh. u. Z. (n. Ch.). Zwar fehlt bei ihm noch der sprachliche Begriff „Satz“ – doch hat er bereits festgehalten, dass es sich in der Syntax immer um die Verknüpfung zumindest zweier Wörter handelt. Die Grammatiker des 16. bis 18. Jh. müssen wir hier leider außer Acht lassen. [Eine ausführliche Darstellung der Geschichte der grammatischen Theorie in dieser Zeit findet sich z.B. in der zweibändigen „Geschichte der neuhochdeutschen Grammatik von den Anfängen bis auf Adelung“ von Max Hermann Jellinek, Heidelberg 1913. {Johann Christoph Adelung – ein Zeitgenosse von J. W. Goethe}; Neuere Literatur dazu: O. JUNGEN / H. LOHNSTEIN 2006; A. GARDT 1999] Die erste Syntax, die erwähnt werden soll, ist die von Jacob Grimm (1785 – 1863). Sie erschien im Jahre 1837 als Bd. 4 seiner „Deutschen Grammatik“. Grimm will die deutsche Sprache in ihrer gesamten Geschichte als Einheit fassen, als einen gewaltigen Organismus, der sich nach eigenen Gesetzen entwickelt. Seine Syntax stellt die Geschichte der syntaktischen Erscheinungen im Deutschen dar – namentlich in den ältesten Epochen – und versucht, diese Geschichte als einen sinnvollen Prozess aufzuzeigen. Die zeitgenössischen Grammatiker werden von Grimm nicht beachtet. Für solche syntaktischen Begriffe wie „Satz“ und „Wortart“, die auch heute noch in der syntaktischen Forschung eine große Rolle spielen, interessiert er sich wenig. Charakteristisch ist seine ablehnende Haltung gegenüber der naturwissenschaftlich-logischen Sprachauffassung K. F. Beckers, dessen Satzgliedlehre Eingang in die Schulgrammatik fand und lange Zeit für die Schule verbindlich war. [Karl Ferdinand Becker: „Der Organism der Sprache als Einleitung zur deutschen Grammatik“, Frankfurt a. M. 1827] Grimm rechnete Beckers Schriften zu den Büchern, die „jeder der auf den rechten Pfad treten will, ganz ungelesen lassen kann“. Was die Syntax von Grimm auszeichnet, sind vor allem seine umfangreichen Kenntnisse der älteren Sprachzustände. Dabei berücksichtigt er nach Möglichkeit alle germanischen Sprachen. Seine intuitive Methodensicherheit erreicht ein Niveau, auf das sie in der Sprachwissenschaft erst viel später zielbewusst gehoben werden konnte. Viel systematischer als die Syntax von J. Grimm sind die „Grundzüge der deutschen Syntax“ (1886) von Oskar Erdmann (1846 – 1895). Der erste Teil enthält „Bemerkungen über den Gebrauch der Wortklassen“, im zweiten werden „die Formationen des Verbums im Satze“ behandelt. Die begriffliche Fassung der Wortarten, Wortformen und Satzglieder wird als selbstverständlich angenommen. Untersucht wird, wie diese Wortarten und Wortformen zu verschiedenen Zeiten gebraucht werden. Das Nhd. spielt eine größere Rolle als bei Grimm, die älteren Sprachstufen und die germanischen Sprachen eine geringere. Noch viel mehr auf das Nhd. orientiert ist das Buch von Hermann Wunderlich (1858 – 1916) „Der deutsche Satzbau“ (1. Aufl. 1892), das von Otto Behaghel als die erste wissenschaftliche Gesamtdarstellung der deutschen Syntax bezeichnet wurde. Wunderlich beginnt nicht wie etwa Grimm oder Erdmann so schnell wie möglich mit dem Stoff, sondern er wendet sich zunächst den methodischen Fragen zu, die dann in der 2. Auflage (1902) noch deutlicher in den Vordergrund treten. In der eigentlichen Darstellung geht er von der Gegenwartssprache aus (oder von dem, was er dafür hält: sein Gewährsmann ist Goethe). Erst dann folgen Ausblicke in frühere Sprachperioden. Er versteht es auch, bei grammatischen Betrachtungen zugleich stilistische Aspekte zu erfassen. Trotz des beachtlichen Fortschritts auf dem Gebiet der Syntax, von dem die bereits erwähnten Namen einen Eindruck vermitteln sollen – und wir haben nur die wichtigsten genannt – konnte um die Jahrhundertwende ein Buch erscheinen, in dem der Verfasser John Ries auf der Titelseite die Frage stellt: „Was ist Syntax?“ (1. Aufl. Marburg 1894, 2. Aufl. Prag 1927) [Dies ist nicht so überraschend, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Die Bestimmung und Abgrenzung eines Forschungsobjekts wird in der Geschichte einer Wissenschaft sehr häufig gerade dann als notwendig empfunden, wenn ihre Entwicklung einen besonders stürmischen Aufschwung nimmt.] In der Einleitung zu seinem Buch musste Ries feststellen, dass es eine allgemein anerkannte Definition dieser Disziplin nicht gäbe. Er selbst vertrat die Meinung, dass die Syntax nicht nur die Sätze und ihren Bau zu behandeln habe, sondern auch die Verbindungen von Wörtern zu neuen Einheiten, nämlich zu Wortgefügen (wir würden sagen: zu Wortgruppen). Die Wortarten und Wortformen seien nur soweit zu berücksichtigen, als von ihnen die Natur der syntaktischen Gebilde als solcher berührt wird. Der Gegensatz von Syntax sei nicht Formenlehre (Morphologie), sondern Wortlehre (Lexikologie). Der Formenlehre stehe nicht die Syntax zur Seite, sondern die Bedeutungslehre. In Formenlehre und Bedeutungslehre zerfallen sowohl die Wortlehre als auch die Syntax. Nach J. Ries ergibt sich zunächst die Möglichkeit einer doppelten Einteilung der Grammatik (S. 83) entsprechend den Gegensätzen: Einzelwort ---- Wortgefüge Form ---- Bedeutung Daraus lässt sich folgende Gliederung ableiten: Lehre vom Einzelwort (Wortlehre) 1) Von der Form der Wörter Wortarten (nach formalen Gesichtspunkten) Flexionslehre 2) Von der Bedeutung der Wörter (etwa: Synonymik, Bedeutungswandel) der Wortarten der Flexionsformen Lehre vom Wortgefüge (Syntax) 1) Von der Form der Wortgefüge 2) Von der Bedeutung der Wortgefüge (Lautlehre,) Wortlehre und Syntax sind Teile der Gesamtgrammatik (S. 78). Sie entstehen dadurch, dass man die menschliche Rede in ihre Bestandteile (Laut, Wort, Wortgefüge / Satz) auflöst und diese als verschiedene Forschungsobjekte im Rahmen der jeweiligen Disziplin untersucht. Formenlehre und Bedeutungslehre dagegen sind das Ergebnis verschiedener Betrachtungsweisen desselben Forschungsobjekts: einmal geht es um die Form und das andere Mal deren Inhalt. J. Ries verdeutlicht dies anhand folgender Tabelle: Objekt Einzelwort Wortgefüge / in Bezug auf WORTLEHRE SYNTAX FORM Formenlehre I III INHALT (Bedeutung) Bedeutungslehre II IV I. Lehre von den Formen der Worte [= Wörter] (Wortarten nach formalen Gesichtspunkten und Flexionslehre) II. Lehre von der Bedeutung [bzw. der Funktion] der Worte, ihrer Arten und Formen III. Lehre von den Formen der syntaktischen Gebilde IV. Lehre von der Bedeutung [= Funktion] der syntaktischen Gebilde Gegen diese Auffassung wurde vielfach eingewendet, dass Wort und Wortgefüge ohne scharfe Grenzen ineinander übergehen. Dieser Einwand ist z.B. von Walter Porzig in seinem Artikel „Aufgaben der indogermanischen Syntax“ erhoben worden. (In: Stand und Aufgaben der Sprachwissenschaft, Festschrift für Wilhelm Streitberg, Heidelberg 1924, S. 126-151.) Anmerkung Tatsächlich gibt es in der Sprache Wortgefüge, die an der Grenze zwischen Wort und Wortgruppe stehen. Ihrer Form nach bestehen sie aus mehreren (zumindest zwei) Wörtern, deren Bedeutung sich nicht summiert, so dass sich die Gesamtbedeutung nicht in üblicher Weise wie bei einer Wortgruppe aufgliedern lässt und das ganze Gefüge häufig durch ein einziges Wort ersetzbar ist, z.B.: jemandem an die Hand gehen = jemandem helfen, jemanden unterstützen; frieren wie ein Schneider = außerordentlich frieren u. Ä. Solche Wendungen haben mitunter sogar Satzform: Bleib mit der Kirche im Dorf! Inzwischen hat sich in der Sprachwissenschaft neben der Lexikologie (oder innerhalb der Lexikologie als deren Spezialgebiet) und der Syntax eine selbständige Disziplin etabliert, die als Phraseologie oder Idiomatik bezeichnet wird und solche „stehenden Wendungen“ untersucht und klassifiziert. Nach Walter Porzig ist die Syntax die Lehre von den Bedeutungsweisen. Sie ist also ein Teil der Bedeutungslehre. Er versteht unter den Bedeutungsweisen solche syntaktischen Begriffe wie Subjekt, Objekt, Kategorien wie Passiv, Aktiv u. Ä. Dabei unterscheidet er zwischen Bedeutungsinhalten (Gegenstand der Semasiologie bzw. Semantik) und den bereits erwähnten Bedeutungsweisen. Für Rudolf Blümel, einen weiteren namhaften Vertreter der älteren deutschen Syntaxforschung, ist die Syntax Teil der Bedeutungslehre und der Formenlehre. Er legt also seiner „Einführung in die Syntax“ (Heidelberg 1914) die Konzeption von J. Ries zu Grunde. Im bewussten Gegensatz zu dieser Auffassung und im Anschluss an Oskar Erdmann sowie an das Vorgehen des Slawisten Franz Xaver von Miklosich (1813-1891) sind die beiden Syntaxbände der „Deutschen Grammatik“ von Hermann Paul konzipiert. Es handelt sich um die Bände 3 und 4 seines fünfbändigen Werkes. [Bd. 1 enthält die Lautlehre, Bd. 2 die Formenlehre, Bde. 3 und 4 enthalten die Syntax und Bd. 5 ist die Wortbildung.] Nach Miklosich ist nun die Syntax jener Teil der Grammatik, der „die bedeutung der wortclassen und der wortformen darzulegen hat“. Auch für Paul ist die Syntax ein Teil der Bedeutungslehre und sie hat die Aufgabe „darzulegen, wie die einzelnen Wörter zum Zwecke der Mitteilung zusammengeordnet werden“. An die Adresse von John Ries sagt Paul (DG III, § 4, S. 8): „Wer bestrebt ist, in der Anordnung der Syntax bestimmte Prinzipien durchzuführen, der müßte sich zunächst klar machen, daß wie für die Bedeutungslehre überhaupt zwei verschiedene Verfahrungsweisen möglich sind. Man kann entweder die zu Gebote stehenden Ausdrucksmittel zur Grundlage nehmen und die Darlegung ihrer Funktionen daran anknüpfen; oder man kann von den der Syntax zukommenden Funktionen ausgehen und daran die dafür zu Gebote stehenden Ausdrucksmittel anreihen. Beide Betrachtungsweisen sind wichtig. Man könnte daher eine doppelte Behandlung als Ideal aufstellen. Aber das wäre natürlich ein umständliches Verfahren; und wenn jede von den beiden möglichen Betrachtungsweisen isoliert bliebe, würde man doch zu keiner Erkenntnis des Kausalzusammenhanges gelangen. Versucht man nun weiter für die eine oder die andere Art eine konsequente Disposition zu gewinnen, so stößt man auf unüberwindliche Schwierigkeiten. … Diesen Bemühungen um eine konsequente Disposition liegt eben die Verkennung der eigentlich selbstverständlichen Tatsache zugrunde, daß sich geschichtlich gewordene Verhältnisse nicht in ein logisches System einpressen lassen. Noch weniger kommt man damit zurecht, wenn man auch die geschichtliche Entwicklung darstellen will.“ Soviel also H. Paul über seine eigene Auffassung der Syntax. In seiner Darstellung findet sich im Ganzen ein sehr sachgerechter Aufbau – vom einfachen Satz aus über die Behandlung der Satzglieder (= kleinste geschlossen verschiebbare Einheiten) zu den Aufgaben der Wortarten und Wortformen im einfachen Satz (Redeteile, Kongruenz, Kasus, Präpositionen). Dann folgt, ausgehend von den Verbalformen die Behandlung der Haupt- und Nebensätze. Trotzdem geht in dieser Anordnung Historisches und Systematisches mehrfach durcheinander und seltene und auffallende Erscheinungen werden viel gründlicher besprochen, als sie es proportional gesehen im Rahmen einer Gesamtdarstellung verdienen. Als das letzte Werk in dieser Reihe muss hier noch die „Deutsche Syntax“ von Otto Behaghel erwähnt werden, die vier Bände umfasst (erschienen 1923 – 1932). Sie ist damit zugleich das umfangreichste Werk – ein Musterbeispiel der positivistischen Forschung – das die deutsche Syntax behandelt. Im Grunde ist es eine außerordentlich reiche Sammlung von Beispielen aus der gesamten Entwicklung des Deutschen. Das Werk eignet sich vor allem dazu, dass man mit seiner Hilfe Belege für einzelne syntaktische Erscheinungen finden kann, die aus verschiedenen sprachgeschichtlichen Epochen stammen. Für den Leser ist es aber oft unmöglich zu überprüfen, wie die dargebotenen Ergebnisse gewonnen wurden. Auch ist es als Ganzes kaum lesbar und vermittelt zudem keinen Gesamtbegriff von der deutschen Syntax, weder des jetzigen noch eines früheren Sprachzustandes und damit auch keine Vorstellung von der historischen Entwicklung. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass sowohl die „Deutsche Grammatik“ (1919-21) von Hermann Paul als auch die „Deutsche Syntax“ (1923-32) von Otto Behaghel erscheinen konnten, ohne von den neueren Entwicklungen auf dem Gebiet der allgemeinen Sprachwissenschaft Notiz zu nehmen. 1916 erschien nämlich in Paris der „Cours de Linguistique Générale“, ein Buch, dem es beschieden war, auf die Entwicklung der Sprachwissenschaft nachhaltig einzuwirken. Es handelte sich um die Vorlesungen des Genfer Linguisten Ferdinand de Saussure (1857-1913), die posthum von seinen Schülern nach ihren eigenen Vorlesungsnachschriften veröffentlicht wurden. Eine deutsche Übersetzung kam erst 1931 unter dem Titel „Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft“ heraus (übersetzt von Hermann Lommel, Berlin/Leipzig 1931; 2. Aufl. Berlin West 1967). Für die deutsche Germanistik in ihrer damaligen Isolierung blieben aber Paul und Behaghel Autoritäten ersten Ranges. Was Hermann Paul von der synchronischen Sprachwissenschaft hielt, soll das folgende Zitat belegen: „Es ist eingewendet [worden], daß es noch eine andere wissenschaftliche Behandlung der Sprache gäbe als die geschichtliche. Ich muß das in Abrede stellen. Was man für eine nicht geschichtliche und doch wissenschaftliche Behandlung der Sprache erklärt, ist im Grunde nichts als eine unvollkommen geschichtliche, unvollkommen teils durch Schuld des Betrachters, teils durch Schuld des Beobachtungsmaterials.“ (H. Paul: Prinzipien der Sprachgeschichte, 5. Aufl., Halle a. S. 1920, S. 20) Diesen übertriebenen und einseitigen Historismus galt es im Interesse der weiteren Entwicklung der Sprachwissenschaft zu überwinden. Ihren Beitrag dazu haben auch folgende Arbeiten geleistet: Hermann Ammann: Die menschliche Rede. Sprachphilosophische Untersuchungen. 2 Teile, Lahr i. B. [im Breisgau] 1925-28, 2. Aufl. Darmstadt 1962. Ammanns wissenschaftliches Hauptanliegen war es, das scheinbar Willkürliche der Sprache auf verborgene Gesetze zu befragen. Von ihm stammen auch die Termini „Thema“ und „Rhema“. Karl Bühler: Sprachtheorie, Jena 1934. Bühler verdanken wir das bekannte „Organonmodell“ der Sprache. Er unterscheidet drei Funktionen des sprachlichen Zeichens: seinen Ausdrucksbezug als Kundgabe (Symptom – ein Sprecher drückt seine Ideen, Gedanken, Gefühle aus), seinen Aufforderungsbezug als Appell (Signal – ein Hörer wird angeredet, aufgefordert) und seinen Sachweltbezug als Darstellung (Symbol – ein Sprecher referiert auf Gegenstände oder Sachverhalte in der Welt). [Allerdings ist wiederholt darauf hingewiesen worden, dass die drei sprachlichen Funktionen stets gemeinsam, jedoch mit jeweils unterschiedlicher Intensität in der aktuellen Rede vorkommen: der Ausruf „Feuer!“ zum Beispiel ist Ausdruck (von Angst), Appell (zur Hilfeleistung) und Darstellung (des Brandes) zugleich. Den Anstoß zur Diskussion der syntaktischen Begriffe und Methoden i. e. S. gab wohl das 1937 erschienene Buch von Erich Drach „Grundgedanken der deutschen Satzlehre“ (Frankfurt am Main 1937; erschienen nach dem Tode des Verfassers). Da Drach von Beruf Sprecherzieher war und einige Zeit lang auch Ausländern Sprecherziehung erteilte, verfolgte er mit seiner Arbeit vor allem praktische Ziele. Er forderte unter anderem: 1) „Lösung von den Denkweisen der lateinischen Grammatik; Aufbau einer im Wesen der deutschen Sprache begründeten Darstellung und Regelfassung.“ 2) „Begründung der Satzlehre auf die Beobachtung des lebenswirklichen Sprechdenkens.“ 3) Einbeziehung „der Lehre von der Schallform des Satzes [= Satzintonation] in die Satzlehre als eines ihrer wesentlichen Bestandteile“. Von diesen drei Punkten ausgehend, versuchte E. Drach in seinem Buch, die Grundlinien der deutschen Satzlehre für den Unterricht aufzuzeigen. Auch wenn einzelne seiner Begriffe unklar sind – vgl. z.B. den Begriff des Sprechdenkens – so findet sich sein wohlbekanntes topologisches Satzschema Vorfeld – Mitte – Nachfeld in unveränderter Form in vielen Grammatiken und Handbüchern. Auch eine Reihe weiterer Begriffe wie Sinnwort, Ausdrucksstelle, Eindrucksstelle, Umklammerung sind Prägungen von Drach. Sie gehören heute zum Begriffsapparat fast aller Untersuchungen der Wortstellung und sind auch dem Benutzer von Gebrauchsgrammatiken bekannt. Ein weiterer Begriff, der ebenfalls bei Drach auftaucht und vornehmlich auch bei der Beschreibung der Topologie der Satzglieder eine Rolle spielt, ist der Begriff der „Spannung im Satz“. Nach Drach ist es die Klanggestalt des Satzes – die Stimmführung, die diese Spannung trägt: Die steigenden und fallenden Spitzen der Stimmführung werden vom Hörer nicht als Einzeleindrücke empfunden, sondern als bewegte Linie. Dem Einschalten der Spannung am Anfang steht gegenüber ein ebenso deutliches Hinführen zum Schlusspunkt. Diese Spannung ist es, die den Satz zusammenhält. Der Begriff Spannung, obwohl (zum Teil) anders aufgefasst, findet sich noch in einem anderen Buch, das auch aus ungefähr jener Zeit stammt, wenngleich es erst sehr viel später erschien. Es ist die Monographie von Karl Boost: „Neue Untersuchungen zum Wesen und zur Struktur des deutschen Satzes“ mit dem Untertitel „Der Satz als Spannungsfeld“ (Berlin 1955). Bei Boost beruht das Spannungserlebnis in erster Linie auf dem Inhalt des Satzes. Den Ausgangspunkt bildet dabei das Thema, das die Grundlage darstellt, über die der Rest des Satzes, das Rhema, etwas aussagt. Die beiden Termini Thema und Rhema übernimmt Boost von Hermann Ammann. Die Entzweiung des Satzes, die sich in der Thema-Rhema-Gliederung manifestiert, wiederholt sich nach Boost beim Prädikat und auch bei anderen Wortgruppen, es handelt sich also um ein alle Gefüge durchdringendes Prinzip. Die Spannung verbindet er mit der Vorstellung eines gespannten Bogens (der Schusswaffe) und verweist darauf, dass auch die Sprechkunde den Bogen zur Darstellung der Stimmführung verwendet. Die Spannungsbögen wölben sich über den einzelnen Gliedern, über dem Satz und schließlich über dem ganzen Text. Zugunsten dieses Spannungsprinzips, das auf der Entzweiung des Satzes in Thema und Rhema beruht – d.h. letzten Endes auf dem Wissen des Sprechers und der Erwartung des Hörers – verwirft er die von ihm früher vertretene Dreigliederung des Satzes. Es lässt sich unschwer erkennen, dass die beiden Ausdrücke Thema und Rhema nur die älteren Paulschen Termini psychologisches Subjekt und psychologisches Prädikat ablösen. Allerdings bezeichnet Boost im Unterschied zu Paul als Thema nur das erste Satzglied vor dem finiten Verb, also nur das, was sich im Vorfeld befindet. Diese Thema-Auffassung wird wohl durch das Bestreben motiviert, einen einheitlichen Bauplan des deutschen Satzes zu entdecken. Dabei geht Boost von den Gedanken der Gestaltpsychologie aus und versucht, ihre Aussagen auf die Sprache zu übertragen. Ein anderer wichtiger Begriff, der in Boosts Arbeit begegnet, ist der Begriff „Mitteilungswert“. Boost beschreibt seinen Inhalt folgendermaßen (S. 39): „Mit dem Setzen des Prädikats sind die nun folgenden Elemente weitgehend von den syntaktischen Funktionen entlastet, so dass in ihnen der Mitteilungswert in den Vordergrund treten kann. Dieser Mitteilungswert bietet nun den geeigneten Maßstab für den Rang des betreffenden Elements.“ (S. 55:) „Der Rang, in dem ein Wort hinsichtlich seines Mitteilungswertes steht, ist innerhalb des Rhemas vom Satzende her ablesbar.“ So viel zu Karl Boosts verhältnismäßig schmalem Buch. Aus der Zeit vor 1945 seien nun mehr einige Namen erwähnt: Henrik Becker: „Deutsche Sprachkunde“, Bd. 1, Leipzig 1941. H. Becker will ein allumfassendes Bild der deutschen Sprache zeichnen und dabei ihrem natürlichen Aufbau folgen. Sein Buch ist in mancher Hinsicht originell, aber relativ unsystematisch und es bietet auch keine Gesamtdarstellung der Syntax. Ernst Otto: „Sprache und Sprachbetrachtung. Eine Satzlehre unter Berücksichtigung der Wortart.“ Prag 1943. Die ausländische Germanistik, repräsentiert durch solche Namen wie Wladimir Admoni und Jean Fourquet, blieb bis nach 1945 in Deutschland unbeachtet. Nicht nur die Grammatikforschung, die gesamte deutsche Sprachwissenschaft war in dieser Zeit isoliert und vorwiegend auf sich selbst gestellt. Die Arbeiten des Prager linguistischen Zirkels, als dessen wichtigste Repräsentanten Nikolaj Sergejewitsch Trubetzkoy, Roman Jakobson und Vilém Mathesius galten, aber auch die der Kopenhagener Schule (Glossematik: Viggo Brøndal, Luis Hjelmslev) und die des amerikanischen Strukturalismus (Leonard Bloomfield) wurden entweder ignoriert oder abgelehnt. Erst nach dem 2. Weltkrieg wurde die deutsche Sprachwissenschaft gerade für diese Einflüsse in besonders hohem Maße aufnahmefähig. Es galt nämlich, den Rückstand zu überwinden, in den sie infolge der politischen Verhältnisse geraten war. Die neue Entwicklung zeigte sich zunächst in der Orientierung der Germanisten auf die Fragen der Gegenwartssprache. Als erstes verdient in diesem Zusammenhang „Die innere Form des Deutschen“ von Hans Glinz (erschienen 1952) erwähnt zu werden. Das Buch ist keine systematische und vollständige Darstellung der deutschen Grammatik, sondern es hat beinahe den Charakter eines naturwissenschaftlichen Protokolls. Glinz versucht gleichsam experimentell, an gewählten Texten (zwei kurze Abschnitte, der eine aus „Wilhelm Meister“, der andere aus dem „Grünen Heinrich“), die Struktur des heutigen Deutsch zu erfassen. Er lässt den Leser alle seine Arbeitsgänge – auch die erfolglosen – miterleben. Sein methodisches Vorgehen besteht darin, dass er den Text umformt, Teile davon wegnimmt, sie auswechselt oder umstellt, neue hinzufügt und dabei ständig beobachtet, wie sich die Bedeutung ändert. Dieses Verfahren kann natürlich nicht in einem einzigen Durchgang alle grammatischen Probleme lösen. Manche Fragen werden daher mehrmals erörtert, bis sie endgültig beantwortet werden können. Noch in einem Punkt ist Glinz’ Innere Form interessant. Sie ersetzt die herkömmlichen lateinischen Fachwörter durch eine vollkommen neue deutsche Terminologie. Die gewählten Bezeichnungen suchen weitgehend, die besondere Stellung und Leistung der einzelnen Elemente im Satz zu kennzeichnen oder wenigstens anzudeuten. Diese Terminologie, die von Glinz selbst später aufgegeben wurde, hatte zeitweilig sogar in Grammatikhandbücher Eingang gefunden. (Solche Termini wie Grundgröße, Zielgröße, Zuwendgröße u. a. finden sich z.B. auch in der älteren Ausgabe der Grammatik von Walter Jung; „Grammatik der deutschen Sprache“, Leipzig 1966) Überhaupt hat die Innere Form die Grammatikforschung stark beeinflusst. Zunächst war die Reaktion auf das Buch durchaus unterschiedlich. Während viele deutsche Beurteiler darin den Sinn für das Historische vermissten, meinten die amerikanischen Leser im Gegenteil, dass die öfters vorkommenden sprachgeschichtlichen Hinweise in dieser synchronischen Darstellung fehl am Platze seien. Sie waren vielmehr überrascht, dass Glinz die grundlegenden Arbeiten der amerikanischen Linguistik nicht berücksichtigt hatte und bezeichneten das Buch als „von der Forschung bereits überholt“. Die Vertreter der inhaltbezogenen Grammatik wiederum bescheinigten Glinz zwar, dass er auf die Inhalte ziele, sie meinten jedoch, er könne diese Inhalte mit seinem experimentierenden Verfahren nie voll erreichen, weil er damit der Klangseite der Sprache allzu sehr verhaftet bleibe. Glinz hat sich dann in seinen späteren Arbeiten – wohl im deprimierenden Gefühl theoretischer Vereinsamung – in zunehmendem Maße den Auffassungen Leo Weisgerbers zugewandt. Allerdings hat keine seiner späteren Arbeiten einen so starken Widerhall gefunden wie „Die innere Form des Deutschen“. In den darauf folgenden Jahren wurde die Diskussion um und über die sprachwissenschaftliche Problematik immer breiter. 1955 erschien in den „Beiträgen zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur“ (Halle a. S., Jg. 76, S. 144-165) ein Aufsatz von Johannes Erben: „Prinzipielles zur Syntaxforschung“. Im Anschluss an die kritische Besprechung der Arbeiten von Henrik Becker und Hans Glinz legt hier Erben seine eigene Konzeption dar, wie er sie für seine Abhandlung „Grundzüge einer Syntax der Sprache Luthers“ entwickelt hatte. Dabei geht er von zwei ganz elementaren Gegebenheiten des sprachlichen Lebens aus: 1) Sprache in jeder Gestalt (Laut oder Schrift) setzt als formendes Prinzip den Sprecher bzw. die Sprechergemeinschaft voraus. 2) Bei jedem Sprech-(bzw. Schreib-)akt (des Sprechers) wird im Grunde ein Geschehen oder ein Sein (als tatsächlich, möglich, wünschenswert, nötig, fraglich u. Ä.) mit sprachlichen Mitteln bezeichnet, wobei die Situation (bzw. der Kontext) dem Sprecher vielfach sprachliche Mittel erspart. Den sprachlichen Gesamtausdruck eines Geschehens oder Seins nennt J. Erben Satz. Die formale Struktur dieser Redeeinheit (Satz- und Wortgruppenbau) sowie ihre Einfügung in kompliziertere sprachliche Gebäude (Periodenbau) ist nach Erben Gegenstand der ‚Satzlehre’ im engeren Sinne. Die sprachlichen Mittel zur Bezeichnung des Geschehens oder Seins (Redeteile) sind Wortkörper; ihre Funktion im Rahmen der Rede (ihre Aufgabe beim Ausdruck des Geschehens oder Seins im Satz) behandelt die ‚Lehre von Bedeutung und Gebrauch der Wortklassen und Wortformen’. Die Satzlehre untersucht die formale Struktur der Rede, die Lehre von Bedeutung und Gebrauch der Wortklassen und Wortformen die funktionale (innere) Struktur; beide ergänzen sich in der Erforschung und Darstellung des syntaktischen (formalen und funktionalen) Aufbaus der Rede zur Syntax. Gegenstand der Syntax ist also die vom Sprecher und den Bedingungen seiner Sprech- (bzw. Schreib)situation geformte Redeeinheit (der Satz als sprachlicher Gesamtausdruck eines Geschehens oder Seins) in ihrer formalen und funktionalen Struktur sowie ihre Einfügung in kompliziertere sprachliche Gebäude. Mit dieser theoretischen Konzeption glaubte Johannes Erben, eine befriedigende Antwort auf die Frage von John Ries „Was ist Syntax?“ gefunden zu haben. Drei Jahre später – 1958 – erschien sein „Abriß der deutschen Grammatik“ im Akademie-Verlag Berlin. Die 11., völlig neubearbeitete Auflage dieses Buches kam als „Deutsche Grammatik, Ein Abriß“ 1972 im Max-Hueber-Verlag München heraus. Erben setzte seinem Buch als Motto ein Zitat aus der „Inneren Form des Deutschen“ voran: „Die Grundeinheiten aller Sprache sind Satz und Wort.“ Demgemäß besteht sein Buch aus zwei Teilen, nämlich „Das Wort“ und „Der Satz“. Da aber das Wort auch „als Leistungseinheit im Rahmen des Satzes“ behandelt wird, findet sich Syntaktisches bereits im ersten Teil. Der zweite Teil enthält nur mehr das, was im ersten nirgends untergebracht werden konnte: vor allem die Satzschemata und die auf der Verbvalenz beruhenden Grundmodelle des Satzes. Erben unterscheidet zwei Grundschemata, die durch die Zweitstellung und die Spitzenstellung des finiten Verbs charakterisiert sind, sowie vier Grundmodelle des Satzes, die im Weiteren verschiedene Bauformen aufweisen: E2 / I) E1 − V III) E1 − V \ E3 E2 / II) E1 − V − E2 IV) E1 − V − E3 \ E4 E = Ergänzungsbestimmung V = verbaler Aussagekern Die Ziffern beziehen sich nur auf die Anzahl der E, nicht auf Rang oder Wortfolge. Die Bauformen sind wie folgt: I) 1. S^n - V (E1 = S^n) Vater schläft. (Grundmodell des Vorgangssatzes: Eine nominativische Ergänzungsbestimmung dient als Bezeichnung des Vorgangsträgers) II) 1. S^n - V - S^n / A Großvater ist Katholik / katholisch. (Urteilssatz; klassifizierend / charakterisierend) 2. S^n - V - S^a / S^g / R Katzen fangen Mäuse. Sie gedenken des Freundes. Fritz ärgert sich. (Handlungssatz; Schilderung objektgerichteter Tätigkeit) 3. S^n - V - S^d Mitschüler helfen Fritz. (Aussage einer „partnerbezogenen Handlung“) 4. S^n - V - S^p / S^a a) Fritz liegt im Krankenhaus. Fritz geht drei Kilometer / Stunden. Alles geht seinen Gang. (Lagesatz; Angabe der weiteren Umstände des Geschehens oder Seins) b) Das Kind ruft nach der Mutter. (Diese Bauform ist funktions- verschieden von a), weil es nicht um raum-zeitliche Einordnung des Geschehens, sondern um die Anfügung eines Präpositionalobjekts geht.) III) 1. S^n - V - S^a / R - S^a / A (eine höhere Form des Urteilsatzes) a) Fritzchen nennt Anton Onkel (klassifizierend) b) Er nennt ihn faul / sich fleißig. (charakterisierend) c) Fritz putzt das Messer blank. Fritz schlägt die Ratte tot. (Objekts-Prädikativum) 2. S^n - V - S^a / R - S^a / S^g Mutter lehrt Berta das Stricken. Passanten beschuldigen Fritz der Fahrlässigkeit. Räuber bemächtigen sich des Koffers. 3. S^n -^ V - S^d - S^a / R Gastwirte geben Stammgästen Freibier. Besucher nähern sich dem Marktplatz. Man bindet ihm die Hände. (Possessiver Dativ) 4. S^n - V - S^a / R - S^p Mädchen stellen Blumen auf den Tisch. Ehrengäste begeben sich zum Rathaus. (Transitive / reflexive Verben der Bewegung mit einer präpositional angeschlossenen Richtungsbestimmung) 5. S^n - V - S^d - S^p a) Freunde stehen Fritz zur Seite. (Partnerbezogene Form des Lagesatzes)^ b) Freunde verhelfen Fritz zu einer Reise. (Dieser Typus ist funktionsverschieden von a), denn es handelt sich hier um keinen Lagesatz, sondern eher um eine Variante von S^n - V - S^d - S^a, wobei statt S^a ein Präpositionalobjekt (S^p) steht; vgl. Sie verschaffen ihm eine Reise.) IV) Zwei Bauformen sind üblich: 1. S^n - V - S^d / R - S^a - S^p Er schleudert ihm den Handschuh ins Gesicht. Er stieß sich ein Loch in den Kopf. (Ein höherer Typus des Handlungssatzes; auch in reflexiver Konstruktion) 2. S^n - V - S^d / R - S^a - A Sie macht ihm sein Unrecht klar. (Objekts-Prädikativ) Sie macht sich die Hände nass. (reflexiv) Die vier Grundmodelle des Satzes mit ihren Bauformen sind unter anderem deshalb interessant, weil sich die Bemühung, alle deutschen Sätze auf eine überschaubare Zahl von Grundmustern zurückzuführen, nicht nur bei Johannes Erben findet, sondern auch in weiteren danach erschienenen Grammatikbüchern, z.B. in der Duden-Grammatik (1959) und bei Hennig Brinkmann (Deutsche Sprache, Gestalt und Leistung, Düsseldorf 1962; 2. Aufl. 1971). Diese Grundmuster oder Satzgerüste beruhen – wie man erkannt hat – auf der Valenz (Fügungspotenz, Wertigkeit) des Verbs. In der deutschen Grammatikforschung spielt der Begriff „Valenz“ später eine wichtige Rolle, obwohl er vor allem von Linguisten außerhalb des deutschen Sprachraumes bewusst entwickelt und theoretisch gefasst wurde (Lucien Tesnière). Die deutschen Grammatiker sind bei der Aufstellung der Grundmodelle zunächst rein empirisch vorgegangen. So benutzt Paul Grebe in der bereits erwähnten Duden-Grammatik ein Verfahren, das er nach Leo Weisgerber Abstrichmethode nennt. Durch ihre Anwendung gelingt es ihm, die „Grundformen deutscher Sätze“ herauszuarbeiten. Damit bezeichnet er die in der Sprache vorhandenen Kombinationen von Satzgliedern. (Vgl. Duden-Grammatik, 1. Aufl. 1959, S. 434-470) Er lässt sich von folgenden Gedanken leiten: Jede Sprache besitzt eine überschaubare Zahl syntaktischer Grundformen, nach deren Muster der Sprechende die von ihm wahrgenommenen besonderen Wirklichkeiten so zu „setzen“ vermag, dass der Hörende die Setzung nachvollziehen kann. Die von der Sprachgemeinschaft in einer langen Entwicklung dafür herausgebildeten Grundformen lassen sich am besten erkennen, wenn man mit Hilfe der Abstrichmethode aus allen nur denkbaren Sätzen die frei hinzugefügten Satzteile herausstreicht: Die Rosen blühen in unserem Garten. Der Bauer pflügt in der Frühe seinen Acker. Wenn man von den eingliedrigen Sätzen wie Feuer! Wunderbar! Guten Tag! absieht, verbleiben nach der Anwendung der Abstrichmethode Sätze, denen gemeinsam ist, dass sie ein Etwas nennen, über dessen zeitliche Verhaltensweise etwas ausgesagt wird. Diese Aufspaltung einer zunächst nur komplex wahrgenommenen besonderen Wirklichkeit in ein Etwas und in eine verhaltensmäßig geprägte Aussage über dieses Etwas ist allen deutschen Sätzen eigentümlich. Die Syntax hat es vornehmlich mit der sprachlichen Prägung dieser Aussagen zu tun. Die Aussage kann in bestimmten Fällen von dem verbalen Glied allein geleistet werden: Die Sonne – scheint. \ / Aussage In den meisten Fällen fordert das verbale Glied eine Sinnergänzung, die mit ihm zusammen die Aussage über das im ersten Glied genannte Etwas bildet. Das verbale Glied ist dann nur noch der grammatische Kern der Aussage: Das Pferd - zieht - den Wagen. \ / \ / \/ \/ Aussagekern Sinnergänzung \ / \/ Aussage Die Sinnergänzung kann auch mehrgliedrig sein: Ich - nenne - ihn - einen Dummkopf. \ / \ / \/ \/ Aussagekern Sinnergänzung \ / \/ Aussage Danach lassen sich die Sätze von ihren sinnnotwendigen Gliedern her zunächst in drei Gruppen einteilen: 1. die ergänzungslosen Sätze 2. Sätze mit einer eingliedrigen Ergänzung 3. Sätze mit einer mehrgliedrigen Ergänzung Da sich die Ergänzungen nach Form und Inhalt unterscheiden, ergeben sich neben dem ergänzungslosen Satz von hier aus weitere Grundformen (= Satzgerüste, Satzbaupläne). Sie werden in zwei Gruppen eingeteilt: a) Grundformen mit zielendem Geschehen. In diesen steht als Prädikat ein transitives Verb mit einem passivfähigen Akkusativobjekt. Es sind die Handlungssätze verschiedenster Prägung. b) Grundformen mit nichtzielendem Geschehen. Als Prädikat stehen intransitive Verben aller drei Bedeutungsgruppen (Zustand, Vorgang, Tätigkeit). Die Grundformen sind nicht weiter reduzierbar. Sie sind dem Sprechenden als geschlossene Einheiten für die Bildung von Sätzen muttersprachlich vorgegeben. Zwar darf gelegentlich ein aus dem Redezusammenhang oder aus der Situation bekanntes Glied im konkreten Satz fehlen, in der Grundform ist es aber enthalten. Darin besteht der markante Unterschied zwischen Paul Grebes Grundformen und der traditionellen Lehre vom Kernsatz und seiner Erweiterung. Für eine Grundform gilt, dass man mit ihrer Wahl zugleich auch über Zahl und Art der Gliedstellen entscheidet, die man besetzen muss. Über diese Stellenbesetzung hinaus hält die Sprache für den Ausbau des Satzes weitere Mittel bereit: a) freie Satzglieder b) Attribute c) Gliedsätze d) Wortstellung e) Satzmelodie Grebes Zusammenstellung der Grundformen deutscher Sätze enthält folgende Satzgliederkombinationen: I. Zustands-, Vorgangs- und Tätigkeitssätze notwendige Satzglieder 1. In sich ruhende Zustände, Vorgänge oder Tätigkeiten: Subjekt Die Rosen blühen. Prädikat (S – P) 2. Zustände oder Vorgänge, bei denen ein Etwas einem Etwas Subjekt gleichgesetzt wird: Prädikat Karl ist mein Freund. Gleichsetzungsnominativ (S – P – En) 3. Zustände, Vorgänge oder Tätigkeiten, die notwendig einem Subjekt Etwas zugewandt sind: Prädikat Der Sohn dankt dem Vater. Dativobjekt (S – P – Od) 4. Vorgänge oder Tätigkeiten, an denen ein Etwas teilhat: Subjekt Ich harre seiner. Prädikat Genitivobjekt ______________________________________________________(S – P – Og)_________ 5. Zustände, Vorgänge oder Tätigkeiten, die auf ein Etwas Subjekt gerichtet oder mit einem Etwas lagebestimmt verbunden Prädikat sind: Präpositionalobjekt Inge achtet auf ihre Schwester. (S – P – Op) __ Karl spielt mit ihr.______________________________________________________ 5.a) Lage- oder richtungsbestimmte Zustände, Vorgänge oder Subjekt Tätigkeiten, die notwendig einem Etwas zugewandt sind: Prädikat Ich rate ihm zum Nachgeben. Präpositionalobjekt Dativobjekt (S – P – Od – Op) 5.b) Lage- oder richtungsbestimmte Zustände, Vorgänge oder Subjekt Tätigkeiten, die auf ein anderes lage- oder richtungsbestimmtes Prädikat Etwas bezogen sind: Präpositionalobjekt Der Forschungsreisende sprach zu den Schulkindern über Präpositionalobjekt seine Afrikareise. (S – P – Op – Op) 6. Zustände, Vorgänge oder Tätigkeiten, die raumgebunden sind: Subjekt München liegt an der Isar. Prädikat Raumergänzung (S – P – El) 6.a) Raumgebundene Zustände, Vorgänge oder Tätigkeiten, Subjekt die notwendig einem Etwas zugewandt sind: Prädikat Ich klopfe meinem Freund auf die Schulter. Raumergänzung Dativobjekt (S – P – El [= Pertinenzdativ, \ possessiver Dativ] D) 7. Zustände oder Vorgänge, die zeitgebunden sind: Subjekt Die Beratung dauerte zwei Stunden. Prädikat Zeitergänzung (S – P – Et) 8. Zustände oder Vorgänge, die notwendig artbestimmt sind: Subjekt Die Rose ist schön. Prädikat Wilhelm benimmt sich schlecht. Artergänzung (S – P – Em) 8.a) Notwendig artbestimmte Zustände, Vorgänge oder Tätigkeiten, Subjekt die notwendig einem Etwas zugewandt sind: Prädikat Ich bin diesem Manne fremd. Artergänzung Deine Liebe tut ihm wohl. Dativobjekt (S – P – Em \ Od) 8.b) Notwendig artbestimmte Zustände oder Vorgänge, an denen Subjekt ein Etwas teilhat: Prädikat Er ist des Diebstahls schuldig. Artergänzung Genitivobjekt (S – P – Em \ Og) 8.c) Notwendig artbestimmte Zustände, Vorgänge oder Tätigkeiten, Subjekt die lage- oder richtungsbestimmt auf ein Etwas bezogen sind: Prädikat Ich bin auf deinen Bericht gespannt. Artergänzung Präpositionalobjekt (S – P – Em \ Op) 8.ca) Notwendig artbestimmte Zustände und Vorgänge, die auf ein Subjekt lage- oder richtungsbestimmtes Etwas bezogen und einem Etwas Prädikat notwendig zugewandt sind: Artergänzung Er ist mir an Fleiß überlegen. Präpositionalobjekt Dativobjekt (S – P – Em / \ Od Op) 8.d) Notwendig artbestimmte Zustände und Vorgänge, die raum- Subjekt gebunden sind: Prädikat Er ist in München ansässig. Artergänzung Raumergänzung (S – P – Em \ El) 9. Vorgänge oder Tätigkeiten, die notwendig kausalbestimmt sind: Subjekt Das Verbrechen geschah aus Eifersucht. Prädikat Begründungs- ergänzung (S – P – Ek) II. Handlungssätze notwendige Satzglieder 1. In sich geschlossene Handlungen: Subjekt Der Gärtner bindet die Blumen. Prädikat Akkusativobjekt (S – P – Oa) 2. Handlungen, bei denen ein Etwas einem Etwas gleichgesetzt wird: Subjekt Er nennt mich einen Lügner. Prädikat Akkusativobjekt Gleichsetzungs- akkusativ (S – P – Oa – Ea) 3. Handlungen, die notwendig einem Etwas zugewandt sind: Subjekt Karl schenkt seinem Freunde ein Buch. Prädikat Akkusativobjekt Dativobjekt (S – P – Oa – Od) 4. Handlungen, an denen ein Etwas teilhat: Subjekt Der Richter beschuldigte den Angeklagten des Diebstahls. Prädikat Akkusativobjekt Genitivobjekt (S – P – Oa – Og) 5. Handlungen, die auf ein Etwas gerichtet oder mit einem Etwas lage- Subjekt bestimmt verbunden sind: Prädikat Er verriet ihn an seine Feinde. Akkusativobjekt Ich bewahre ihn vor seinen Feinden. Präpositionalobjekt (S – P – Oa – Op) 6. Handlungen, die raumgebunden sind: Subjekt Ich hänge das Bild an die Wand. Prädikat Akkusativobjekt Raumergänzung (S – P – Oa – El) 6.a) Raumgebundene Handlungen, die notwendig einem Etwas zuge- Subjekt wandt sind: Prädikat Er legte seinem Freund die Hand auf die Schulter. Akkusativobjekt Raumergänzung Dativobjekt (S – P – Oa - El [= Pertinenzdativ, \ possessiver Dativ] D) 7. Handlungen, die zeitgebunden sind: Subjekt Er zog das Gespräch in die Länge. Prädikat Akkusativobjekt Zeitergänzung (S – P – Oa – Et) 8. Handlungen, die artbestimmend sind: Subjekt Die Mutter macht die Suppe warm. Prädikat Akkusativobjekt Artergänzung [= Objektsprädikativ] (S –P – Oa – Em) 8.a) Artbestimmende Handlungen, die notwendig einem Etwas zugewandt Subjekt sind: Prädikat Ich mache ihm die Beine lang. Akkusativobjekt Artergänzung Datiobjekt (S – P – Oa – Em [= Pertinenzdativ, \ possessiver Dativ] D 8.b) Handlungen, bei denen ein Etwas an dem durch die Handlung hervor- Subjekt gerufenen Zustand des im Akkusativobjekt genannten Etwas teilhat: Prädikat Der Richter sprach diesen Mann des Diebstahls schuldig. Akkusativobjekt Artergänzung Genitivobjekt (S – P – Oa – Em \ Og) 8.c) Handlungen, bei denen der durch die Handlung hervorgerufene oder Subjekt angenommene Zustand des im Akkusativobjekt genannten Etwas Prädikat lage- oder richtungsbestimmt auf ein Etwas bezogen ist: Akkusativobjekt Mein Freund machte mich auf dieses Mädchen aufmerksam. Artergänzung Präpositional- objekt (S – P – Oa – Em \ Op) Sonderformen: a) Doppelter Akkusativ: Herr Meier lehrte uns die französische Sprache. b) Akkusativ + Infinitiv: Karl hört seine Schwester singen. [Duden-Grammatik, 2. Aufl., 1966, S. 504-507: Zusammenstellung der Grundformen deutscher Sätze.] Anmerkung: Auch die dritte Auflage der Duden-Grammatik (1973) präsentiert eine leicht modifizierte Liste dieser Satzmodelle. Sie werden nicht mehr als „Grundformen deutscher Sätze“ bezeichnet, sondern es wird der Terminus „Satzbaupläne“ verwendet, der sich in der Fachliteratur immer mehr durchzusetzen beginnt. Außerdem wird zwischen Hauptplänen und Nebenplänen differenziert. Der Unterschied besteht darin, dass die Hauptpläne auf der verbalen Valenz beruhen, die Nebenpläne dagegen durch Adjektiv- oder Adverbvalenz bedingt sind und daher nur als Varianten der Hauptpläne auftreten. Ein Teil der Nebenpläne beruht auf der Kombination mit dem Pertinenzdativ. [Zu Satzbauplänen vgl. auch Duden-Grammatik, 7. Aufl. 2005, S. 932-962.] 8. Aufl. 2009, S. 916 – 962; 9. Aufl. 2016, S. Will man die Geschichte der syntaktischen Forschung im deutschen Sprachraum weiter verfolgen, so muss an dieser Stelle über zwei ausländische bzw. internationale Strömungen gesprochen werden, die auf diese Disziplin sehr nachhaltig eingewirkt haben: Die generative Transformationsgrammatik – ihr Begründer ist der Amerikaner polnischer Abstammung Noam Avram Chomsky. Die Dependenzgrammatik (= Abhängigkeitsgrammatik) – ihr renommierter Schöpfer ist der Franzose Lucien Tesnière. Im Weiteren besprechen wir zunächst die theoretischen Grundlagen und die einzelnen Stadien der Entwicklung der generativen Transformationsgrammatik. [Die Dependenzgrammatik wird erst danach behandelt.] 2. Die generative Transformationsgrammatik Chomskys erstes Buch „Syntaktische Strukturen“ erschien im Jahre 1957. [Syntactic Structures“ , ´s Gravenhage 1957; The Hague 1963] Es ist bemerkenswert, dass sich Chomsky auf gewisse Richtungen der traditionellen Sprachwissenschaft beruft: auf die Forschungen zu den Universalsprachen, die für das 17. Jh. charakteristisch waren, auf die Schule von Port-Royal (Universalgrammatik: Grammaire générale et raisonnée, Paris 1660) und auf Wilhelm von Humboldt. In der Entwicklung von Chomskys Theorie unterscheidet man mehrere Phasen. Sie sind in erster Linie durch einzelne Werke repräsentiert. Unter Grammatik versteht Chomsky ein System von Regeln, die die unendliche Gesamtheit der Sätze einer Sprache spezifizieren, indem sie jedem eine strukturelle Beschreibung zuweisen (oder mehr als eine, wenn der Satz mehrdeutig ist). In den „Syntaktischen Strukturen“ hat die Grammatik einen dreifachen Aufbau: Sie enthält Phrasenstrukturen, Transformationsregeln und morphophonematische Regeln. Mit Hilfe der Transformationsebene wird die Grammatik wesentlich vereinfacht, weil die Phrasenstrukturen dann nur noch von Kernsätzen entwickelt werden müssen. [Kernsätze = Grundbestand an Sätzen einer Sprache, die unter dem Gesichtspunkt der Grammatikalität nicht weiter reduzierbar sind. Über Transformationsregeln lassen sich aus ihnen alle weiteren Sätze der Sprache erzeugen. (Vgl. Zellig S. Harris)] Die übrigen Sätze werden von diesen Kernsätzen durch Transformationen abgeleitet. Um die Anzahl der Kernsätze zu beschränken, verwendet Chomsky eine Reihe von Transformationen. Dabei unterscheidet er zwischen fakultativen und obligatorischen Transformationen. Die obligatorischen müssen jedoch auch auf Kernsätze angewendet werden. Zu diesen gehören z.B. die Numerus- und die Auxiliartransformation. Fakultative Transformationen sind z.B. die Passiv- und die Negationstransformation. Überhaupt ist die Einführung der Transformationsebene das wesentlichste Ergebnis von „Syntactic Structures“, weil auf dieser Ebene manche Probleme lösbar sind, die auf der Phrasenstrukturebene nicht gelöst werden können. Die zweite Version der generativen Transformationsgrammatik wird von Chomsky in den „Aspekten der Syntaxtheorie“ vorgelegt. [Aspects of the Theory of Syntax. Cambridge (Massachusetts) 1965; deutsch: Aspekte der Syntaxtheorie. Frankfurt am Main 1969; Berlin Ost 1970] Sie unterscheidet sich von der ersteren vor allem durch die Einführung der Begriffe „Tiefenstruktur“ und „Oberflächenstruktur“, durch eine Abwendung von der konsequent asemantischen Auffassung der Syntax sowie durch eine noch deutlichere Zuwendung zur traditionellen Linguistik. Gleichzeitig tritt der Gegensatz zum deskriptiven Strukturalismus stärker hervor. Die Grammatik enthält eine syntaktische, eine semantische und eine phonologische Komponente. Die syntaktische Komponente besteht aus einem Basis-Teil (Ersetzungsregeln + Lexikon), der die Tiefenstruktur generiert, und einem Transformationsteil, der die betreffende Tiefenstruktur in die Oberflächenstruktur verwandelt. Die Tiefenstruktur ist eine theoretische Konstruktion zur Erklärung von sprachlichen Zusammenhängen, die in der Oberflächenstruktur nicht fassbar sind (z.B. konstruktionelle Homonymien). Im Anschluss an F. de Saussures Unterscheidung von „langue“ und „parole“ hat Chomsky in seiner neueren Version der Sprachtheorie auch die beiden Begriffe „Kompetenz“ (competece) und „Performanz“ (performance) etabliert. Die Kompetenz ist das zugrunde liegende System von Regeln, das der Sprecher / Hörer beherrscht, sein implizites Wissen von seiner Sprache; die Performanz dagegen bedeutet den tatsächlichen Gebrauch der Sprache in konkreten Situationen, d.h. die Anwendung der Kompetenz. Dem Linguisten – ähnlich wie dem seine Muttersprache lernenden Kind – sind primär nur die einzelnen Anwendungen gegeben. Daraus muss das zugrunde liegende System von Regeln, nämlich die Kompetenz des Sprechers – sein Vermögen, unendlich viele Sätze zu bilden – hergeleitet werden. Dem Unterschied zwischen Kompetenz und Performanz entspricht die begriffliche Unterscheidung zwischen Grammatikalität und Akzeptabilität. Chomsky sagt dazu (Aspekte, Berlin 1970. S. 20): „Der Begriff ‚akzeptabel’ ist nicht zu verwechseln mit ‚grammatisch’. Akzeptabilität ist eine Größe, die in den Untersuchungsbereich der Sprachverwendung gehört, Grammatikalität hingegen gehört ins Gebiet der Erforschung der Sprachkompetenz. … Zweifellos ist Grammatikalität, ebenso wie Akzeptabilität, eine Sache des Grades, jedoch die Skalen von Grammatikalität und Akzeptabilität fallen keineswegs zusammen. Grammatikalität ist nur einer von vielen Faktoren, deren Zusammenwirken die Akzeptabilität bestimmt. Dementsprechend gilt auch: Obwohl man für die Akzeptabilität mehrere Testverfahren vorschlagen könnte, ist es unwahrscheinlich, dass für den weitaus abstrakteren und wichtigeren Begriff der Grammatikalität ein notwendiges und hinreichendes operationales Kriterium erfunden werden könnte. Die nicht-akzeptablen grammatischen Sätze können oft nicht benutzt werden – aus Gründen, die weniger mit Grammatik zu tun haben, sondern mehr mit Gedächtnisbegrenztheit, intonatorischen und stilistischen Faktoren, mit ‚ikonischen’ Elementen von Texten (so etwa mit der Tendenz, logisches Subjekt und Objekt möglichst weit vorn zu placieren; …).“ Zusammenfassend: Ein Satz ist akzeptabel, wenn er leicht verständlich und natürlich ist. Grammatisch dagegen ist ein Satz, wenn er dem Regelsystem der Grammatik genügt. [Als ein deutsches Beispiel sei hier ein regelrechter und sinnvoller Satz angeführt, der jedoch unakzeptabel ist, weil der Hörer / Leser Mühe hat zu verstehen, was gemeint ist: Er hat nicht müssen haben angenommen worden sein können. – deshalb wird dieses Gemeinte auch gewöhnlich auf andere Weise ausgedrückt. U. Engel: Regeln zur Wortstellung, IDS 1970, S. 38.] Chomsky hat neben seiner Sprachtheorie auch einige Gedanken zu einer neuen Lerntheorie formuliert. Nach seiner Meinung basiert die Sprachaneignung beim Kind darauf, dass das Kind unbewusst aus den sprachlichen Daten eine Art generative Grammatik seiner Sprache konstruiert. (Vgl. Aspekte, S. 63) Dabei misst Chomsky den angeborenen Fähigkeiten des Kindes eine Bedeutung bei, die sich durch die bis jetzt wissenschaftlich festgestellten Tatsachen kaum rechtfertigen lässt. Anmerkung: Diese Problematik gehört in den Bereich der Psycholinguistik. {Kritisch äußern sich zu solchen Fragen: Gabrel Drachmann: Psycholinguistik. Ein Überblick. (Die psychologische Realität linguistischer Strukturen.) In: Bericht über den 29. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie. Wolfgang Motsch: Zur Kritik des sprachwissenschaftlichen Strukturalismus. Sprache und Gesellschaft, Bd. 3, Akademie-Verlag Berlin 1974.} Chomskys Gleichsetzung seiner Erzeugungsregeln (generative rules) mit dem bekannten Begriff der „inneren Sprachform“ bei Wilhelm von Humboldt kritisiert Eugenio Coseriu in dem Artikel „Semantik, innere Sprachform und Tiefenstruktur“, in: Folia Linguistica 4, 1970, Bd. 1-2, S. 53-63. [In tschechischer Übersetzung im Skriptum: Principy strukturální syntaxe I, fakulta matematicko-fyzikální, překlad kolektivu Svatavy Machové, Praha 1974.] In der ersten Hälfte der 70er Jahre verlor die bis dahin in der Linguistik dominierende Transformationsgrammatik deutlich an Einfluss. Sie wurde von linguistischen Richtungen wie Sprechakttheorie, Soziolinguistik und Konversationsanalyse abgelöst. Diese Richtungen waren nicht mehr primär an Grammatik und an Satzstrukturen interessiert. Auch in der Grammatikforschung wurden andere Modelle stärker beachtet. Die bisher dargestellte Theorie wird gewöhnlich als ST (Standard Theory) bezeichnet. In der Zwischenzeit wurde sie in wesentlichen Punkten erweitert und revidiert, so dass die „erweiterte Standardtheorie“ (Extended Standard Theory), EST, und schließlich die „revidierte Standardtheorie“ (Revised Extended Standard Theory), REST, entstanden. REST unterscheidet sich von der Zwischenphase EST im Wesentlichen durch die Einführung der sog. Spuren (traces). Das in dieser Weise weiterentwickelte Grammatikmodell wird inzwischen auch meist nicht mehr als „TG“, sondern als „GB“ (= government and binding) bezeichnet. (Noam A. Chomsky: Lectures on Government and Binding. Dordrecht 1981) Die alten Ebenen der Tiefenstruktur und der Oberflächenstruktur sind zwar im neuen Modell nach wie vor enthalten; sie unterscheiden sich jedoch wesentlich von den TG-Konzeptionen und werden daher gewöhnlich auch nicht mehr als „deep“ bzw. „surface-structure“ bezeichnet, sondern – um Verwechslungen zu vermeiden – nur noch d-structure bzw. s-structure genannt. Die S-Struktur unterscheidet sich insofern von der alten Oberflächenstruktur, als es sich bei ihr nur noch um eine abstrakte Repräsentation handelt (z.B. sind darin leere Elemente enthalten, die in der phonetischen Realisation nicht erscheinen). Oberhalb der S-Struktur werden die Ebenen der LF (logical form) und der PF (phonetic form) angesetzt; während die PF die lautliche Realisierung betrifft, werden auf der Ebene der LF logische Beziehungen hergestellt (wie sie etwa für das richtige Verständnis von Quantoren nötig sind). Logical Form Phonological Form \ / S-Struktur | D-Struktur Auf der tiefsten Ebene, der D-Struktur, werden zwei Prinzipien wirksam: die sog. Χ´- Theorie und die θ-Theorie. Konkret bedeutet dies, dass auf der D-Ebene einerseits syntaktische Kategorien und andererseits semantische Rollen zugewiesen werden. Die X´-Theorie (X-bar-Theorie) wurde in den 70er Jahren entwickelt. Mit dem Querstrich (bzw. dem Apostroph, dem die Theorie ihren Namen verdankt) ist die jeweilige Projektionsebene eines Elementes X gemeint (d.h., die jeweilige Repräsentationsebene in der syntaktischen Struktur; daher kann z.B. auch X-doppelt-bar auftreten). [Um Verwechslungen mit dem Negationszeichen zu vermeiden, das innerhalb der GB ebenfalls benötigt wird, wird in vielen Texten statt des Querstrichs der Apostroph verwendet: X´.] X ist dabei eine grammatische Kategorie, ein sog. „Kopf“ (head). Ein Kopf ist derjenige Teil einer syntaktischen Einheit, durch den sie in ihrer Kategorie bestimmt wird: Ein Verb (V) ist der Kopf einer Verbalphrase (VP), ein Nomen (N) der Kopf einer Nominalphrase (NP), eine Präposition (P) der Kopf einer Präpositionalphrase (PP), und ein Adjektiv (A) der Kopf einer Adjektivphrase (AP). Die Phrase selbst, also beispielsweise NP, wird als „maximale Projektion“ des Kopfes bezeichnet. Xº ist die Projektionsebene, die direkt über dem Lexem steht, also z.B.: VP (maximale Projektion) | V´ | V | sagen [Anmerkung: Im X-bar-Schema der GB gilt, dass phrasale Kategorien stets einen lexikalischen Kopf enthalten müssen, vielfach als Xº bezeichnet. Dieser Kopf bildet zusammen mit dem Komplement die nächst höhere Kategorie, also X´. Die Kategorie X´ verbindet sich wiederum mit Adjunkten bzw. mit dem Determinator (Det) in der NP zu X´´ usw. bis hinauf zur maximalen (obersten) Ebene. Die einzelnen kategorialen Ebenen bezeichnet man als Projektionen des Kopfes der Konstruktion. {Komplement = in der GB notwendige Ergänzung zum Kopf der Phrasenstruktur (Ähnlichkeit mit der Valenzgrammatik). Adjunkt = attributiv gebrauchter Ausdruck, der einen anderen spezifiziert; in der TG fakultative syntaktische Einfügung.}] Jede maximale Projektion kann im Prinzip zum Argument eines Kopfes werden; verschiedene Arten von Köpfen lassen unterschiedliche Argumentstrukturen zu. [Argumente sind diejenigen Elemente, die von einem Kopf subkategorisiert werden.] Auch jedes Verb c-selektiert [c für category; Chomsky 1986] eine bestimmte Untermenge von maximalen Projektionen; so wählt das Verb sagen die Kategorie S (vgl. Sie sagte, dass sie etwas später kommt.), während diese Kategorie bei reden nicht zugelassen ist. (vgl. * Er redete, dass er etwas später kommt.) Die θ-Theorie [= Theta-Theorie] betrifft die Zuweisung der semantischen Rollen, der sog. thematischen oder θ-Rollen. θ-Rollen sind semantische Funktionen wie Agens, Patiens (bei Chomsky: theme) oder Ziel (goal). Die Agens-Rolle des Subjekts bildet dabei das externe Argument des Verbs, während die übrigen interne Argumente sind. Dieser Unterschied hängt damit zusammen, dass Verben ihre internen Argumente subkategorisieren, nicht aber ihre Subjekte. Letzteren können sie höchstens θ-Rollen zuweisen (müssen aber nicht). Auf der D-Struktur werden also Argumentstrukturen und thematische Rollen festgelegt. Die Art der Regeln, mittels derer die D-Struktur in die S-Struktur überführt wird, unterscheidet sich grundlegend von den Transformationsregeln der TG. Anstelle eines komplexen Apparates spezifischer, in ihren Anwendungsbedingungen und Leistungen genau festgelegter Transformationsregeln kennt die GB im Prinzip nur noch eine einzige Bewegungsregel: move α (bewege α ). Diese Regel, die zunächst nur die Möglichkeit ausdrückt, ein beliebiges Element an einen beliebigen anderen Platz zu bewegen, muss nun allerdings durch eine Reihe von abstrakten, universellen Regeln eingeschränkt werden, um ungrammatische Konstruktionen auszuschließen. Solche Regeln sind das θ-Kriterium, das Projektionsprinzip und der Kasusfilter. Das θ-Kriterium besagt, dass jedes Argument genau eine θ-Rolle trägt und dass jede θ-Rolle nur genau einem Argument zugewiesen werden kann. Die Zuweisung von θ-Rollen geht dabei – mit Ausnahme des Subjekts – mit Subkategorisierung einher. Wenn ein Element α eine Position subkategorisiert, die von β eingenommen wird, dann wird β von α auch eine θ-Rolle zugewiesen: α θ-markiert β. Die Bewegung eines Elements aus einer Stelle, die θ-markiert ist, an eine andere, die ebenfalls eine θ-Rolle trägt, ist damit ausgeschlossen. Das Projektionsprinzip lautet: „Repräsentationen auf jeder syntaktischen Ebene (d.h. LF, D- und S-Struktur) werden vom Lexikon projiziert und folgen den Subkategorisierungseigenschaften der lexikalischen Einheiten.“ (Chomsky 1981: 29) Dies bedeutet nichts anderes, als dass notwendige syntaktische Ergänzungen auf jeder Ebene erscheinen müssen, gegebenenfalls in Form einer Leerstelle (empty category). [An dieser Stelle sei nochmals darauf hingewiesen, dass Subjekte nicht subkategorisiert sind.] Der Kasusfilter verhindert, dass eine NP phonetisch an einer Stelle realisiert wird, der kein Kasus zugewiesen ist. Der Kasus wird einer NP normalerweise auf der S-Struktur-Ebene durch diejenige Kategorie zugewiesen, die diese NP regiert. Als kasuszuweisende Kategorien kommen im Prinzip V, N, A, P und INFL in Frage ( INFL = inflection; neuerdings nur I genannt, ersetzt die frühere Kategorie AUX und enthält als obligatorischer Bestandteil jedes Satzes Merkmale für Tempus, Modus und Genus verbi). So weist etwa ein Verb den von ihm subkategorisierten NP (also seinen Objekten) Kasus zu, und INFL weist, falls Personalendungen vorliegen (sog. AGR für agreement), der von ihm regierten NP (= Subjekt) Nominativ zu. [Wenn eine NP auf der Ebene der D-Struktur in einer Position steht, der auf der S-Struktur kein Kasus zugewiesen wird, so muss sie auf eine Position bewegt werden, die einen Kasus zulässt.] Auf der Ebene der S-Struktur hinterlässt jede Bewegung eines Elements an der Stelle, aus der es hinausbewegt worden ist, eine sog. Spur (trace). Spuren gehören zur Klasse der Leerkategorien (empty categories). Dieser Vorgang kann anhand des Passivs erläutert werden. Ein Passivsatz wie: Das Sparschwein wird geplündert. hat die D-Struktur [NP] INFL plünder -en Sparschwein. (Das –en steht für die Passivmorphologie.) Durch Anwendung der Regel move α wird das Objekt Sparschwein in die – thematisch leere – Subjektposition bewegt; dabei hinterlässt es an seiner ursprünglichen Position eine Spur. Die S-Struktur des Satzes lautet somit: Sparschwein[i] INFL plünder-en e[i]. e steht für „empty category“; gelegentlich findet sich auch die Notation t (für „trace“). Das tief gestellte i (für Index) verweist auf die Referenzidentität von Spur und bewegtem Element. Die Annahme dieser Spuren ermöglicht es, bestimmte Phänomene wie etwa den Bezug des Interrogativums in Wer glaubst du, dass gekommen ist? zu erklären. In diesem Satz bezieht sich wer offensichtlich auf das Verb kommen (nicht etwa auf glauben), obwohl es nicht im selben Satz steht. Wenn man annimmt, dass es aus einer Position beim Verb kommen herausbewegt worden ist und dort eine Spur hinterlassen hat, kann man wer als Antezedens zu dieser Spur interpretieren; mit anderen Worten, der Bezug von wer wird durch die Spur hergestellt. [Die gleiche Konstruktion ist beispielsweise im Englischen ausgeschlossen (vgl. *Who do you think that has come?); dies führt dazu, dass für das Deutsche und das Englische unterschiedliche D-Strukturen angenommen werden.] Um die Eigenschaften und Bedingungen für Spuren näher beschreiben zu können, werden zwei Begriffe benutzt, die der Theorie auch ihren Namen gegeben haben: government (Rektion) und binding (Bindung). Das Konzept der Rektion beruht im Prinzip zunächst auf der durchaus traditionellen Vorstellung, dass bestimmte Elemente – typischerweise etwa lexikalische Einheiten in Kopf-Position – andere unter ihren Einfluss bringen: die interne θ-Markierung und die Subkategorisierung erfolgen unter Rektion. Rektion ist lokal begrenzt, was z.B. bedeutet, dass ein Verb nicht ein Objekt in einem anderen Satz regieren kann. In einer Struktur wie: VP ⁄ \ V´ PP ⁄ \ V NP regiert beispielsweise V NP, aber nicht PP. [Chomsky, N. (1981): Lectures on Government and Binding. Dordrecht, S. 163; Chomsky, N. (1986): Barriers. Cambridge, S. 8] [Anmerkung: Mit der Rektion (government) ist aber nicht nur die Kasuszuweisung durch ein Wort (beispielsweise durch ein Verb) gemeint, die auch als „Kasus-Rektion“ bezeichnet wird, sondern ganz allgemein die Erscheinung, dass ein Element ein anderes im selben Satz dominiert; die Zuweisung des Kasus ist nur ein Teil dieser Rektion. Der Rektionsbegriff der GB schließt die Zuteilung von thematischen Rollen dann ebenso ein wie die Subkategorisierung. Dies bedeutet konkret, dass das regierende Element dem regierten eine bestimmte inhaltliche Funktion zuschreibt (beispielsweise die des direkten Objekts als Ziel der Handlung) und dass es ferner festlegt, welche Elemente als von ihm regierte auftreten können. Als regierende Elemente kommen folgende Kategorien in Frage: N (Nomina), V (Verben), A (Adjektive), P (Präpositionen) und INFL (oder I); INFL, das als obligatorischer Bestandteil jedes Satzes die Merkmale für Tempus, Genus und Modus enthält (letztere beiden werden auch als AGR gesondert behandelt), regiert das Subjekt des Satzes, dem es also den Nominativ zuweist. Derjenige Teil der Rektion, der die Kasusregeln betrifft, wird auf der Ebene der S-Struktur angewandt; die Information darüber, welcher konkrete (morphologische) Kasus in einer bestimmten Sprache von einem Wort zugeteilt wird (also z.B. die Information, dass zuhören den Dativ verlangt), gehört in der GB ins Lexikon.] Die Bindung (binding) betrifft den Bezug von Reflexiv- und Reziprok-Pronomina sowie von Spuren (alle zusammen werden von GB auch als Anaphern bezeichnet) auf ihr Antezedens, [das Antezedens, - , Antezedentien = das Vorausgegangene] mit dem sie referenzidentisch (im weitesten Sinne) sind. Die Definition lautet: α bindet β genau dann, wenn gilt: (1) α k-kommandiert β (2) α und β sind koindiziert. [Chomsky (1981): Lectures on Government and Binding. Dordrecht, S. 220] Dabei bedeutet „α k-kommandiert β”, dass es sich bei α um einen Kopf (also z.B. V in der oben dargestellten Struktur) handelt, der zusammen mit einem Element β (also z.B. eine NP) vom selben übergeordneten Knotenpunkt (also z.B. V´) dominiert wird. [Zur formalen Beschreibung vgl. Chomsky (1986): Barriers. Cambridge, S. 8] Anaphern werden von den sie regierenden Kategorien gebunden, während Pronomina und andere NP in dieser Hinsicht frei sind. In dem Satz Peter[i ]gefällt sich[i]. liegt eine Bindung zwischen Peter und sich vor, wie sie durch die Indizes angegeben wird. In Peter[i] gefällt ihm[j][ ] hingegen ist eine solche Bindung ausgeschlossen; wenn man annehmen will, dass mit ihm Peter gemeint ist, wäre dieser Satz ungrammatisch. Im Hinblick auf ihr Bindungsverhalten können verschiedene Typen von NP unterschieden werden; dabei werden die Eigenschaftszuschreibungen ± a (für anaphorisch) und ± p (für pronominal) verwendet. Es gibt drei Prinzipien der Bindungstheorie: (A) Eine Anapher ([+ a]) wird in ihrer minimalen Rektionskategorie gebunden. (B) Ein Pronomen ([+ p]) ist in seiner minimalen Rektionskategorie frei. (C) Ein R-Ausdruck ([− a, − p]) ist frei. Die „minimale Rektionskategorie“ (minimal governing category), also die bindende Kategorie, ist dabei – sehr vereinfacht dargestellt – das nächstgelegene Subjekt (bei Infinitiven und NP) bzw. bei finiten Sätzen, INFL. Mit „R-Ausdrücken“ sind offene, d.h. realisierte NP gemeint. („R“ steht für „referentiell“) Mit der Kombination [− a, + p] wird pro (kleines pro) bezeichnet; es handelt sich dabei um ein sozusagen „ausgefallenes“ Personalpronomen. Pro tritt in Sprachen auf, die typischerweise kein Personalpronomen benutzen (sog. pro-drop-Sprachen); dies ist beispielsweise regelmäßig im Tschechischen der Fall, aber auch im Lateinischen, Italienischen, Spanischen und vielen anderen Sprachen. Im Deutschen kommt das Phänomen nur in bestimmten Wendungen vor, wie beispielsweise Bin schon unterwegs! oder Ist ja gut sowie bei Imperativen (Guck mal!). In diesen Sätzen wird eine leere Kategorie pro auf der S-Struktur angenommen. PRO (großes PRO [+ a, + p]) bezeichnet eine pronominale Anapher, die nicht phonetisch realisiert wird; Es handelt sich dabei um das Subjekt eines Infinitivsatzes wie in Ich beabsichtige, ins Kino zu gehen. (Also: ich[i] beabsichtige PRO[i ] ins Kino zu gehen) PRO verhält sich in Bezug auf das θ-Kriterium wie eine lexikalische NP. Im Gegensatz zu Spuren, die als Resultat von Bewegungen entstehen, wird PRO bereits auf der Ebene der D-Struktur generiert; im Gegensatz zu lexikalischen NPs kann es ein Antezedens haben (in unserem Beispielsatz: ich). Kein Antezedens hat PRO hingegen in: PRO Ins Kino zu gehen wäre nicht schlecht. Somit verhält sich PRO manchmal wie eine (gebundene) Anapher, manchmal wie eine (ungebundene) NP und nimmt insofern eine Sonderstellung innerhalb der leeren Kategorien ein. Sein Bezug wird durch „Kontrolle“ (control) geregelt; bei Bezug auf das übergeordnete Subjekt (wie in Ich beabsichtige, ins Kino zu gehen.) spricht man von obligatorischer Kontrolle (obligatory control). Nichtobligatorische Kontrolle (non-obligatory control) liegt dann vor, wenn sich PRO auf das Subjekt beziehen kann, aber nicht muss, wie dies etwa in ich[i] halte es für schädlich, PRO[(i)] fernzusehen der Fall ist, wo sich PRO entweder auf das Subjekt ich oder auch ganz allgemein auf jedermann beziehen kann. Bei allgemeinem Bezug auf jedermann spricht man auch von „arbiträrer Kontrolle“ (arbitrary control). Auf die Eigenschaften von Spuren bezieht sich das Empty Category Principle (ECP), das besagt, dass eine Spur „properly governed“ – „strikt regiert“ oder „echt regiert“ – sein muss. [Stechow, A. v./ Sternefeld, W.(1988): Bausteine syntaktischen Wissens. Ein Lehrbuch der generativen Grammatik. Opladen. S. 506; Bennis, A./Groos, A. (1982): „Die Rektions-Bindungs-Theorie: Neue Aspekte seit den ‚Aspekten’“. Zeitschrift für Sprachwissenschaft 1: 251-288, S. 279] Strikte Rektion (proper government) liegt genau dann vor, wenn gilt: α θ-regiert, Kasus-markiert oder Antezedens-regiert β. [Chomsky, N. (1986): Barriers. Cambridge, S. 22] Das bedeutet, dass α entweder β direkt eine θ-Rolle zuweist (in diesem Falle handelt es sich bei α um einen Kopf), seinen Kasus bestimmt oder aber β als Antezedens regiert. Erwähnt werden muss schließlich noch die Kategorie COMP, neuerdings auch einfach C, für complementizer. Bei COMP handelt es sich um eine satzeinleitende Position, die lexikalisiert (z.B. durch dass) oder leer auftreten kann. COMP ist zugleich der ideale „Landeplatz“ für bewegte „wh“-Wörter (d.h. Interrogativa), also z.B. Du hast wen gesehen → Wen hast du gesehen. Auf der Ebene der LF (logical form) werden weitere Regeln angewandt. Es werden hier u. a. logische Beziehungen hergestellt, die etwa den Geltungsbereich von Quantoren betreffen. Quantifizierte NPs haben semantisch die Eigenschaften von Prädikaten (im logischen Sinne), während sie syntaktisch Argumente sind; diese logisch-semantischen Eigenschaften betreffen die Regeln der LF-Struktur. Neben den Operatoren sind auch Fokussierungen relevant, die durch Intonation erfolgen. Bei der PF (phonetic form) handelt es sich schließlich um eine „Oberflächenstruktur in einem Standardsystem phonetischer Repräsentation“, also um die lautliche Realisierung des Satzes. [Chomsky, N. (1981): Lectures on Government and Binding. Dordrecht. S. 34] [Literatur: Günther Grewendorf, Fritz Hamm, Wolfgang Sternefeld: Sprachliches Wissen. Eine Einführung in moderne Theorien der grammatischen Beschreibung. 4. Aufl., Frankfurt am Main 1990 (Suhrkamp)] Die letzte Version der Theorie Chomskys ist das Minimalistische Programm (MP), das auf seinen Überlegungen basiert, die er unter dem Titel A Minimalist Program for Linguistic Theory zunächst 1993 publizierte und in weiteren Arbeiten ausgebaut und modifiziert hat. Die Syntax wird als minimalistisch bezeichnet, weil sie sich nur noch auf wenige, minimal notwendige Annahmen beschränkt. Minimal notwendig sind: Ein Lexikon, das das lexikalische Inventar enthält sowie ein Verarbeitungssystem (computational system), das die Lexikoneinheiten zu komplexen Ausdrücken zusammensetzt und sie auf der phonetischen und auf der logisch-semantischen Ebene interpretiert. Sowohl der Aufbau syntaktischer Strukturen als auch die Strukturveränderungen werden im MP als das Resultat einer einzigen Derivation, einer „generellen Transformation“ (generalized transformation) beschrieben. Diese nimmt Elemente aus dem Lexikon (select) und baut damit eine Phrasenstruktur auf (merge). In einem weiteren Schritt werden Umstellungen vorgenommen (move). Danach muss überprüft werden, ob die abstrakten Flexionsmerkmale der gewählten Lexikonelemente in der gegebenen Struktur korrekt sind. Diese Merkmalüberprüfung wird als Feature-Checking bezeichnet. Wenn die grammatischen Merkmale miteinander korrespondieren, wenn also eine Merkmalübereinstimmung (feature-matching) vorliegt, ist die Konstruktion grammatisch. Danach werden die abstrakten Flexionsmerkmale aus der Struktur eliminiert. Der gesamte komplexe Ausdruck enthält nur noch phonetische und lexikalische Informationen. Ihre Interpretation erfolgt auf der Ebene der Phonetischen und auf der Ebene der Logischen Form. Sie müssen damit dem Prinzip der vollen Interpretierbarkeit, dem einzigen Wohlgeformtheitsprinzip im MP genügen. Voll interpretierbar ist eine syntaktische Struktur erst dann, wenn alle grammatischen Merkmale überprüft und anschließend eliminiert werden. Das minimalistische Modell besteht also nur noch aus zwei Repräsentationsebenen – der Logischen Form und der Phonetischen Form. Eine weitere syntaktische Ebene (etwa die D-Struktur und die S-Struktur, das Theta-Kriterium) gibt es in diesem Modell nicht. Die Ebene, auf der sich die Phonetische Form und die Logische Form trennen, bezeichnet Chomsky als Spell-Out. Alle syntaktischen Operationen, die danach erfolgen, sind Teil der Logischen Form und damit in der von der Phonetischen Form bereits interpretierten Oberflächensyntax nicht mehr sichtbar. Ob eine Bewegung offen (overt) oder verdeckt (covert) ist, ob sie also vor oder nach Spell-Out erfolgt, hängt von der Art der funktionalen Merkmale ab, die die Bewegung motivieren: Sind sie schwach, ist die Bewegung verdeckt (covert – nach Spell-Out), sind sie stark , ist die Bewegung offen (overt – vor Spell-Out). Ausgelöst werden Bewegungen allein durch die Notwendigkeit, abstrakte funktionale Merkmale zu überprüfen und anschließend zu eliminieren. Nur wenn dies geschehen ist, ist die Struktur voll interpretierbar. Beim derzeitigen Stand der Forschungsdiskussion bleibt offen, ob dieses Modell seinem Anspruch genügen kann, ohne Rückgriff auf die in der GB erarbeiteten Teiltheorien die sprachlichen Daten angemessen zu erfassen. [Vgl. Dürscheid 2005 :148 – 157] 3. Die Dependenzgrammatik Das Prinzip der Dependenz wurde vor allem von Lucien Tesnière in die moderne Grammatik eingeführt. Tesnière ging es ausschließlich um die inneren Beziehungen der Einheiten, die dem linearen Satz zu Grunde liegen. Diese Beziehungen werden in einer Dependenz-grammatik als Abhängigkeiten beschrieben. Demnach wird der Satz als ein hierarchisch geordnetes Ganzes aufgefasst. Die Satzstruktur liegt für Tesnière nicht in der eindimensionalen Ordnung der linearen Redekette, sondern sie ergibt sich aus den Relationen zwischen den einzelnen Satzelementen. Diese Relation nennt er Konnexion und fasst sie als Abhängigkeitsrelation auf. Sie kann durch ein Stemma ( = einen Abhängigkeitsstammbaum) verdeutlicht werden. Dabei entsprechen die Knoten des Stammbaums den Wörtern, seine Kanten den Konnexionen. Der folgende Satz Hans isst Äpfel besteht demnach aus fünf Elementen: Hans, isst, Äpfel und zwei Konnexionen. isst / \ Hans Äpfel Jedes Stemma enthält einen Zentralknoten als einzigen Ausgangspunkt. Im Satz ist es immer das Verb. Die Fähigkeit des Verbs, eine bestimmte Zahl von Aktanten zu sich zu nehmen, vergleicht Tesnière mit der Wertigkeit eines Atoms und bezeichnet sie als Valenz. Nach der Zahl der Aktanten unterscheidet er avalente, monovalente, divalente und trivalente Verben. Unmittelbar dem Verb untergeordnet, jedoch nicht durch seine Valenz gefordert, sind die so genannten „circonstants“ (Circumstanten = Umstände). Ihre Zahl ist – im Gegensatz zur Zahl der Aktanten - theoretisch unbegrenzt. Die Konnexionen als grundlegende Beziehungen zwischen den Elementen eines Satzes ordnen diese hierarchisch zu einer Struktur. Sie verbirgt sich hinter der linearen Erscheinungsform der Rede, und es ist die eigentliche Aufgabe der strukturellen Syntax, sie herauszuarbeiten, so dass die mehrdimensionale strukturelle Ordnung sichtbar wird. Neben der Konnexion bilden zwei andere Erscheinungen die Grundlage der Tesnièreschen Syntax: die Translation und die Junktion. Die Translation führt Tesnière ein, um Veränderungen der syntaktischen Kategorie von Wörtern in bestimmten Sätzen erklären zu können. Die Translative (t) [das Translativ] sind Wörter, die die Funktion der Translation übernehmen. Sie bilden keine eigenen Knoten im Stemma, sondern sie ermöglichen das Auftreten von anderen Wörtern oder Syntagmen in verschiedenen syntaktischen Kategorien, z.B.: „le bleu de Prusse“. In diesem Beispiel ist le Translativ (translatif), das das Adjektiv bleu in ein Substantiv verwandelt, und de Translativ, das das Substantiv in ein Adjektiv verwandelt. Ein deutsches Beispiel: die Frau von Peter Frau / \ die von T Peter Das von Frau abhängige Substantiv Peter erfüllt syntaktisch die Rolle eines Adjektivs; diese Rollenübernahme wird durch das Translativ von ermöglicht. Hier handelt es sich um eine Translation ersten Grades. Translationen zweiten Grades liegen z.B. in Nebensätzen vor, wo das Verb in die syntaktische Rolle eines Substantivs transferiert wird. Als Translative dienen hier subordinierende Konjunktionen. Die Translation ist also ein Verfahren, das die Ursprungsfunktion der Hauptwortarten (bei Tesnière: Verb I, Substantiv O, Adjektiv A, Adverb E) qualitativ verändert und erweitert. Dagegen stellt die Junktion (jonction) eine rein quantitative Erweiterung dar. Sie bezieht sich auf das Verhältnis der Nebenordnung von syntaktisch gleichwertigen Knoten und wird durch Junktive geleistet. (jonctif = das Junktiv; in der Regel koordinierende Konjunktionen der traditionellen Grammatik) Die Junktive (j; = Bindewörter) sind ebenso wie die Translative (= Überführungswörter) „leere Wörter“. Sie (die Junktive) unterscheiden sich von den Translativen darin, dass die ersteren zwischen zwei Nuklei, die letzteren innerhalb eines Nukleus (= Kern) stehen. Als Nukleus (nucléus) wird ein Knoten (noeud) mit semantischer Funktion bezeichnet. Mit dem Begriff des Nukleus ist die Möglichkeit vorgesehen, dass die Knoten eines Stemmas auch mit Wortgruppen belegt sein können. Zusammenfassend kann gesagt werden: Tesnière stellt keine neue geschlossene Grammatiktheorie auf, sondern er verfährt nach einer vorgegebenen, wenn auch nicht unreflektierten Theorie und stellt nach ihr einzelne Sätze dar. Eine klare Trennung von Theorie und Metatheorie ist in seiner Darstellung noch nicht vollzogen. Er legt seinen Untersuchungen auch nicht eine einzige Sprache zu Grunde, sondern er nimmt seine Beispiele aus einer großen Zahl von Sprachen. Dadurch gelingt ihm zwar der Nachweis, dass seine drei syntaktischen Relationen zu sog. sprachlichen Universalien gehören und somit für eine Metatheorie der Syntax natürlicher Sprachen grundlegend sind. Diese Auffassung aber, nach der die syntaktischen Kategorien als interlingual konstant, primär und unabhängig gelten, kann mitunter tieferen Einsichten in die Struktur einer Einzelsprache im Wege stehen. Tesnières Nachfolger haben inzwischen manche Schwächen seiner theoretischen Konzeption beseitigt. So hat der französische Germanist Jean Fourquet [übrigens ein ehemaliger Kollege Tesnières: beide haben zur gleichen Zeit an der Universität in Straßburg unterrichtet] die Leitgedanken Tesnières aufgegriffen und sie konsequent weitergeführt. In seinem Buch „Prolegomena zu einer deutschen Grammatik“ (2. Aufl. Düsseldorf 1970, in: Sprache der Gegenwart, Bd. VII) gibt er die Begriffe Wort und Wortklasse auf, denn sie sind nach seiner Meinung die Quelle innerer Widersprüche in der Grammatik. Er arbeitet statt dessen mit dem Begriff „spezifische Einheit“. Darunter versteht er die für die Analyse der modernen europäischen Sprachen syntaktisch relevanten Einheiten. Tesnière behielt – wohl unter dem Druck der Tradition – die Begriffe Wort und Wortart und ihre inhaltliche Definition, ohne viel darauf einzugehen. Fourquet zeigt, dass der inhaltlichen Definition der Wortarten eine Verwechslung mit den Klassen spezifischer Einheiten zu Grunde liegt. Z.B. ist der Numerus nicht, bzw. nicht nur am Substantiv ablesbar, sondern an der ganzen nominalen Einheit: die guten Männer die guten Lehrer Die nominale Einheit kann freilich auch nur durch ein alleinstehendes Substantiv repräsentiert werden: Der Mann ist Lehrer. Dies ist aber nur eine ihrer Sonderformen (besonderen Erscheinungsformen). Für genaue Abgrenzung und Charakterisierung der relevanten Einheiten schlägt Fourquet folgende methodologische Prinzipien vor: 1) Das Wort - als syntaktisch nicht-relevante Einheit - soll systematisch aufgelöst werden. Die Teile des Wortes, die mit dem lexikalischen Kern nicht syntaktisch verbunden sind (z.B. Anzeiger für Tempus, Numerus usw.), werden ihrer funktionalen Stelle im grammatischen Bau (Struktur) zugewiesen. 2) Was vom Wort bleibt, wenn man die Anzeiger für grammatische Kategorien abgetrennt hat, ist ein nacktes lexikalisches Element. Dieses kann einfach (ein Monem) oder zusammengesetzt sein: z.B. lach- bzw. verlach-. Die Zusammenfügung solcher Minimaleinheiten gehorcht besonderen Gesetzen und ist Gegenstand der Wortbildung, oder richtiger: Lexembildung. Diese Gesetze sind grundverschieden von denen, die das Zustandekommen einer syntaktischen Einheit regeln. Fourquet unterscheidet drei relevante Einheiten, deren keine das Wort ist: a) die Minimaleinheit aus Signans und Signatum (= Monem bei Martinet {André Martinet: Grundzüge der allgemeinen Sprachwissenschaft, Stuttgart 1968}; Morphem in der amerikanischen Linguistik). Auch der Deckteil (= Anzeiger für grammatische Kategorien) besteht aus solchen Einheiten. Sie lassen sich als Teile eines kleinen Paradigmas definieren. b) die komplexe lexikalische Einheit (verlach-, Obstbaum, unter-geh-), die einen Kernteil abgibt. c) die spezifische Einheit (im Deutschen: verbale Einheiten, nominale Einheiten, adverbiale Einheiten und qualitative Einheiten, möglicherweise auch andere Typen von Einheiten). Die beiden Haupttypen – verbale und nominale Einheit – bestehen aus einem „Kernteil“, funktionellen „Gliedern“ und einem „Deckteil“. Die Zahl der Glieder kann gleich Null sein. Der Mindestbestand einer spezifischen Einheit ist demnach Deckteil plus Kernteil. Wenn wir die Bestandteile der spezifischen Einheit in der Reihenfolge der Konnexionen ordnen, bekommen wir immer das gleiche Bild; z.B.: Wenn es regnet, nehme ich einen Regenschirm. D (wenn es regnet (ich (einen Regenschirm (nehm-)))) D ( G3 (G2 ( G1 K))) [ [ [_______________] [ [ sog. Hauptsatz ] [ [_____________ ] [____________________] Die Glieder einer spezifischen Einheit haben selbst den Status einer spezifischen Einheit und geben Anlass zu einer neuen Analyse. Der verbale Satz ist eine verbale spezifische Einheit. Sie ist im Hinblick auf das Sprachsystem definiert als eine spezifische Einheit, die nicht Glied einer höheren grammatischen Einheit ist. Auf der anderen Seite hängt der Satz mit der Rede zusammen, d.h. mit der sprachlichen Reaktion auf eine Situation. Diese Reaktion besteht aus einer oder mehreren solcher Einheiten (= Äußerungseinheit). Mit der Valenz hat sich vor allem der Leipziger Germanist Gerhard Helbig befasst. In seinem Valenzwörterbuch (G.Helbig, Wolfgang Schenkel: Wörterbuch zur Valenz und Distribution deutscher Verben, Leipzig 1969) bespricht er den Valenzbegriff sehr ausführlich. Er versteht darunter die Fähigkeit des Verbs, bestimmte Leerstellen um sich herum durch obligatorische oder fakultative Mitspieler zu besetzen. Als solche Mitspieler fasst er Substantive in verschiedenen Kasus auf (einschließlich der präpositionalen Kasus) sowie Adjektive, Adverbien, Infinitive, Partizipien und Nebensätze. Die Leerstellen sind im Stellenplan des Verbs verankert. Wenn das gleiche Verb der Zahl oder der Art nach verschiedene Mitspieler hat, dann handelt es sich um mehrere Varianten dieses Verbs. Auch Ulrich Engel hat in seinen Arbeiten zur Dependenzgrammatik versucht, den Begriff Valenz zu präzisieren. Er fasst die Valenz zunächst als Konkomitanz [= Begleitung] auf. Die konkomitanten Elemente kann man als einander bedingend auffassen. Die Bedingung ist dabei an sich prinzipiell nicht gerichtet, kann aber mittels einer Setzung gerichtet werden. Engel bezeichnet das durch diese Setzung höhergestellte Element als Regens, das von diesem durch die Setzung für abhängig erklärte Element als Dependens. Ein Dependens kann immer nur ein Regens haben, von einem Regens hingegen können mehrere Dependentien abhängig sein. U. Engel unterscheidet vier Klassen von möglichen Elementen des Satzes (D-Klassen): 1. das satzkonstituierende Verb (Verbalkomplex) 2. unmittelbar verbabhängige Elemente 3. mittelbar verbabhängige Elemente (Attribute verschiedenen Grades und Pertinenzelemente) 4. verbunabhängige Elemente (freie Satzglieder) Weiterhin teilt er die Elemente des Satzes nach ihren Anaphorisierungsmöglichkeiten in sechs Klassen (A-Klassen) ein; anaphorisierbar durch: 1. Personalpronomen (er, sie, ihr usw.) 2. abstraktes Adverb (da, hin, darum usw.) 3. Präpositionaladverb (daran, dafür, davon usw.) 4. so oder es 5. geschehen, sein, tun usw. 6. Satzglieder ohne Anaphern Da nun A-Elemente grundsätzlich Wortgruppen und D-Elemente grundsätzlich Teile von solchen sind, sind D-Elemente Teile von A-Elementen. Die Klassendurchschnitte zwischen A- und D-Klassen bezeichnet Engel dann als Klassen syntaktischer Glieder (S-Klassen). Als Valenz kann er ganz allgemein die Eigenschaft von D-Elementen definieren, als (im Dependenzmodell ‚abwärts’ ) gerichtete Bedingung für S-Elemente zu fungieren. Die individuelle Valenz ergibt sich dann nicht nur aus der Anzahl (wie bei Tesnière ), sondern auch aus der Art der abhängigen Elemente. Dies kann an Hand eines konkreten Beispiels erklärt werden. Zunächst muss man davon ausgehen, dass es in der Sprache keineswegs irgendwelche naturgegebenen Abhängigkeiten gibt. Zwischen zwei sprachlichen Elementen, die gleichzeitig miteinander auftreten, besteht im Prinzip nur eine Vorkommensrelation, für die U. Engel den bereits erwähnten Terminus ‚Konkomitanz’ verwendet. (Vgl. außerdem den Begriff „Kookurenz“, dt.: Miteinander-vorkommen; bei der Distributionsanalyse stehen alle Einheiten, die gleichzeitig in einem Satz vorkommen, in Kookurenz zueinander. [Zellig S. Harris: String analysis of sentence structure. The Hague 1962]) Er erläutert diesen Begriff am folgenden Beispiel: Ein fallender Ast hat meinem Bruder das linke Bein abgeschlagen. E0 --------------V <01> ----------------- E1 [ E3 Das Diagramm kann folgendermaßen gelesen werden: Ein fallender Ast (E0 = Nominativergänzung) ist vorkommensmäßig an ein Verb (V) wie abschlagen gebunden, das die Valenz <0> (= nominativisches Element) aufweist. Das Verb abschlagen hat jedoch die zusätzliche Valenz <1>, d.h. es verlangt eine E1 (= Akkusativ-ergänzung), hier das linke Bein. Unter der Bedingung, dass E1 einen Körperteil oder Ähnliches bezeichnet, muss in der Regel das Lebewesen, dem dieser Körperteil gehört, in dativischer Form (E3) [Pertinenzdativ / possessiver Dativ] mitgenannt werden. – Hätte der fallende Ast nämlich die Kante eines Simses abgeschlagen, so könnte kein entsprechender Dativ hinzugesetzt werden. Diese Erläuterung zeigt, wie die einzelnen Teile des Satzes in ihrem Vorkommen aufeinander angewiesen sind. Dabei stellt sich die Frage nach der hierarchischen Anordnung der Konstituenten, d.h. der Terme der Vorkommensrelation. (r Term, -s, -e = Glied einer Formel, Endelement) Es besteht z.B. offensichtlich eine Konkomitanz zwischen dem Verb abschlagen und der Akkusativergänzung das linke Bein. Sollen wir nun sagen, das Verb bedinge die Akkusativergänzung oder die Akkusativ-ergänzung bedinge das Verb? In der Sprache selbst lässt sich eine solche Art Bedingung nicht beobachten. Wir wissen lediglich, dass weder das eine noch das andere Element allein stehen kann. Wenn wir also eine grammatische Kategorie ‚Bedingung’ einführen, so bleibt es uns überlassen, welches Element der Vorkommensrelation wir als ‚bedingend’ und welches als ‚bedingt’ auffassen. Es ist vorteilhaft, die Bedingung so zu richten, dass in möglichst vielen Fällen Terme, die mehrere andere Terme zugleich bedingen, diesen vorgeordnet sind. Daher wird bestimmten Elementen ein höherer (bzw. der höchste) Platz zugewiesen, andere dürfen nur tiefer angesetzt werden. Solcherart gerichtete Konkomitanz nennt man Dependenz (Abhängigkeit). Das dependentielle Verfahren lässt sich durch die Umwandlung des Konkomitanzdiagramms in ein Dependenzdiagramm veranschaulichen: E0 ---------V<01> ---------E1 V<01> [ / \ E3 E0 E1 \ E3 Hier ist das Verb abschlagen höchstes Element oder Regens, weil die meisten Elemente des Satzes zugleich als vom Verb bedingt aufgefasst werden können. Theoretisch lässt sich aber auch einem anderen Element im Satz der Rang des obersten Regens zuweisen. Das dependentielle Prinzip erstreckt sich keineswegs nur auf den deutschen Verbalsatz. Es kann auch auf Wortgruppen sowie auf Texte angewandt werden. Zusammenfassend: Dependenz liegt vor, wenn Konkomitanz in eine bestimmte (im Diagramm: vertikale) Richtung gebracht worden ist. Diese Ausrichtung ist nicht durch die Sprache vorgegeben, sondern sie beruht auf der Entscheidung des Grammatikers, die wiederum durch den Zweck der grammatischen Beschreibung sowie durch das Kriterium der Einfachheit motiviert ist. Anmerkung: Formalisierung der Grammatik Im Grunde handelt es sich bei diesen Bemühungen um einen Versuch, die natürliche Sprache (Objektsprache) mit Hilfe einer Kunstsprache (Metasprache) zu beschreiben. In der europäischen Linguistik hat sich diese aus Amerika kommende Tendenz in den sechziger Jahren durchgesetzt. Die Formalisierung sollte die Linguistik zu einer exakten Wissenschaft machen. Seitdem liefern einige Richtungen der modernen Linguistik (z.B. generative Grammatik, neuere Ausprägungen der Dependenzgrammatik, die Kasusgrammatik der Fillmore-Schule) vorwiegend oder ausschließlich formalisierte Grammatikdarstellungen. {Charles J. Fillmore: Case for Case. In: Universals in Linguistic Theory. Hrsg. Von E. Bach und R.T. Harms. New York 1968, S. 1 – 88. Dt.: Plädoyer für Kasus. In: Kasustheorie. Hrsg. von Werner Abraham. Frankfurt a. M. 1971, S. 1 – 118.} Die meisten der verwendeten Kunstsprachen stammen aus der formalen Logik oder wurden auf dieser Basis entwickelt. Sie haben gegenüber einer natürlichen Sprache den Vorteil, dass sie einfach, systematisch und widerspruchsfrei sind. Doppeldeutigkeiten und falsche Assoziationen werden bei einer solchen Beschreibung von vornherein vermieden. Allerdings handelt es sich bei einer Formalisierung – und das wird manchmal vergessen – nur um eine Schreibweise. Sie bietet allein keinerlei Gewähr für die Richtigkeit einer Aussage und besitzt auch keinen eigenen Erkenntniswert. Daher ist die allererste Voraussetzung für sowohl konventionelle als auch formalisierte Beschreibungen, dass alle grammatischen Aussagen genau formuliert und auf ihre Gültigkeit hin überprüfbar sind. Die Gliederung der Gesamtgrammatik in einzelne grammatische Disziplinen Diese erfolgt am besten anhand folgender Überlegungen: Die Grammatik beschäftigt sich immer einerseits mit einzelnen sprachlichen Elementen, andererseits mit der Kombination dieser Elemente. Die Regeln für solche Kombinationen sind naturgemäß abhängig von der Art der Elemente, für die sie gelten. Herkömmlicherweise unterscheidet man bereits in der älteren Grammatik (z.B. bei John Ries) Laute, Wörter, Wortgefüge und Sätze. Die entsprechenden Teilbereiche wären also Lautlehre, Wortlehre und Syntax, wobei die Wortlehre in Wortbildungs- und Flexionslehre (Morphologie), die Syntax in Wortgruppen- und Satzlehre zerfallen. In Wirklichkeit aber gibt es kaum ein Grammatikbuch, das so systematisch aufgebaut wäre. Da sich die Grammatiken vorwiegend an praktischen Zielen orientieren, behandeln sie meistens die Flexionslehre und die Satzlehre in großer Ausführlichkeit, die übrigen Disziplinen hingegen nur oberflächlich. Besonders die Wortgruppenlehre ist in der traditionellen deutschen Grammatik arg vernachlässigt worden. In der neueren Grammatikforschung geht man – trotz begrifflicher und terminologischer Unterschiede – im Prinzip davon aus, dass die Sprache ein Zeichensystem ist. Jedes sprachliche Zeichen besteht aus einem Signifikat und einem Signifikanten. Das kleinste sprachliche Zeichen, das sich nicht mehr in eine Folge von Zeichen zerlegen lässt, bezeichnet man nach André Martinet als Monem. Moneme weisen also eine lautliche Form und eine Bedeutung auf. Sie lassen sich zwar in kleinere Einheiten zerlegen, die aber selbst – im Gegensatz zu Monemen – keine Bedeutung haben. Sie werden als Phoneme bezeichnet und haben bedeutungsunterscheidende Funktion. Die Liste der Phoneme einer Sprache ist begrenzt. Bereits in diesem Bereich (= phonetisch-phonematische Ebene) gibt es eine Art sprachspezifische Kombinatorik: im Deutschen existiert z.B. die Kombination flink, möglich wäre auch *frink, ausgeschlossen dagegen *fnilk oder *fnirk. Die Möglichkeiten der Phonemverbindungen in Monemen tragen also wesentlich zur lautlichen Charakterisierung einer Sprache bei. In der amerikanischen Linguistik spricht man statt von Monemen von Morphemen und unterscheidet freie Morpheme (= A. Martinet: Lexeme) und gebundene Morpheme. Die letzteren zerfallen in die Klasse der Wortbildungsmorpheme (bei U. Engel: Derivanten) und die Klasse der grammatischen Morpheme (U. Engel: Flexeme) [das Monem, -s, -e; das Morphem, -s, -e; das Flexem, -s, -e; der Derivant, -en, -en] In der „Syntax der deutschen Gegenwartssprache“ (1. Aufl. Berlin 1977, 3. Aufl. 1994) werden Moneme als kleinste Einheiten der Wortstruktur betrachtet und damit als kleinste syntaktische Einheiten überhaupt. Die Kombinatorik dieser Elemente sowie die Kombinatorik der Einheiten, die aus diesen Elementen auf höheren Ebenen entstehen (Wörter, Phrasen, Sätze als Verbalphrasen i. w. S., Texte) bezeichnet U. Engel als Syntax. Damit ist Syntax die Kombinatorik der Einheiten des ganzen supraphonematischen Bereichs. Die Flexematik, die in anderen grammatischen Darstellungen Morphologie genannt wird, ist die Kombinatorik von Flexemen mit Lexemen. Lexeme sind sprachliche Elemente, die einer bestimmten Lexemklasse angehören. Wenn die Flexion als Grundlage der Lexemklassifikation dient, können alle Lexeme zunächst in zwei Klassen eingeteilt werden: flektierbare und nichtflektierbare. Die nichtflektierbaren Lexeme heißen Partikeln. Ihre weitere Subklassifikation kann nur auf Grund syntaktischer Verwendungsweisen erfolgen. Die Flexibilia (= die flektierbaren Lexeme [das Fexibile]) lassen sich in vier Gruppen einteilen. Die Einteilung beruht auf der Kombinierbarkeit dieser Lexeme mit verschiedenen Flexemkategorien. U. Engel unterscheidet im Deutschen sieben Flexemkategorien: Kasus, Person, Numerus, Genus, Komparation, Verbal I und Verbal II. Kasus hat ein viergliedriges Paradigma (Nominativ, Akkusativ, Genitiv, Dativ; angeordnet nach der Vorkommenshäufigkeit im Deutschen) und kommt bei Nomen, Adnomen (= Determinativ und Adjektiv) und Pronomen vor. Die Kategorie Person hat ein dreigliedriges Paradigma (nach L. Tesnière): Lokutiv (1. Person = Sprecher/-in), Allokutiv (2. Person = der/die/das Angesprochene), Delokutiv (3. Person = der/die/das Besprochene). Sie kommt bei einigen Pronomina sowie beim Verb vor. Numerus hat ein zweigliedriges Paradigma und kommt bei Nomen, Determinativ, Adjektiv, Pronomen und Verb vor. Die Numeri sind meist morphologisch markiert. Bei Genus unterscheidet man ein dreigliedriges Paradigma: Maskulinum, Femininum, Neutrum. Die Kategorie kommt bei Nomen, Determinativ, Adjektiv und Pronomen vor. Ein konstantes Genus haben nur das Nomen und einige Pronomina. Bei Determinativ und Adjektiv ist das Genus variabel und richtet sich nach dem Genus des begleiteten bzw. vertretenen Nomens. In der Gegenwartssprache ist das Genus nur selten an der äußeren Form des Wortes ablesbar, vor allem an Ableitungssuffixen. Die einzelnen Genera haben keine Bedeutung: Genus darf nicht mit Sexus verwechselt werden. Es gibt zwar Überlappungen von Genus und Sexus, sie sind aber vereinzelt und im Grunde nur zufällig. Komparation hat ein dreigliedriges Paradigma: Positiv, Komparativ, Superlativ. Die Kategorie kommt hauptsächlich bei Adjektiven vor, außerdem auch bei einigen Adverbien. Die Komparationsflexeme (-er, -(e)st) sind immer morphologisch unterscheidbar. Der Positiv erscheint ohne Markanten. Außerdem gibt es suppletive Komparationsformen (gern > lieber). Verbal I hat ein fünfgliedriges Paradigma: Präsens, Präteritum, Konjunktiv I, Konjunktiv II, Imperativ. Diese Kategorie kommt (wie Verbal II) nur bei Verben vor. Die mit einem Flexem aus Verbal I verbundenen Verben heißen finite Verben. Verbal I ist in der Regel morphologisch eindeutig markiert. Allerdings hat nicht jedes Flexem aus Verbal I einen eindeutigen Markanten. (Vgl. z.B. Indikativ und Konjunktiv Präsens und Präteritum. Hier treten dann – vor allem in der „indirekten Rede“ – häufig, wenn auch nicht notwendigerweise „Ersatzformen“ und würde-Periphrasen auf.) Immerhin kann die Kommunikation auch bei Verwendung mehrdeutiger Formen noch durchaus verlässlich funktionieren. Verbal II hat ein dreigliedriges Paradigma: Infinitiv, Partizip I, Partizip II. Verben mit Flexemen aus Verbal II heißen infinite Verben. Der Infinitiv kommt hauptsächlich als abhängiges Element innerhalb von Verbalkomplexen vor (Ich musste arbeiten), gelegentlich bildet er auch selbst den Verbalkomplex (Ich hoffe, dich vor ihm zu schützen.), seltener steht er als Attribut beim Nomen (die Kunst aufzuhören). Das Partizip I wird in der Gegenwartssprache ausschließlich als Adjektiv verwendet (die schweigende Mehrheit, Sie stand schmollend beiseite.). Das Partizip II erscheint als Bestandteil des Verbalkomplexes (Er hat gesungen. Nina wird gelobt.) oder fungiert wie ein Adjektiv (das verlorene Schaf, Ich bin erschüttert.). Auf Grund der aufgezählten Flexemkategorien lassen sich die Flexibilia weiter in Gruppen einteilen. Dabei werden für ihre Definition nur die Kategorien Kasus, Genus und Verbal I benötigt: 1) Lexeme, die mit Verbal I verbindbar sind. Sie heißen Verben. Die Lexemklasse Verb ist mit der Wortklasse Verb identisch. 2) Lexeme, die sich mit der Flexemkategorie Kasus verbinden. Mithilfe der Kategorie Genus lassen sie sich in folgende Gruppen aufgliedern: a) Eine Klasse von Lexemen, die ein Kasusparadigma hat, aber kein Genusparadigma, weil sie auf ein Genus festgelegt oder genusneutral ist (Substantiva und einige Pronomina: Tag, Buch, Zunge; ich, wir, jemand, wer, was, auch einige Kardinalzahlen: zwei, G. zweier, (mit) zweien, drei, dreier, (mit) dreien; b) Die Lexeme, die neben dem Kasusparadigma auch ein Genusparadigma haben, bilden zwei Untergruppen: Eine Klasse mit einem Genusparadigma und drei verschiedenen Kasusparadigmen im Singular des Maskulinums und Neutrums. Sie entspricht im Großen und Ganzen der herkömmlichen Klasse der Adjektive. Die restlichen Lexeme dieser Hyperklasse haben ein Genusparadigma und ein oder zwei Kasusparadigmen im Singular des Maskulinums und Neutrums. Hierher gehören vor allem: der definite und indefinite Artikel, das Demonstrativpronomen, das Possessivpronomen und das Relativpronomen. Lexemklassen – Sie ergeben sich auf Grund der Kombinierbarkeit der Lexeme mit Flexemkategorien: (L1) Partikeln – unflektierbar Flexibilia: (L2) Verben – verbindbar mit der Kategorie Verbal I (L3.1) – ein Kasusparadigma, kein Genusparadigma (Substantive und bestimmte Pronomina) (L3.2) – ein Genusparadigma und drei Kasusparadigmen im Singular des Mask. und des Neutr. (Adjektive) (L3.3) – ein Genusparadigma und ein oder zwei Kasusparadigmen im Sg. des Mask. und Neutr. (Artikel und einige Pronomina) Diese Klassifikation der Lexeme auf Grund der Flexion berücksichtigt ein wichtiges Gliederungskriterium nicht, das selbst bei herkömmlichen Wortarten eine Rolle spielt: die Kombinierbarkeit mit anderen Lexemen zu größeren Einheiten. Diese Kombinatorik ist so wichtig, dass sie die Grundlage für eine zweite Klassifikation liefert. Da die beiden Klassifikationen nicht auf einen Nenner zu bringen sind, wird bei U. Engel die begriffliche Unterscheidung zwischen Lexem und Wort eingeführt. Das Wort ist ein Lexem in seinem lexematischen Kontext. Da sich Lexeme nicht miteinander kombinieren lassen, ohne dass die flexiblen unter ihnen Flexeme zu sich nehmen, erscheint jedes Wort, sofern es einem Flexibile entspricht, in Form einer Lexem-Flexem-Verbindung. Nur Partikeln [= Unflektierbare] sind als Lexeme wie als Wörter formgleich; aber als Wörter unterliegen sie einer Subklassifizierung. Das Lexem ist also lediglich eine Lexikoneinheit, das Wort ein potentieller Bestandteil eines Syntagmas. Die Wortklassen sind auf Grund ihrer lexematischen Kombinatorik definiert und stimmen mit den Lexemklassen (mit Ausnahme der Wortklasse Verb) nicht mehr durchgehend überein. Wortklassen: Verben (V) – Die Klasse entspricht völlig der gleich benannten Lexemklasse und hat eine spezifische Kombinatorik. Nomina (N) – Hierher gehören mit Ausnahme der genusneutralen Pronomina (ich, du u. a.) die Lexeme der Klasse L3.1. (Buch, Dackel, Tag, Zunge) Sie lassen sich mit Adnomina kombinieren und können in ihrer Gesamtheit Genitivattribute, Relativsätze und situative Angaben zu sich nehmen. Adnomina (A) – Es sind Wörter, die mit Nomina kombiniert, aber zum Teil auch allein vorkommen können. Sie lassen sich in Adjektive, Determinative und eine kleine Klasse exklusiver Adnomina (Ae) einteilen. Adjektive (Aa) – sind vor allem die Lexeme der Klasse L3.2 sowie alle Kardinalzahlen. Im Einzelnen gelten hier verschiedene Kombinationsregeln. Determinative (Ad) – lassen sich immer mit einem Nomen kombinieren. Sie sind aber nur in begrenztem Maße untereinander verbindbar (z.B. dieser mein Zeuge). Es handelt sich um die sog. adjektivischen Pronomina der traditionellen Grammatik. Pronomina (P) – Die Funktion dieser Wortklasse besteht darin, dass ihre Elemente an die Stelle der Nomina (bzw. der ganzen Nominalphrasen) treten. Es lassen sich hier drei Subklassen unterscheiden (P1, P2, P3) P1 Die (geschlossene) Klasse umfasst die Elemente ich, wir; du, ihr; Sie (als Anredeform für sozial distante Erwachsene). Diese können keine Attribute, wohl aber Relativsätze und situative Angaben zu sich nehmen. P2 Die (geschlossene) Klasse umfasst die Elemente er, sie, es. Sie können Relativsätze und situative Angaben regieren. P3 Die (geschlossene) Klasse umfasst Elemente jemand, niemand, wer, was, etwas, nichts. Die Elemente dieser Klasse können Relativsätze und situative Angaben regieren, außerdem aber Adjektivphrasen in der Form des Singular Neutrum (jemand Neues, etwas Gutes). Unter Zuhilfenahme von Nomen, Adjektiv, Determinativ, Pronomen und Verb lassen sich auch die meisten Partikeln nach Wortklassen ordnen. Es sind: Subjunktoren (S), Kopulapartikeln (K), Präpositionen (T), Konjunktoren (U) und eine Restklasse (R). Subjunktoren (S) sind Elemente, die in ihrer Umgebung mindestens ein finites Verb oder ein Verb im Infinitiv haben. Gemeint sind im Wesentlichen die „unterordnenden Konjunktionen“ der traditionellen Grammatik sowie Infinitivsatz-Einleitungen (um …zu, statt … zu, ohne … zu). Kopulapartikeln (K) Diese kleine Klasse von Partikeln ist mit den „Kopulaverben“ sein, werden, bleiben, scheinen kombinierbar. Es handelt sich um die sog. „nur-prädikativen Adjektive“ der traditionellen Grammatik: quitt, schuld, leid usw. Präpositionen (T) Diese Elemente können in ihrer Umgebung immer ein Nomen in spezifischem Kasus haben. (Die Abkürzung T nach Tesnières Translativ gewählt.) Konjunktoren (U) sind Partikeln, die im konexionellen Bereich symmetrische Umgebung haben. Sie verbinden gleichartige Konstrukte – Äußerungen, Sätze, Phrasen, Wörter. Es sind die „nebenordnenden Konjunktionen“ der traditionellen Grammatik (und, aber, denn u. a.), aber auch Wörter wie deshalb, demzufolge (Konjunktionaladverbien), die immer Sätze verbinden, sowie die Partikel auch und bedeutungsverwandte Wörter. Restklasse (R) Diese Partikeln können nur behelfsweise auf Grund semantischer Kriterien subklassifiziert werden. So lassen sich Wörter mit Verweisfunktion ausgliedern (da, darüber u. a.), existimatorische Elemente (wohl, vermutlich, zwar) sowie negierende Elemente (nicht, keineswegs). Wortklassen – Sie ergeben sich auf Grund der Kombinierbarkeit der Lexeme mit anderen Lexemen zu größeren Einheiten: 1) Verben 2) Nomina 3) Adnomina: a) Adjektive b) Determinative c) exklusive Adnomina (all die vielen Schmetterlinge) 4) Pronomina: a) P1 (ich, wir, du, ihr, Sie) b) P2 (er, sie, es) c) P3 (jemand, niemand, wer, was, etwas, nichts) 5) Subjunktoren 6) Kopulapartikeln 7) Präpositionen 8) Konjunktoren 9) Restklasse Wortgruppen Auf dem Weg vom Wort zum Satz hat die Syntax als Kombinatorik des supraphonematischen Bereichs zunächst die Ebene der Wortgruppe zu berücksichtigen. Auf dieser Ebene gelten bekanntlich andere Kombinationsregeln als im Bereich der Wortstruktur. Als Beispiel einer Klassifikation der Wortgruppen wird hier wiederum die Darstellung in der „Syntax der deutschen Gegenwartssprache“ kurz referiert. Der Spatz sitzt auf dem Dach. Dieser Satz enthält eine Präpositionalgruppe auf dem Dach. Die gesamte Gruppe wird sozusagen von außen her durch das Verb sitzt regiert. Der Terminus Regens soll diesem extern regierenden Element vorbehalten bleiben. Das intern regierende Element der Gruppe, die Präposition auf , wird mit dem Terminus Nukleus (= Kern) belegt. Man kann die Wortgruppen – sozusagen kontextfrei – nach ihrem Nukleus benennen. Solche nach dem Nukleus benannten Konstrukte heißen Phrasen. Theoretisch gibt es so viele Klassen von Phrasen wie Wortklassen. Die zitierte Darstellung rechnet daher mit Verbalphrasen, Nominalphrasen, Adjektivphrasen, Determinativphrasen, Pronominalphrasen, Subjunktorphrasen, Kopulapartikelphrasen, Präpositionalphrasen, Konjunktorphrasen und Phrasen, die durch die Partikeln der Restklasse gebildet werden. Diese Phrasen sind allein durch ihren Nukleus definiert, nicht durch ihre Dependentien. So ist z.B. das Konstrukt der Mann, der Birnen verkauft eine Nominalphrase. Aber auch ein Wort wie der Mann oder Mann, wenn es keine Dependentien hat, ist eine Nominalphrase. Es gilt also, dass Phrasen auch aus einem einzigen Wort bestehen können, falls dieses keine Dependentien hat. Freilich gibt es Wörter, die ohne Dependentien gar nicht vorkommen, z.B. Präpositionen, Konjunktoren, Subjunktoren und die meisten Verben sowie einige Adjektive. Bei den Verbalphrasen wird noch unterschieden zwischen der „engeren Verbalphrase“ (Verbalkomplex, Prädikat) und der Verbalphrase im weiteren Sinne, d.h. dem Satz. Der Satz wird somit definiert als Phrase, deren Nukleus ein finites Verb oder ein Verb im Infinitiv ist. Betrachtet man das Konstrukt auf dem Dach in seiner Umgebung, also kontextabhängig, nämlich in Beziehung zu seinem „externen“ Regens, so zeigt es sich, dass diese Phrase von dem Verb abhängt. V sitzt / \ N T Spatz auf / \ Ad N der Dach \ Ad dem Die Phrase auf dem Dach ist also eines der Elemente, die von Verben wie sitzen abhängen können. Aber dieses Verb lässt nicht nur Präpositionalphrasen zu. Auch Adverbien wie hier, dort, da sind an dieser Stelle einsetzbar, es handelt sich also nach der hier verwendeten Terminologie um die Partikeln der Restklasse bzw. ihre Phrasen. Man sieht daraus, dass das Verb seine Dependentien auf eigene Weise selegiert – unabhängig von deren Phrasenstruktur – und dass dabei die Beschränkung auf eine einzige Phrasenklasse nicht die Regel ist. Konstrukte, die von ihrem unmittelbaren Regens selegiert werden, heißen Glieder. Glieder sind also Elemente einer Kommutationsklasse (eines Paradigmas), die sich auf Grund eines bestimmten Kontextes ergibt. Wortgruppe (neutrale Bezeichnung) / \ / \ kontextunabhängig kontextabhängig Phrasen Glieder (Nukleusklassen) (Kommutationsklassen) [Die traditionelle Grammatik würde hier von einer Wortgruppe und ihrem Aufbau einerseits sowie ihrer syntaktischen Funktion bzw. ihrem Satzgliedwert (ihrer Satzgliedschaft) andererseits sprechen.] Zusammenfassend: Die Phrasen sind durch ihren Nukleus, die Glieder durch ihr Regens definiert. Die Eigenschaft eines Wortes, als Regens aufzutreten und Glieder zu regieren, wird als Rektion bezeichnet. Grundsätzlich haben Elemente jeder Wortklasse ihre Rektion. Es gilt jedoch, dass nicht alle Elemente einer Wortklasse dieselbe Rektion haben. Bekanntlich unterscheidet man z.B. bei der Wortklasse Verb absolute Verben, Akkusativverben, Dativverben, Genitivverben usw. Aber solche auf Teile der Wortklasse beschränkte Rektion existiert auch bei Substantiven und Adjektiven. Es heißt z.B. Hoffnung auf Frieden aber nicht * Gewissheit auf Frieden. Ähnlich bei Adjektiven: gierig nach Ruhm, zufrieden mit Thomas. [Die herkömmliche Grammatik spricht beim Verb von Satzgliedern, bei Substantiven und Adjektiven gewöhnlich von Attributen.] Diese auf Teile von Wortklassen beschränkte Rektion heißt (bei U. Engel) Valenz. Damit ist Valenz gleich subklassenspezifische Rektion. Im Zusammenhang mit dem Begriff der Valenz ist auch die Unterscheidung von Ergänzungen und Angaben zu sehen. Ergänzungen sind Glieder, die nur von bestimmten Elementen einer Wortklasse abhängen, d.h. m. a. W. es sind subklassenspezifische Glieder. Angaben sind Glieder, die von allen Elementen einer Wortklasse abhängen können. Beispiel: Die Nominalphrase das Bedürfnis nach Sicherheit in unserer Zeit besteht aus dem Nukleus Bedürfnis und zwei Satelliten, die beide Präpositionalphrasen sind. Die erste kann nur bei einigen wenigen Nomina wie Ruf, Wunsch, Sehnsucht vorkommen (Ruf nach Sicherheit, Wunsch nach Sicherheit, Sehnsucht nach Sicherheit). Die zweite Präpositionalphrase in unserer Zeit ist im Prinzip bei jedem beliebigen Nomen denkbar. N Bedürfnis / [ \ Ad T T das nach in [ [ N N Sicherheit Zeit [ Ad unserer Nach dieser Auffassung sind Ergänzungen und Angaben keineswegs nur auf den Bereich der unmittelbaren Verbdependentien beschränkt. Vielmehr können sie theoretisch bei beliebigen Wörtern als Dependentien vorkommen. Faktisch hat man mit Ergänzungen und Angaben bei Adjektiv, Nomen und Verb zu rechnen (Adjektivergänzung, -angabe, Nominalergänzung, -angabe, Verbergänzung, -angabe). Die hier getroffene Abgrenzung zwischen Ergänzung und Angabe ist nicht identisch mit der zwischen notwendigen und weglassbaren Gliedern. Notwendig ist dann jedes beliebige Element des Textes, wenn sein Fehlen verhindern würde, das Gemeinte adäquat auszudrücken. Umgekehrt ist im kommunikativen Sinne letzten Endes fast alles weglassbar, wenn die fehlenden Teile eines Satzes in der konkreten Situation ohne weiteres ergänzt werden können. So verstanden hat das Begriffspaar „notwendig – weglassbar“ mit dem Begriffspaar „Ergänzung – Angabe“ nichts gemein. Eine andere Dichotomie ist „obligatorisch – fakultativ“. Obligatorisch sind Elemente, deren Elimination zu grammatisch unkorrekten Sätzen führt, während sie bei fakultativen Gliedern ohne weiteres möglich ist. Hier gilt folgendes: Obligatorische Glieder sind immer Ergänzungen. Angaben sind immer fakultativ. Ob fakultative Glieder Angaben oder Ergänzungen sind, kann durch Feststellung ihres Regensbereichs entschieden werden (möglich bei jedem Element der Wortklasse = Angabe; möglich nur bei einem Teil, d.h. subklassenspezifisch = Ergänzung). Auf Grund dieser Erwägungen lässt sich auch der Begriff Satzglied neu definieren, und zwar als logische Summe von Verbergänzungen und Verbangaben. Dagegen sind Attribute Ergänzungen oder Angaben, die von nichtverbalen Wörtern abhängen. [Attribute = Ergänzungen + Angaben Satzglieder = Ergänzungen + Angaben auf Satzebene] Eine detaillierte Ausarbeitung des Dependenzprinzips und seine Anwendung auf die Darstellung der hierarchischen Struktur des Satzes sowie ihre lineare Abbildung präsentiert die „Syntax der deutschen Sprache“ von Hans-Werner Eroms (Berlin / New York : de Gruyter 2000). Sie behebt die bis dahin existierenden Mängel der dependentiellen Grammatik. Aus unseren bisherigen Ausführungen ergibt sich, dass sich die Dependenzgrammatiken ganz auf die Erfassung der hierarchischen Struktur des Satzes konzentrieren. Die lineare Anordnung in diesen Strukturen, die in den generativen Grammatiken eine primäre Rolle spielt, ist hier ein nachgeordnetes Problem. Die Grundidee ist dabei, dass im Satz Wörter bestimmter Wortarten Wörter anderer Wortarten regieren, oder anders formuliert: dass die Wörter im Satz so angeordnet sind, dass sich zwischen ihnen Verbindungslinien fassen lassen, die ihre Funktion steuern. Diese Linien – im Stemma als Kanten dargestellt – ermöglichen als wirkliche Verbindungsstränge (Konnexionen) überhaupt erst die Bezüge der Wörter aufeinander. Ihre materielle Entsprechung ist – zumindest teilweise – die über den Wörtern liegende Intonationskontur, denn die syntaktische Komponente der Intonation ist der die Wörter zusammenfassende Strang. Wenn das Verb den Satz organisiert, erscheint das Subjekt zunächst als ein „Mitspieler“ (Aktant) wie die anderen auch. Zwar gibt es im Deutschen auch subjektlose Konstruktionen wie „das unpersönliche Passiv“ (Dem Kranken kann geholfen werden.) sowie subjektlose Sätze (Mich friert. Mir ist kalt. Mich gruselt. Mich / mir graut vor dir. Mir schwindelt. Den Wanderer / Ihn schaudert.), doch sind die subjektenthaltenden Sätze der Normalfall. Dabei ist die Sonderstellung des Subjekts als unmarkiertes thematisches Element auch textuell wohlbegründet (vgl. Thema-Rhema-Gliederung). Sie kann auch dependentiell zum Ausdruck gebracht werden, wobei sie eine sinnvolle Erweiterung des Dependenzprinzips auf die morphematische Ebene ermöglicht. Wenn das Verb in den lexikalischen und den grammatischen Teil zerlegt wird, was in seinen periphrastischen Formen (= Perfekt-, Plusquamperfekt- und Futurformen sowie Modalverbstrukturen) tatsächlich geschieht, so bindet der lexikalische Teil die Ergänzungen in obliquen Kasus (= die engere Verbalphrase), das Finitheitsmorphem (= der Verbmorphemkomplex, der INFL-Phrasenkopf der GTG) ist die unmittelbare Anbindungsstelle für das Subjekt. hat / \ Eduard verkauft / \ Ottilie Auto \ sein Analog ist auch die Analyse der synthetischen Verbformen: Eduard verkauft Ottilie sein Auto. V V , [ -t ] [ INFL ] / [ verkauf- ] / [ LEX ] / \ \ / \ \ Eduard Ottilie sein Auto E[sub ]E[akk] E[dat ]… Diese Analyse wird auch dem Valenzbegriff besser gerecht: Versteht man die Valenz als subklassenspezifische Rektion, so ist das Subjekt – mit Ausnahme der angeführten subjektlosen Konstruktionen – nicht subklassenspezifisch, sondern sein Auftreten wird unmittelbar durch das Finitheitsmorphem bedingt (vgl. auch die Infinitivkonstruktionen). Die Subjektsbindung unterscheidet sich von den Bindungen anderer Ergänzungen. Da sich jedoch der Valenzbegriff partiell mit dem traditionellen Rektionsbegriff überschneidet, können auch Gesichtspunkte der Rektion für die Bestimmung der Köpfe herangezogen werden. Für die Verbalphrase sind folgende Kriterien relevant: 1. Morphologisches Kriterium: Der Kopf bestimmt die morphologische Form der abhängigen Glieder. Danach ist in der inneren Verbalphrase das Verb für die kasuelle Form des Substantivs verantwortlich. (Er liebt Bücher / * Büchern.) 2. Semantisches Kriterium: Das allgemeinste semantische Kriterium ist die Funktor(Prädikator)-Argument-Relation. Danach bestimmt bei verbalen Prädikaten dieses die Zahl der Leerstellen (= Stelligkeitstyp). 3. Syntaktisches Kriterium: Hier lässt sich das Subkategorisierungsprinzip heranziehen. Dasjenige Element, das das Verhalten anderer lexikalischer Klassen bestimmt, ist der Kopf. Danach bestimmt wiederum das Verb, was in den folgenden Sätzen stehen darf. Es regelt die Form der Stellenbesetzung. ( Er glaubt die Geschichte. / Er glaubt, dass er Recht hat. # Er kennt die Geschichte. / * Er kennt, dass er Recht hat.) In der äußeren Verbalphrase erfolgt hingegen die Kasuszuweisung ‚Nominativ’ an die E[sub ], (das Satzsubjekt) durch das INFL-Morphem des Finitums, die Kasus der inneren Verbal-phrase werden sodann durch die infiniten Formen zugewiesen. Insgesamt sind die Kasus-verhältnisse im Deutschen sehr komplex, es kann aber auch bei einem dependentiellen Ansatz der Akkusativ als unmarkierter Objektskasus betrachtet werden. Die Kasusregelung generell ist davon nicht betroffen, für die Ergänzungen im reinen Kasus erfolgt sie aus dem Verb. Präpositionale Ergänzungen verhalten sich anders, denn Präpositionen haben selber Kasusforderungen. So lässt sich bei präpositionalen Ergänzungen davon sprechen, dass das Verb die Präposition - analog einem reinen Kasus - regiert und ein Kasus dann intern aus der Präposition an das Nomen zugewiesen wird. Mit dem Valenzprinzip lassen sich die beiden verbalen Phrasen auch mit der Bindung der Angaben erweitern. Angaben, die sich auf die engere Verbalphrase beziehen, sind z.B. die Modalangaben, temporale Angaben beziehen sich auf die äußere: V[infl ] V[lex] / \ / \ E A[temp] E[akk] A[mod] hat / / \ / / \ / √ \ Eduard gestern verkauft / \ / √ Auto schnell / sein Anstelle von einwortigen adverbialen Angaben können auch Präpositional- oder Nominalphrasen stehen: vor der Kneipe, am Morgen, mit Vergnügen, den ganzen Tag. Weder die Setzung der Präposition, noch die Kasuszuweisung ist dabei durch das Verb bedingt. Die lockere Bindung von Präpositionalphrasen zeigt sich im unterschiedlichen syntaktischen Verhalten. Während sich z.B. eine Direktionalergänzung in der Wortstellung wie eine E[akk] verhält und nur in markierter Verwendung an die Satzspitze tritt, kann eine Lokalangabe unmarkiert an der Satzspitze vorkommen: Ich sehe einen Mann. (E[akk]) Die Maus läuft unter den Tisch. (E[dir]) Unter den Tisch läuft die Maus. Unter dem Tisch (A[lok]) läuft eine Maus. (Im Einzelnen kommen verschiedene Angabentypen vor.) Analog zu den Verbalphrasen verhalten sich: 1. Adjektivphrasen (AdjP) a) Prädikativ verwendete Adjektivphrasen sind Verben sehr ähnlich. ähnlich / √ Bruder außerordentlich / seinem b) attributiv verwendete Adjektivphrasen / / gewachsene ähnliche / / √ hoch ihm außerordentlich 2. Nominalphrasen (NP) Es sind zunächst Abstrakta und Konkreta zu unterscheiden. Bei Verbalabstrakta kann davon ausgegangen werden, dass sie ihre Valenz von den zugrunde liegenden Verben geerbt haben. Der Verkauf an Ottilie erfolgte rasch. Die Betreuung der Alten ist wichtig. Ob auch andere Abstrakta und auch Konkreta über notwendige Attribute (Adjunkte) verfügen, ist umstritten. Die Theorie der Geldwirtschaft ist kompliziert. Der Bruder seines Vaters ist schon sehr alt. Von den Adjunkten als Ergänzungsäquivalenten sind die eigentlichen Attribute abzuheben. Sie sind frei hinzufügbar sowie weglassbar, so dass sie in dieser Hinsicht den Angaben bei den Verben entsprechen. Etwaige Restriktionen dabei sind allenfalls semantisch motiviert. die sorgfältige, verantwortungsbewusste Betreuung der Alten der schnelle Verkauf der große Baum im Garten Im Prinzip ist die Dichotomie Ergänzung / Angabe, d.h. Valenzbindung und Valenz-unabhängigkeit bei den Nominalphrasen gut begründbar. 3. Präpositionalphrase (PP) Der Regensstatus von Präpositionen ist unbestritten. Sie binden eine Nominalphrase. vor nach über zwischen / / / / dem Haus Weihnachten meine Verhältnisse Ostern – und - Pfingsten Für die Bestimmung der Analogie zu anderen Phrasen ist es wichtig, dass auch Angabeäquivalente vorkommen: vor nach über ⁄ \ ⁄ \ ⁄ \ √ \ √ \ √ \ unmittelbar dem Haus kurz Weihnachten deutlich Verhältnisse / / meine Die Präpositionalphrase ist hier um ein spezifizierendes Adverb erweitert, das als Angabe zu dieser Phrase betrachtet werden kann. Dies ist eine viel einfachere Lösung, als wenn das Adverb wie in der konstitutionellen Darstellung als phrasenkonstituierend analysiert wird. Eine konstitutionelle Darstellung sieht im Vergleich mit einer dependentiellen wie folgt aus: PP Präp : \ / : \ kurz PP’ √ : \ : \ Adv : N nach NP : : : \ kurz nach Weihnachten N : Weihnachten 4. Subjunktionalphrasen (Nebensätze, CP) Subjunktionen eröffnen eine Leerstelle, die obligatorisch zu besetzen ist. Es gibt solche, die eine verbale Leerstelle besetzen, wie dass- und ob-Sätze, und solche, die in eine Angabeposition eintreten: dass / ob; … weil / obwohl / nachdem / bis / falls … er es verkauft hat Die Subjunktionen stehen obligatorisch linksperipher, während die von ihnen zunächst gebundene äußere Verbalphrase ihren Kopf rechtsperipher hat. C-Phrasen, [C bzw. COMP = complementizer = Nebensatzkonjunktion] Nebensätze, bilden Strukturen, die semantisch bis auf die fehlende Illokution vollständig sind. Auch die C(omplementizer) lassen A(ngabe)-Äquivalente zu, allerdings nur selten: C C √ \ √ \ gerade weil unmittelbar nachdem | | hat verkauft hat verkauft / \ / \ er es er es 5. Sätze In den herkömmlichen Dependenzgrammatiken [bei Tesnière angefangen, über Engel (1988, 1994), Tarvainen (1981), bis zu Weber (1992) und Heringer (1996)] wird vom Verb als dem hierarchisch am höchsten stehenden Wort ausgegangen. Dass das Verb den Hauptteil des Satzes organisiert, ist nicht zu bestreiten. Aber die hierarchischen Verhältnisse an der Satzspitze sind damit nicht ausreichend beschrieben. Deshalb will H.-W. Eroms [in Anlehnung an Jürgen Kunze: Abhängigkeitsgrammatik, Berlin 1975] nicht das Verb, sondern S an die Satzspitze stellen. (S. 92 ff.) Ein virtuelles Stemma, das kategoriale Symbole enthält, sieht für unseren Satz Er verkauft ihm sein altes Auto wie folgt aus: S ⁄ ⁄ : ⁄ : ⁄ : ⁄ : V \ : / : \ \ : / : \ \ : Pron : Pron N : : : : / / : : : : : / / : : : : : Pron[poss ]Adj : : : : : : : : : Er verkauft ihm sein altes Auto. Dabei steht ´S´ für einen realen Satz, also stets als ´S.´, ´S?´ oder ´S!´. Es ist das oberste Regens einer davon abhängigen Struktur. Die Entscheidung über die jeweilige Satzart fällt somit bereits an der Satzspitze. Unter Satzarten versteht man wie üblich vor allem die Differenzierung von Aussage-, Frage- und Aufforderungssätzen. Dies sind Formklassen, denen als Inhaltsseite die Satzmodi entsprechen. Davon zu unterscheiden sind wiederum die Sprechakte, die außer den Satzmodi auch auf den kommunikativen Konventionen beruhen. (Dazu vgl. Eroms 2000, S. 97 – 118.) Ein Beispiel nach Eroms (S. 100): Jetzt schenkt mir sicher einer noch ein Bier ein. Die Satzart ist die des Aussagesatzes, der als Vermutung ´verkleidet´ ist und als Aufforderung verstanden werden soll. Freilich ist diese Aufforderung ziemlich indirekt ausgedrückt. Die Sprechakte gehören in den Bereich der Pragmatik, die solche Konventionalisierungen beschreibt und erklärt. 4. Anhang: Die Wortstellung Der Begriff „Wortstellung“ Die traditionelle Grammatik spricht von „Wortstellung“ oder „Wortfolge“ (tschechisch: slovosled), versteht darunter aber eher das, was in Handbüchern und Grammatiken jetzt auch etwas genauer als „Satzgliedstellung“ bezeichnet wird. Dieser Terminus ist jedoch ebenfalls nicht völlig adäquat. Die Verhältnisse im Satz lassen sich nämlich folgendermaßen darstellen: Die einzelnen Satzelemente sind zumindest potentiell immer Wortgruppen (= Phrasen). Im Grenzfall können sie auch durch ein einzelnes Wort repräsentiert sein, z. B.: Eines Tages ¦ sollte ¦ der Brunnen ¦ obendrauf ¦ fest ¦ geschlossen werden. Zwischen diesen Satzelementen bestehen syntaktische Beziehungen, eine Art Hierarchie oder Rangordnung, die bereits in den Satzgliednamen ihren Ausdruck findet. Die Satzstruktur wird in den Grammatiken meistens durch grafische Darstellungen (Baumdiagramme, Stemmata [r Stammbaum, s Stemma]) abgebildet. Diese Darstellung erfolgt entweder nach dem Prinzip der Konstituenz oder der Dependenz. Konstituentenstruktur: (Der Brunnen eines Tages obendrauf fest geschlossen werden sollte) S / \ / \ NP VP / \ / \ \ / \ / \ \ Art N Adv Adv \ eVP ¦ ¦ ¦ ¦ / \ ¦ ¦ ¦ ¦ / \ ¦ ¦ ¦ ¦ / \ ¦ ¦ ¦ ¦ / \ ¦ ¦ ¦ ¦ eAdv VK ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ / \ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ / \ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ Vinf Vf ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ der Brunnen eines oben- fest geschlossen sollte Tages drauf werden Symbole: S: Satz NP: Nominalphrase VP: Verbalphrase Art: Artikel N: Nomen Adv: Adverbphrase eVP: enge Verbalphrase eAdv: enge Adverbphrase Vk: Verbalkomplex Vinf: infinites Verb Vf: finites Verb Anmerkung: Von der Konstituentenstruktur der Satzbasis geht z. B. die Darstellung der „Reihenfolgebeziehungen im Satz“ in den „Grundzügen einer deutschen Grammatik“ (HEIDOLPH, FLÄMIG, MOTSCH 1981, S. 702 ff.) aus. Danach unterscheidet sich die „Grundreihenfolge“ der Konstituenten von der Konstituentenstruktur nur durch die Zweitstellung des finiten Verbs. Die Stellung aller anderen Glieder in der Grundposition spiegelt im Prinzip den unterschiedlichen Grad ihrer syntaktischen Bindung zum Verb wider. Dependenzstruktur: Vf (sollte) ¦ Vinf (werden) ¦ Vpart II¦ (geschlossen) / / \ \ / Ѵ Ѵ Ѵ E (1< 2) At Al Am (der Brunnen) (eines (oben- (fest) Tages) drauf) Unser Passivsatz ist eine Umformung des Satzbauplans: E1(Subjekt) – V (Verb) – E2 (Akkusativobjekt) Der Satz ist außerdem „angereichert“ durch drei valenzunabhängige Angaben (Ѵ): E: Ergänzung (1, 2, 3, 4 = Nominativ, Akkusativ, Genitiv, Dativ) At: Temporalangabe Al: Lokalangabe Am: Modalangabe Anmerkung: Diese Notation benutzt in seiner „Deutschen Grammatik“ sowie in seinen Arbeiten zur Dependenzsyntax und zur Wortstellung z. B. Ulrich Engel. Nach seiner Auffassung geht es bei der Wortfolge um eine Abbildung der mehrdimensionalen hierarchischen Satzstruktur (bei Engel dargestellt als Dependenz) auf die eindimensionale lineare Abfolge der Satzelemente. Unter der Linearität verbirgt sich somit die mehrdimensionale Hierarchie im Satz, die durch die Anordnung seiner Stellungselemente ausgedrückt ist und in der Topologie beschrieben werden muss. Die Elemente der abstrakten Satzstruktur sind Satzglieder. Es sind Relationen zwischen den einzelnen Phrasen. Eine andere Ebene ist die der linearen Anordnung (topologische Struktur). Ihre Elemente werden als Stellungsglieder (topologische Einheiten) bezeichnet. Sie entsprechen in den meisten Fällen den Satzgliedern, sind mit diesen aber nicht völlig gleichzusetzen. Beispielsweise besteht ein diskontinuierliches Satzglied aus zwei Stellungseinheiten, z. B. das Prädikat: sollte ................................geschlossen werden Die Bestandteile des Prädikats sind einzeln oder auch zusammen permutierbar (verschiebbar) und daher als Stellungsglieder zu bewerten: Eines Tages obendrauf fest geschlossen werden sollte der Brunnen. Du hättest getötet werden können. → Getötet hättest du werden können. Auch bestimmte Attribute können aufgespalten und an verschiedenen Stellen im Satz platziert werden: Die Behörden leisten keine wirksame Hilfe an die Katastrophenopfer. → Wirksame Hilfe an die Katastrophenopfer leisten die Behörden keine. Aus praktischen Gründen werden die Satzgliednamen auch für die Stellungsglieder verwendet. Eigentlich sind aber z. B. ein pronominales und ein substantivisches Objekt zwei verschiedene Stellungsglieder, weil für beide zum Teil unterschiedliche Stellungsregeln gelten. Unter diesen Vorbehalten kann also die topologische Satzstruktur auch als Satzgliedstellung bezeichnet werden. Innerhalb der Wortgruppe gelten ebenfalls Regeln, nach denen sich die Anordnung der einzelnen Wörter richtet: warme wollene Socken → *wollene warme Socken Eigentlich müsste man den Terminus „Wortstellung“ für diesen Bereich reservieren, also für die Stellung der Wörter in der Wortgruppe. (Zur Abfolge der Elemente in der Nominalphrase vgl. ENGEL 1996^3, S. 632 ff.; EICHINGER 1991; SCHMIDT 1993) In der Fachliteratur wird jedoch diese Bezeichnung als Oberbegriff für die Stellungsverhältnisse auf beiden Ebenen gebraucht. Wir werden uns im Weiteren nur mit den Regeln auf der Satzebene beschäftigen. Zusammenfassend könnte man das bisher Gesagte folgendermaßen verdeutlichen: Sprachliche Einheit → Satz Satz (als Äußerung) Struktur → hierarchische Beziehungen lineare Anordnung grammatische Darstellung → Konstituenten- oder Dependenzstruktur (nach dem gewählten Grammatikmodell) topologische Struktur (entsprechend dem Modell formulierte Stellungsregeln). Elemente der Darstellung → Konstituenten / Satzglieder Stellungsglieder Wortstellungsprinzipien Die lineare Anordnung der Satzelemente ist das Ergebnis des Zusammenwirkens zahlreicher Faktoren. Einige dieser Faktoren sind mit den Mitteln der traditionellen Satzgrammatik nicht erfassbar. In der Fachliteratur unterscheidet man: 1) grammatische Faktoren 2) semantische und pragmatische Faktoren (kommunikative Faktoren) 3) rhythmische Faktoren u. a. Man nennt diese Faktoren auch Prinzipien Das grammatische Prinzip (zusammenfassend für morphologische, syntaktische und satzstrukturelle Faktoren) Die Stellung eines Elements – das besagt dieses Prinzip – hängt in hohem Maße ab: − von seinen morphologischen Eigenschaften (z. B.: reiner Kasus / Präpositionalkasus) − von seiner syntaktischen Funktion im Satz (dem Satzgliedwert: Subjekt / Objekt; Dativ-, Akkusativ-, Genitiv-, Präpositionalobjekt; Adverbialbestimmung: valenzbedingt / valenzunabhängig; adnominales / prädikatives Attribut) − von seiner Wortklassenzugehörigkeit (z. B.: Pronomen / Substantiv u. Ä.) Die Stellung einiger Satzglieder ist vorwiegend oder ausschließlich grammatisch motiviert (z. B.: Personalform des Verbs, Reihenfolge der infiniten Prädikatsteile, Abfolge der unbetonten Personalpronomina usw.). Auf dieser Voraussetzung basieren die Darstellungen der Wortfolge in ENGEL 1970 sowie seinen weiteren Arbeiten, ebenso HOBERG 1981 u. a. Im Prinzip handelt es sich um eine Art „Kastensyntax“, die durch zusätzliche Permutationen und Exklusionen ergänzt wird, welche wiederum z. T. auch semantisch und pragmatisch motiviert sein können. Semantische Faktoren übertreffen die grammatischen z. B. bei sog. „psychischen Verben“, bei denen das Dativobjekt dem Subjekt auch vorausgehen kann, wenn das Merkmal der „Agenshaftigkeit“ bzw. „Intentionalität“ dem Subjekt abgeht. (Vgl. LENERZ 1977) Wahrscheinlich spielt dabei das Prinzip „belebt vor unbelebt“ eine Rolle, denn die Belebtheit ist eine Voraussetzung für Intentionalität. Vgl. die Beispielsätze: Es scheint, dass meinem Vater die Aufführung gefallen hat. Es scheint, dass die Aufführung meinem Vater gefallen hat. Bei vorhandener Intentionalität ist die Umstellung nicht möglich: Ich glaube, dass die Tänzerin dem Kritiker gefallen wollte. *Ich glaube, dass dem Kritiker die Tänzerin gefallen wollte. Zu den semantischen Faktoren gehört auch das von Susumu KUNO (1976) formulierte Prinzip der Empathie: Einer der Partizipanten dient als eine Art Identifikationszentrum, von dem aus das Geschehen betrachtet wird. Dieses Element steht möglichst vor anderen Ergänzungen, und zwar auch unabhängig von seinem morphologischen Kasus (vgl. LÖTSCHER 1981): Beim Einzug geht der Quästor dem Rektor voran. Beim Einzug geht dem Rektor der Quästor voran. Beim Einzug geht der Rektor dem Quästor voran. Beim Einzug geht dem Quästor der Rektor voran. Als Mensch identifiziert man sich am ehesten mit einem menschlichen Wesen. Daher vermutet man bei Sätzen wie dem folgenden, dass er vielleicht aus einer Tierfabel stammt: Im Gebirge begegnete dem Hund sein Hirt. Dagegen: Im Gebirge begegnete dem Hirten sein Hund. Die semantischen Faktoren sind im Zusammenhang mit der Normalfolge der Ergänzungen im Mittelfeld zu behandeln. Die Reihenfolge der Aktanten wird im Prinzip durch die Semantik des Verbs gesteuert und im Rahmen zulässiger Abwandlungen nach Bedarf durch pragmatische Faktoren abgeändert. Pragmatische Faktoren (auch: textstrukturelles Prinzip) sind unter der terminologischen Bezeichnung „aktuelle Gliederung“, „Thema-Rhema-Folge“ oder „Theorie der funktionalen Satzperspektive“ eingehend untersucht und beschrieben worden (MATHESIUS 1929, BOOST 1955, FIRBAS 1958, FIRBAS 1992, BENEŠ 1964, BENEŠ 1967, EROMS 1986, Bibliographie: FIRBAS, GOLKOVÁ 1976). Leider bestehen hier in vielen Fragen erhebliche Meinungsverschiedenheiten, aber das Prinzip liegt wohl darin, dass den einzelnen Elementen einer konkreten Äußerung unterschiedliche kommunikative Gewichtung (Mitteilungswert, kommunikative Dynamik) zukommt. In der Theorie, wie sie von J. Firbas formuliert wurde, gliedert sich ein kommunikatives Feld – und ein solches ist ein Satz in seiner Funktion als Äußerung – in folgende Abschnitte: − eigentliches Thema (theme proper): Elemente mit dem niedrigsten Grad der kommunikativen Dynamik − Diathema: situative Elemente, temporale, lokale, kausale und sonstige Umstände (Kulissen) − eigentliche Transition (Übergang, transition proper): temporale und modale Komponenten des Geschehens − Transition: begriffliche Komponenten des Geschehens (Prozesse, Zustände , Eigenschaften) − rhematischer Teil mit dem Rhema-Gipfel (rheme proper): der wichtigste Bestandteil der jeweiligen Äußerung mit dem höchsten Grad der kommunikativen Dynamik, in der Regel auch prosodisch gekennzeichnet (Träger des Satzakzents) In folgenden Beispielsätzen sind alle Teile eines solchen kommunikativen Feldes realisiert: Eines Morgens kam die Kaisertochter in der frühen Sonne auf die Gartenterrasse. Sie setzte sich auf die Mauer und betrachtete die Straße, die noch kühl und einsam war und voll einer stillen Erwartung. (Werner Bergengruen: Der Apfel) Eigentliches Thema: sie, sich, die; Diathema: eines Morgens, die Kaisertochter, in der frühen Sonne; Eigentliche Transition: temporale und modale Morpheme der Verben kam, setzte, betrachtete, war; Transition: lexikalische Bedeutung dieser Verben, voll; Rhema: auf die Gartenterrasse, auf die Mauer, die Straße, einer stillen Erwartung. Daraus ist außerdem zu ersehen, dass in einem kommunikativen Feld nicht alle seine oben angeführten Komponenten realisiert werden müssen. So hat der erste Satz kein eigentliches Thema. Desgleichen können das Diathema oder die Transition fehlen: Er hatte ein ganz altes Gesicht. (fehlt Diathema) Die Uhr ist stehengeblieben. (fehlt Transition) In der Regel nicht weglassbar ist das eigentliche Rhema, derjenige Abschnitt des kommunikativen Feldes, der eigentlich der Anlass der gegebenen Äußerung war. Gliedfolge im deutschen Satz Die Gliedfolge im Satz (oder besser: in einer konkreten Äußerung) ist – wie aus dem bereits Gesagten ersichtlich – das Ergebnis des Zusammenwirkens aller angeführten und mitunter auch anderer Faktoren. Wenn wir das Deutsche mit dem Tschechischen vergleichen, so sind die Unterschiede verhältnismäßig leicht feststellbar. Im Deutschen spielen die grammatischen Faktoren eine viel größere Rolle als im Tschechischen. Im Tschechischen wird die kommunikative Absicht des Sprechers (Schreibers) meistens ganz unmittelbar durch die Position der Elemente signalisiert. Im Deutschen dagegen sind grammatikalisierte Stellungen mancher Elemente ein Hindernis für solche Unmittelbarkeit. Es wird zwar die kommunikative Absicht des Sprechers (das, was er sagen will) genauso effizient wie im Tschechischen an den Hörer vermittelt, in dieser Hinsicht sind die Sprachen natürlich „gleichwertig“, das Deutsche braucht aber zusätzliche Mittel. Vgl. ein Beispiel: Včera přišel domů pozdě. *Gestern kam er nach Hause spät. Gestern kam er spät nach Hause. Gestern ist er spät nach Hause gekommen. (= Včera přišel pozdě domů.) Als er gestern nach Hause kam, war es spät. ´Spät kam er gestern nach Hause. Es war ´spät, als er gestern nach Hause kam. ´Spät war es, als er gestern nach Hause kam. Nach Hause ist er gestern ´spät gekommen. Nach Hause ist er ´spät gekommen gestern. Man sieht, dass das Deutsche eine ganze Skala von Möglichkeiten hat, die Bedeutung pozdě / spät hervorzuheben, aber normalerweise würde dem tschechischen Satz (Včera přišel domů pozdě) der deutsche Satz Gestern ist er ´spät nach Hause gekommen entsprechen. D.h., dass ein Deutscher ihn wahrscheinlich in der gleichen Situation äußern würde, in der sich ein Tscheche für Včera přišel domů pozdě entscheidet. Das Tschechische signalisiert hier den Rhemagipfel sowohl durch die Position als auch (in der gesprochenen Sprache) durch prosodische Mittel. Das Deutsche bedient sich in diesem Fall nur der prosodischen Mittel (d.h. des Satzakzents). Es ist – das sei nur nebenbei bemerkt – eine Tendenz, die man z. B. beim Heranziehen des Englischen bestätigt finden würde: Die Grammatikalisierung der Wortstellung führt zur größeren Beweglichkeit im Bereich der intonatorischen Mittel (der Prosodie). (Nicht umsonst wird seitens der Ausländer am Tschechischen bemängelt, dass es eintönig klingt.) In diesem Zusammenhang muss man auch die grammatischen Mittel sehen wie etwa den Artikel, der zum Teil solche kommunikativen Inhalte vermittelt wie die Wortstellung im Tschechischen: Vorerwähntheit, Bekanntheit vs. Neuheit, Aktualität für den Gesprächspartner u.Ä. Dazu vielleicht noch eine Bemerkung: Es erhebt sich die Frage, durch welche Mittel das Deutsche die Stellungsfestigkeit des finiten Verbs kompensiert. Zu diesem Zweck bieten sich z. B. an: − die analytischen Tempusformen: der infinite Prädikatsteil ist etwas „beweglicher“ als das finite Verb: Ich habe gestern den Herrn gesprochen. Gesprochen habe ich den Herrn gestern. − Funktionsverbgefüge: In diesen verbonominalen Konstruktionen gilt für die Präpositionalphrase bzw. für das nominale Element im Prinzip das Gleiche wie für die infiniten Verbformen des Verbalkomplexes. Sie tragen die lexikalische Bedeutung und sind verhältnismäßig beweglich. Hingegen ist die Personalform stellungsgebunden und drückt vor allem grammatische Bedeutungen aus (Kategorien: Tempus, Modus, z.T. auch Person und Numerus, außerdem auch die Aktionsart): Sie lächelte mir zu. Sie warf mir nur ein Lächeln zu. Nur ein Lächeln warf sie mir zu. Das Gesetz ist noch nicht in Kraft getreten. In Kraft getreten ist das Gesetz noch nicht. Die Funktionsverbgefüge haben außerdem weitere wichtige Funktionen (Variieren der Aktionsart, stilistische Markierung u.a.), sie können aber auch in diesen Zusammenhang gestellt werden: Sie ermöglichen es, die Stellungsfestigkeit des deutschen Verbs teilweise zu kompensieren (HELBIG, BUSCHA 2005, S. 92 ff.). Stellungsglieder Als Stellungsglieder (topologische Einheiten) auf der Ebene des Satzes werden Elemente angesehen, die als Ganzes ihre Position ändern können oder beibehalten müssen. Operationell werden sie durch die sog. Verschiebeprobe (Umstellprobe, Permutation) ermittelt. Als ein Stellungselement gilt das, was selbständig im Vorfeld (d.h. vor dem finiten Verb im Hauptsatz) erscheinen kann, z.B.: Er hat gerade uns gewählt. Gewählt hat er gerade uns. Gerade uns hat er gewählt. *Gerade hat er uns gewählt. (Jedoch: Gerade hat er uns gewählt, als ihm die Sinnlosigkeit seines Handelns einfiel. gerade = eben) Die Stellungsglieder sind also: er, hat, gerade uns, gewählt. Das „diskontinuierliche Prädikat“ besteht dabei aus zwei Stellungselementen. Der Satz enthält somit drei Satzglieder (Subjekt, Prädikat, Akkusativobjekt) und vier Stellungsglieder (Subjekt, Verbum finitum, infiniten Prädikatsteil und Akkusativobjekt). Die Aufgabe der Topologie ist es, die Position und die Reihenfolge der Stellungsglieder im Satzfeld zu ermitteln und darzulegen. Aufgrund analoger Stellungseigenschaften lassen sich die Stellungseinheiten in folgenden Gruppen zusammenfassen: 1. Prädikat (Personalform + infinite Prädikatsteile = Verbalkomplex bzw. Verbalklammer) 2. Prädikatsergänzungen (Prädikative, Gefügenomina in FVG, valenzbedingte Adverbialia) 3. Subjekt und Objekte (einerseits: S, Oa, Od, andererseits: Og, Op) 4. Angaben (Situativa, Existimatoria [= Kommentaradverbialia], Modifikativa, Partikeln) 5. verschiebbare Attribute Anmerkung: FVG = Funktionsverbgefüge S = Subjekt, Oa = Akkusativobjekt, Od = Dativobjekt, Og = Genitivobjekt, Op = Präpositionalobjekt; Situativa = valenzunabhängige Adverbialbestimmungen: temporal, kausal, lokal, final; Existimatoria = Satzadverbialia, Modalwörter; Modifikativa = Modalangaben mit Verbbezug; Partikeln: Modal- bzw. Abtönungspartikeln. Jede dieser Gruppen enthält Elementklassen, die zum Teil gleiche, zum Teil aber auch abweichende Stellungseigenschaften aufweisen. Bevor wir diese beschreiben können, müssen wir zunächst die Grenzen abstecken, innerhalb derer sich die Elemente anordnen und bewegen. Die Grenzen werden von einem Teil dieser Elemente selbst markiert, die diese Funktion übernommen haben. Solche abstrakten Stellungsmuster nennen wir Stellungsfelder. Stellungsfelder Durch die diskontinuierliche Anordnung von zusammengehörenden Elementen entstehen Konstruktionen, die gewöhnlich als Verbalklammer (Hauptsatzrahmen) oder Subjunktionalklammer (Nebensatzrahmen) bezeichnet werden. Dabei bietet sich die Position der Personalform des Verbs als ein Fixpunkt im Satz an. Sie liefert den linken Klammerteil, der in einem Imperativsatz die einzige obligat zu realisierende Stelle des verbalen Einwortsatzes ist und somit die kürzeste Form eines vollständigen Satzes überhaupt (z. B.: Sprich!). Zusammen mit den infiniten Prädikatsteilen (Infinitiven, Partizipien, Verbzusätzen), die einen zweiten festen Punkt im Satzfeld markieren, bildet sie eine Bedeutungseinheit, die – in zwei Teile gespalten – die meisten nichtverbalen Elemente einschließt („umklammert“, „einrahmt“). Verbalklammer Er hat heute nicht so gut gearbeitet wie sonst. Vorfeld 1. Klammerteil Mittelfeld 2.Klammerteil Nachfeld ¦ ¦ ¦ ¦ ¦ |<--------------- Verbalklammer -----------˃| ¦ ¦<------------------------------------------Satzfeld----------------------------------------˃¦ Die Verbalklammer gliedert das ganze Satzfeld in drei Felder – Vorfeld, Mittelfeld, Nachfeld – wobei allerdings der zweite Klammerteil zusätzlich auch ein strukturiertes Feld (Schlussfeld) bildet. Das Vorfeld bleibt bei „Verb-Erst-Stellung“ (Entscheidungsfragen, uneingeleitete Konditional- und Konzessivsätze) unbesetzt. Subjunktionalklammer Er sagt, dass er heute nicht so gut gearbeitet hat wie sonst. − 0− 1. Klammerfeld Mittelfeld 2. Klammerfeld Nachfeld ¦ ¦ ¦<--------- Subjunktionalklammer --------˃¦ Die Subjunktionalklammer unterscheidet sich von der Verbalklammer in vielfacher Hinsicht, eine gewisse Parallelität ist jedoch unzweifelhaft vorhanden: Die beiden Pole (eigentlich Felder, denn sie können weitere Elemente aufnehmen) umspannen im Prinzip die gleichen Mittelfeldelemente wie die Bestandteile der Verbalklammer. Zusätzlich kann allerdings noch eine bedeutend größere Kompaktheit des Mittelfeldes festgestellt werden, weil in dieser Konstruktion auch das in anderen Satztypen im Vorfeld auftretende Element hier im Mittelfeld steht und weil die – vor allem kommunikativ bedingte – Nachfeldbesetzung (= Ausklammerung) im Nebensatz eine deutlich geringere Häufigkeit aufweist. All das lässt die Subjunktionalklammer als „besonders fest“ erscheinen. Der auffälligste Unterschied liegt darin, dass die meisten Ausprägungen der Verbalklammer eigentlich analytische Wortformen in Distanzstellung sind (Tempus- und Passivformen oder Wortgruppenlexeme, d. h. in semantischer Hinsicht nur „ein einziges Wort“). Hingegen sind die beiden Bestandteile der Subjunktionalklammer selbständige Wörter, die in Bezug auf ihre Stellung gewisse Regelmäßigkeiten aufweisen, wenn sie zusammen auftreten. Sie gehören aber nicht in gleicher Weise zueinander wie die analytischen Wortteile eines Verbs, und daher hat hier ihre Bezeichnung als Klammer einen anderen begrifflichen Inhalt. Außerdem ist das Vorfeld überhaupt nicht vorhanden. (Anders die Duden-Grammatik, 2005, die für die Relativsätze das Relativum als Vorfeld und das 1. Klammerfeld als leer betrachtet; vgl. § 1345 ff., S. 877 f. Nach unserer Meinung stellt das Relativum eine Art Verschmelzung von Subjunktion und „Satzgliedschaft“ in einem Wort dar, es gehört also gewissermaßen in beide Positionen.) Das 1. Klammerfeld kann unter Umständen auch intraponierte Infinitivkonstruktionen aufnehmen: Es war schon klar, dass ausgerechnet Hans um Hilfe bitten zu müssen Christine eigentlich vermeiden wollte. ... ein Umstand, den zu berücksichtigen er immer wieder vergisst. Es handelt sich um eine Art „Topikalisierung“ innerhalb des Nebensatzes. Die funktional-kommunikative Motivation für dieses Verfahren besteht darin, dass dem Hörer/Leser unbekannte Inhalte an einer Stelle im Satz präsentiert werden, wo usuell Bekanntes zu erwarten ist – im Hauptsatz ist es das Vorfeld, im Nebensatz die Intraposition im 1. Klammerfeld. Dadurch entsteht ein Widerspruch zwischen informationellem Wert und kommunikativer Gewichtung solcher Elemente – sie werden „kommunikativ unterbewertet“ (= thematisiert). Außerdem zieht in bestimmten Nebensatztypen, vor allem in Konzessiv- und Proportionalsätzen, die Subjunktion Prädikative sowie Modal- oder Maßangaben u. dgl. an den Satzanfang, d. h. ins 1. Klammerfeld: So müde er war, so vermochte er doch noch stundenlang zu diskutieren. Wie schnell sie auch fuhr, der andere war noch schneller. Je schneller sie wurde, umso lauter ertönten die anfeuernden Rufe von der Tribüne. Dies alles unterscheidet das 1. Klammerfeld der Subjunktionalklammer von dem 1. Klammerteil der Verbalklammer, wo lediglich das finite Verb steht. Hingegen ist die Reihenfolge der infiniten Prädikatsteile in der Verbalklammer mit derjenigen der Subjunktionalklammer völlig identisch. Allerdings enthält das 2. Klammerfeld der letzteren zusätzlich das finite Verb, welches dem Verbalkomplex folgt – was viel häufiger der Fall ist – oder – in bestimmten Konstruktionen mit Modal- bzw. Wahrnehmungsverben – auch vorausgeht. Die Gliederung des 2. Klammerfeldes zeigt die Tabelle: Also nach Ihrer Meinung hätte das Kind sich lieber sollen zu Tode foltern lassen. (J. Wassermann) Ohne die gespannte Einbildungskraft, ... würde sie diesen Anblick nimmer haben ertragen können. (J. M. R. Lenz) sollen → zu Tode ← foltern ← lassen haben → − 0 − ertragen ← können verbaler Bereich nominaler Bereich verbaler Bereich | <------ Oberfeld ----------------˃|<------------------------------Unterfeld ----------------------------˃| |<----------------------------------------------2. Klammerfeld --------------------------------------------˃| In der Gegenwartssprache wird allerdings das Oberfeld in der Verbalklammer kaum noch realisiert. Den Anfang des 2. Klammerfeldes bildet das nominale Glied bzw. das Hauptverb, sodass das 2. Klammerfeld nur aus dem Unterfeld besteht, wobei die Grenze zum Mittelfeld dadurch etwas verwischt wird. Den Satz von J. Wassermann würden die meisten Muttersprachler heutzutage wohl folgendermaßen formulieren: Also nach Ihrer Meinung hätte das Kind sich lieber zu Tode foltern lassen sollen. Die Abfolge der Elemente entspricht dann genau der Ausrichtung des Dependenzastes (zu Tode ← foltern ← lassen ← sollen) von rechts nach links. Die Reihenfolge der Prädikatsteile in der Subjunktionalklammer ist die gleiche. Meistens steht hier die Personalform am Ende des Verbalkomplexes, in der Kombination mit dem (Ersatz-) Infinitiv eines Modalverbs oder eines Wahrnehmungsverbs (sehen, hören, fühlen) und z. T. auch mit einigen anderen Verben (lassen, helfen, heißen) am Anfang (im Oberfeld): Sie war überzeugt, dass das Buch von ihm irgendwo liegen gelassen worden sein muss. Wir sind glücklich, dass du uns hast das Spiel gewinnen helfen. Es interessiert mich, ob er endlich wird lesen gelernt haben. − 0 − irgendwo ( Mf. III ?) liegen gelassen worden sein muss hast das Spiel gewinnen helfen wird − 0 − lesen gelernt haben verbaler Bereich nominaler Bereich verbaler Bereich |<-----------Oberfeld------------˃|<-------------------------------Unterfeld----------------------- -------˃| |<--------------------------------------------2. Klammerfeld-----------------------------------------------˃| Der Dependenzast ist hier im zweiten und dritten Satz gebrochen (irgendwo ← liegen ← gelassen ←worden ← sein ← muss; hingegen: das Spiel ← gewinnen ← helfen ← hast ˃ hast → ... das Spiel ← gewinnen ← helfen; genauso: lesen ← gelernt ← haben ← wird ˃ wird → ... lesen ← gelernt ← haben). In den regional gefärbten Umgangssprachen gibt es in der Anordnung der Prädikatsteile noch immer beträchtliche Schwankungen, die zum Teil als Nachahmung der natürlichen Redeweise auch in die Literatursprache Eingang gefunden haben. So herrscht im Süddeutschen (genauer: im Bairisch-Österreichischen) die sog. „Zwischenstellung“ des finiten Verbs. Die Personalform befindet sich in dieser Abfolge an der vorletzten Stelle im Unterfeld, meistens also „zwischen“ dem Hauptverb und dem Ersatzinfinitiv des Modalverbs. Diesen Unterricht hat immer der Hilfslehrer halten müssen, weil unser alter Hauptlehrer Männer, der wo schon lang einen Magenkrebs gehabt hat, auch einmal eine Sonntagsruhe haben hat müssen. (O. M. Graf) ... soviel Geld..., daß ich mich davon drei Tage über Wasser halten hatte können. (Th. Bernhard) In der Literatursprache begegnet bei einigen Schriftstellern die sog. „afinite Konstruktion“, eine Variante des höheren Stils, die jedoch aus der modernen Literatur bereits wieder verschwunden ist. Die Reihenfolge der infiniten Prädikatsteile bleibt unverändert, die finite Verbform wird weggelassen, wobei die grammatischen Morpheme (Person, Numerus, Tempus, Modus, Genus verbi) vom Leser aus dem kontextuellen Zusammenhang ergänzt werden. Aber dann, nachdem er sich eingeschifft, hatte er, wie als Knabe zuweilen mit seinem Vater, dem Verladen der Waren zugesehen. (Th. Mann) Eigentlich müsste es heißen: eingeschifft (← gehabt ← hatte). Die Konstruktion würde an dieser Stelle umständlich und unbeholfen wirken, zumal ein zweites hatte folgt. Wenn man von den oben dargestellten Unterschieden der beiden Klammertypen absieht, können sie als Satzklammer zusammengefasst werden. Ihre Gleichartigkeit wird übrigens auch in der Fachliteratur meistens stillschweigend vorausgesetzt. Zum Verbalkomplex vgl. vor allem BECH 1983, weiter: ENGEL 1994, S. 183 ff., ENGEL 1996, S. 304 ff., HOBERG 1997, S. 1500 ff., ZIFONUN et al. 1997, S. 1285 ff., DUDEN-Gr. 2005, S. 432 ff. und S. 874 ff., FLÄMIG 1991, S. 219 ff., ZEMAN 2002, S. 70 ff. Das Mittelfeld Das Mittelfeld (= Hauptfeld) muss sinnvollerweise in drei Abschnitte gegliedert werden. Wir bezeichnen sie hier als Mf. I, Mf. II, und Mf. III. {1. Kl.} Mf. I Mf. II Mf. III {2. Kl.} |<------------------------Mittelfeld---------------------------------˃| Das Mittelfeld I wird in der Fachliteratur auch nach dem Schweizer Indogermanisten Jacob Wackernagel als Wackernagel-Position bezeichnet. Darin befinden sich die unbetonten Personalpronomina und das Indefinitpronomen man sowie das Reflexivpronomen sich in streng geregelter Abfolge: Nominativ – Akkusativ – Dativ / Genitiv Was wollt ihr mir geben, wenn ich ihn euch ausliefere? Herr, allmächtiger Gott, erbarme dich unser! Die Anordnung ist auch für pronominalisierte Ergänzungen verbindlich, für die vielfach eine andere Normalfolge gilt, wenn sie als Nominalphrasen auftreten: Ich sah, wie dem Kind die Vase zerbrach. → Ich sah, wie sie ihm zerbrach. Weitere Ergänzungen, die pronominalisiert und somit ins Mf. I verschoben werden, sind das Prädikativ: Darum ist er es bis an sein Lebensende geblieben. sowie das doppelte Akkusativobjekt bei Verben wie lehren, kosten, abfragen. Hier steht der Akkusativ der Sache vor dem Akkusativ der Person: Er hat es mich so gelehrt. Lediglich in enklitischer Stellung kann der pronominale Dativ dem Pronomen es (als ´s) vorausgehen: Daran hab ich mir´s gemerkt. Vor den pronominalen Objekten kann allerdings auch das substantivische (diathematische) Subjekt (= ein Substantiv mit dem bestimmten Artikel oder dem Possessivpronomen bzw. ein Eigenname) stehen. Die pronominalen Elemente sind thematisch. ... weil die Oma ihn ihr vorstellte. Eine detaillierte Beschreibung der Reihenfolge aller Pronomina und deren Kombinationen mit Nominalphrasen liefert HOFMANN 1994. Das Mittelfeld II enthält definite kasuale Ergänzungen (Demonstrativpronomina, Nominalphrasen mit dem bestimmten Artikel oder dem Possessivpronomen, Eigennamen), außerdem situative und existimatorische Angaben (= Kommentaradverbialia) sowie Abtönungspartikeln. Diese bilden die Grenze zwischen den beiden Abschnitten Mf. I und Mf. II, können jedoch auch hinter einzelne sowie sämtliche definiten Ergänzungen treten, sodass sie genau diesen Bereich des Satzes „frequentieren“ und ausgrenzen: Frau Neumann hat doch gestern ihrer Tochter das versprochene Fahrrad geschenkt. Frau Neumann hat gestern ihrer Tochter doch das versprochene Fahrrad geschenkt. Frau Neumann hat gestern ihrer Tochter das versprochene Fahrrad doch geschenkt. In diesem Teil des Mittelfeldes herrscht scheinbar die größte „Stellungsfreiheit“ und daher bereitet hier die Festlegung einer intuitiv plausiblen „Normalfolge“ naturgemäß beträchtliche Schwierigkeiten. Dabei ist allerdings unter Stellungsfreiheit nicht Beliebigkeit zu verstehen, sondern nur die Tatsache, dass die Wirkung morphosyntaktischer Regularitäten – besonders in Bezug auf die Abfolge der Angaben –vielfach zugunsten kommunikativer Motivation zurücktritt: die Anordnung wird unmittelbar durch Inhaltliches beeinflusst. Die Reihenfolge der kasualen Ergänzungen ist zunächst an dem entsprechenden „topologischen Satzbauplan“ – der Grundfolge – orientiert. Diese regelt sich nach dem Grad der syntaktischen Bindung an das Verb und ist dem Muttersprachler mehr oder weniger unbewusst geläufig: Es ist dies ein Zusammenspiel der Verbbedeutung mit den semantischen Rollen, die seinen Ergänzungen entsprechen. Die Normalfolge der Kasus ist bei den sog. „prototypischen transitiven Verben“ (Transaktionsverben: Verben des Gebens, Nehmens, Mitteilens): Nominativ – Dativ – Akkusativ Ich habe dem Kassierer das Geld gegeben. Die Abfolge ist nicht nur rein statistisch, sondern auch systeminhärent von besonderer Wichtigkeit. Sie wird daher in vielen Darstellungen zur Normalfolge der definiten Ergänzungen im Mittelfeld schlechthin erklärt. Bei anderen Verbklassen steht das Dativobjekt nach dem Akkusativobjekt (z. B.: Man muss seine eigenen Interessen dem Wohl der Allgemeinheit unterordnen.). Die „psychischen Verben“ lassen häufig das belebte Dativobjekt dem unbelebten Subjekt vorausgehen (Es scheint, dass meinem Vater die Aufführung gefallen hat.) Die zweite Gruppe der Elemente, die zum großen Teil im Mf. II vorkommen, sind „valenzunabhängige Angaben“ (= Supplemente). Unter dieser Bezeichnung werden zusammengefasst: 1) Abtönungspartikeln, die – was ihre Stellung betrifft – auf diesen Bereich beschränkt sind (eben, halt, ja, wohl ... u. a.). 2) Situative Angaben (= „traditionelle“ Temporal-, Kausal- und Lokalbestimmungen, mit ihren topologisch relevanten Untergruppen); sie sind meistens diathematisch („Kulissen“), können aber u.U. in den rhematischen Bereich hinüberwechseln. 3) Existimatorische Angaben (Satzadverbialia, Kommentaradverbialia, Modalwörter: leider, bedauerlicherweise. vielleicht, zweifelsohne, sicherlich ... u. a.); bei ihrer möglichen Kumulierung gelten bestimmte Regularitäten : zusätzlich modifizierend – assertiv verstärkend – negativ: (leider – wirklich – nicht), auf die hier nicht näher eingegangen werden kann. Sie bilden die Grenze zwischen dem thematischen und rhematischen Bereich, jedenfalls stehen sie vor der eventuell vorkommenden Negation. 4) Modifikative Angaben (Qualitativsupplemente = adjektivische Modalbestimmungen mit Verbbezug), prädikative Attribute mit Subjekt- bzw. Objektbezug, Komitativ- und Instrumentalangaben (Begleitpersonen und -umstände sowie Mittel und Werkzeuge), Restriktivangaben (finanziell, praktisch ... u. a.); die Untergruppen sind auch topologisch relevant und gehören in aller Regel dem rhematischen Bereich an (d. h.: Mf. III). Die Reihenfolge der Großklassen ist wie folgt: Abtönungspartikeln – Existimatoria –Negationspartikel – Modifikativa i.e.S. Sie ist obligatorisch und duldet kaum Ausnahmen. Hingegen sind komitative und instrumentale Angaben etwas beweglicher, sowohl in Bezug auf die angeführten Großklassen als auch auf die Situativa. Auch prädikative Attribute und Situativa können ihre Stellen vertauschen: Sie fliegt nächste Woche / mit ihrem Mann in die USA. Er ist gut erholt / vor drei Tagen aus dem Urlaub zurückgekommen. Die traditionelle Grammatik beschreibt vor allem die Anordnung der Situativa, wobei die Darstellungen ihrer Reihenfolge in einzelnen Handbüchern nicht immer untereinander völlig übereinstimmen. Dies ist durchaus nicht überraschend, denn die Abfolge der einzelnen Klassen und Subklassen ist fast ausschließlich durch kommunikative Faktoren motiviert und außerdem werden in einem Satz meistens nur zwei oder höchstens drei Angaben platziert. Obendrein stehen Situativa häufig auch im Vorfeld, sodass ihre „Normalfolge“ schwer zu ermitteln ist. Vielleicht könnte man diese bei folgender Anordnung annehmen: temporal – kausal – lokal – komitativ – final – modifikativ Ein Beispielsatz dafür ist natürlich nicht belegbar, er lässt sich aber konstruieren: Ich habe gehört, dass Peter gestern wegen seiner Erkältung in der Sauna / zusammen mit seinem Freund zwecks baldiger Genesung ordentlich geschwitzt habe. Die Informationsüberfrachtung macht solche Sätze schwer verständlich und daher kommen sie überhaupt nicht vor. In unserem Satz könnte übrigens die Stellung der Komitativangabe mit der Stellung der Lokalangabe leicht vertauscht werden. Auch die einzelnen Subklassen sind stellungsrelevant, also etwa punktuelle, durative und iterative Zeitangaben, die obendrein kumulierbar sind, z. B.: Der Kirchenchor singt in der Passionszeit wieder die Matthäus-Passion. Stellungsbestimmend ist dabei nicht die Zugehörigkeit zu der semantischen Klasse, sondern der jeweilige (engere oder weitere) Skopus (= Bezugsbereich) des adverbialen Elements, vgl.: Der Kirchenchor wird die Matthäus-Passion wieder in der Passionszeit singen. Für eingehende Beschreibungen muss auf die Fachliteratur verwiesen werden: Stellung und Kumulation von Abtönungspartikeln : THURMAIR 1989; Stellungsrelevante Klassifikation der Adverbialia: PITTNER 1999; weiter: ENGEL 1994, ENGEL 1996, HOBERG 1997, ZEMAN 2002. Das Mittelfeld III wird von indefiniten Pronomina, Nominalphrasen mit dem unbestimmten Artikel, einigen Angaben (z. B.: Modifikativa) sowie Genitiv- und Präpositionalphrasen besetzt. Die Reihenfolge der kasualen Ergänzungen ist die gleiche wie im Mf. II. (Nominativ – Dativ – Akkusativ). Unter den Bedingungen der Normalfolge befindet sich im Mf. III das durch den Satzakzent gekennzeichnete Rhema des Satzes. Sollte man die Abfolge auch der übrigen Elemente im Mf. III angeben, so würde sie –von links nach rechts – folgendermaßen aussehen: Modifikativ – Genitiv / Präpositiv – Adverbialergänzung / Prädikativ / feste Prädikatsergänzung (= Gefügenomen) Das Zeichen / bedeutet hier, dass sich diese Elemente gegenseitig ausschließen. ... und Thomas wandte sich um und trat ans Fenster, wo die Sonne nach vielen Tagen wieder rot über dem Walde stand. Smith erklärte, daß der Reichtum der Nation nicht in Geld, sondern in der nützlichen Arbeit liege. Friede in jener Fülle, die wir ihm wünschen, wird nur im Himmel sein. So dauerte es dann auch geraume Zeit, bevor unsere Jungen den Faden fanden. Alle Prädikatsergänzungen können auch als Elemente des rechten Klammerfeldes betrachtet werden, wenn das Oberfeld realisiert ist. Dies ist aber sehr selten der Fall, sodass diese Glieder in den topologischen Beschreibungen meistens als zum rechten Rand des Mittelfeldes gehörig betrachtet werden. Die Abfolge sämtlicher Elemente des ganzen Mittelfeldes ergibt sich also primär aus der internen Folge in dem jeweiligen Mf.-Abschnitt. Bei der Kumulation verschiedener Elemente entscheidet die Zugehörigkeit zu den betreffenden Abschnitten Mf. I, Mf. II und Mf. III über ihre Reihenfolge. Des Weiteren kann man ganz allgemein für die „Normalfolge“ die Regel formulieren: Die Ergänzungen ordnen sich von rechts nach links entsprechend ihrer „syntaktischen Bindung“ an das Verb. Diese wiederum ist durch die Bedeutung des Verbs motiviert, wobei hier unter anderem auch das Belebtheitsprinzip zur Geltung kommt. Die Angaben reihen sich von links nach rechts entsprechend ihrem „Skopus“ (= Geltungsbereich: „links gilt für rechts“). Außerdem nimmt von links nach rechts die kommunikative Gewichtung der einzelnen Elemente zu. Die Änderungen der Reihenfolge bewirken eine andere Perspektivierung des Satzinhalts und zugleich eine stärkere Kontextabhängigkeit, d. h. der Satz ist in einer kleineren Anzahl von Kontexten einsetzbar. Das Vorfeld Das Vorfeld, das dem 1. Klammerfeld vorausgeht, hat entweder die Funktion, den Anschluss an den vorhergehenden Text herzustellen oder den Satz in der Situation zu verankern. Daher enthält es in aller Regel ein thematisches oder diathematisches Glied (pronominales Subjekt, nominales Subjekt mit dem bestimmten Artikel, Situativa, Existimatoria, auch Restriktivangaben). Das einzige Element, das nur im Vorfeld vorkommt, ist der Platzhalter es. Die Regel, dass im Vorfeld nur ein einziges Satzglied stehen darf, gilt nicht so strikt, wie sie die Grammatiken postulieren, jedenfalls nicht in der Umgangssprache, vgl.: Nachts auf der Autobahn erzählen dir die Leute einfach alles ... (B. Reimann) Außerdem kann das Vorfeld durch Reihungen und Attribuierungen beträchtlich anschwellen. Eine ausführliche Beschreibung der Topologie des Vorfelds ist in HOBERG 1997, S. 1576 ff. enthalten, außerdem: ENGEL 1996, S. 310 – 316. Das Nachfeld Das Nachfeld hat entweder die Funktion einer beiläufigen Hinzufügung (= leichter Nachtrag) oder die einer nachdrücklichen Hervorhebung, also im Grunde zwei völlig gegensätzliche Funktionen. Die Besetzung des Nachfeldes ist mit Ausnahme von einigen Nebensatztypen, die nicht innerhalb der Satzklammer stehen können, im Prinzip fakultativ und stilistisch bedingt. In der Gegenwartssprache sind nur Präpositional- und Konjunktionalphrasen (Vergleiche mit wie und als), in der gesprochenen Sprache auch Adverbien nachfeldfähig. Keiner hat mehr gerechnet mit dieser Entwicklung. Wir schicken unsere Kinder in die Schule, damit sie so widerwärtig werden wie die Erwachsenen, denen wir tagtäglich auf der Straße begegnen. (Th. Bernhard) Sie kommt bald zurück hoffentlich. Nominalphrasen können im Unterschied zu älterem Sprachzustand nur in stilistisch gewählter und / oder poetischer Ausdrucksweise ausgeklammert werden: Zum Gespött bin ich geworden den ganzen Tag / ein jeder verhöhnt mich. (Jeremia, 20, 7) Zur Topologie des Nachfelds: HOBERG 1997, S.1664 ff., ENGEL 1996, S. 316 – 318. Für die Textanalyse brauchen wir ein detaillierteres Stellungsfelder-Schema als das bereits diskutierte. Anhand der Fachliteratur können wir ein solches Schema aufstellen, indem wir das Satzfelder-Schema zu einem Äußerungsfeld erweitern: Das linke Außenfeld: [(Konjunktionalfeld) – (Vorvorfeld) – (Linksversetzung)] Das Satzfeld: [(Vorfeld) {1. Klammerteil} (Mittelfeld) {2. Klammerfeld}(Nachfeld)] Das rechte Außenfeld: [Rechtsversetzung] Das Vorfeld und das Nachfeld werden auch zum Außenfeld gerechnet. In dem äußersten Bereich, der mit der folgenden Äußerung zwar in inhaltlichem Zusammenhang steht, syntaktisch jedoch völlig selbständig erscheint, befinden sich sog. Satzäquivalente, d. h. Interjektionen und Antwortpartikeln (= Responsive). Ihnen kann der Vokativ (= Anredeform) folgen: Hallo, Vera, wie geht es dir? Ach, geben Sie schon einen her, sagte Franziska. (B. Reimann) Siehst du den Boden, Thomas? Ja, Kind, es wäre wohl nicht gut, wenn man mit fünfzig Jahren nur sein Spiegelbild sähe. (E. Wiechert) Im Folgenden bringen wir lediglich jeweils einige Beispiele und eine knappe Erklärung. Das Konjunktionalfeld wird durch sog. „echte koordinierende Konjunktionen“ (und, oder, sondern ...) besetzt. Diese stehen zwischen den Ausdrücken, die sie verbinden, und üben auf die Wortstellung des folgenden Satzes keinen Einfluss aus. In viele Arbeiten zu diesem Thema werden sie gar nicht berücksichtigt. Das Vorvorfeld enthält Ausdrücke wie übrigens, tatsächlich, dennoch, bestimmte wenn- und obwohl-Sätze usw. Ch. Thim-Mabrey (1986) bezeichnet sie als Parakonjunktionen. Sie weisen die intonatorischen Eigenschaften elliptischer metakommunikativer Hypersätze auf. Übrigens, mit Gesellschaft hat Liebe immer etwas zu tun. Wenn Sie sich erinnern, das Buch erschien im Jahre 1982. Als Linksversetzung oder Herausstellung nach links (Prolepsis) wird ein Element bezeichnet, dem im Vorfeld ein weiteres Bezugselement entspricht: Die Jugend, die war nicht so rosig zu der Zeit. Die Rechtsversetzung bzw. Herausstellung nach rechts (Epiphrase) unterscheidet sich von der Nachfeldstellung dadurch, dass im Mittelfeld ein koreferentes Glied vorhanden ist. Die beiden Positionen können in einem Satz realisiert sein. Sie schließen sich gegeseitig nicht aus. Vgl.: Und wie lange hat sie gedauert dann, die Seuche? Literatur: ALTMANN 1981, PATOCKA 1991, ENGEL 1996, S.318 ff., HOBERG, 1997, S. 1498 – 1690. Eine knappe Übersicht der Stellungsmöglichkeiten einzelner Elementklassen wird in ZEMAN 2002, S. 390 ff. gegeben. 5. Studienliteratur zur Einführung in die syntaktische Analyse Hans ALTMANN, Suzan HAHNEMANN: Syntax fürs Examen. Studien- und Arbeitsbuch. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage April 2005; VS Verlag für Sozialwissenschaften / GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2005 Hans ALTMANN, Ute HOFMANN: Topologie fürs Examen. Verbstellung, Klammerstruktur, Stellungsfelder, Satzglied- und Wortstellung. (In: Linguistik fürs Examen. Hrsg. von H. Altmann, Bd. 4) 2., überarbeitete und ergänzte Auflage. (1. Aufl. 2004, Opladen: Westdeutscher Verlag) Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2008 Rolf Bergmann, Peter Pauly, Stefanie Stricker: Einführung in die deutsche Sprachwissenschaft. 4. überarbeitete und erweiterte Auflage. Heidelberg 2005 Christa DÜRSCHEID: Syntax. Grundlagen und Theorien. (Studienbücher zur Linguistik, Bd. 3; hrsg. von Peter Schlobinski) 3., unveränderte Aufl. Januar 2005; Westdeutscher Verlag GmbH, Wiesbaden Oliver JUNGEN, Horst LOHNSTEIN: Einführung in die Grammatiktheorie. 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