C A F É Eine Zeit lang beobachtete ich die herumsitzenden Leute, die vertieft in ihre Gespräche oder lesend am Tische des Cafés 'Spolek` saßen. Ich mochte diese Atmosphäre und lauschend erinnerte ich mich an die langen Abende, die ich hier mit Andrea verbrachte. Ich erwartete sie ungeduldig. Wir waren zwar stets in Verbindung, aber es ist überhaupt nicht dasselbe, ob man Mails schreibt oder ob man miteinander plaudert. Eigentlich war ich ein bisschen nervös, ob wir uns auch weiter so gut verstehen würden, wie vorher. Damals half Andrea, noch als Germanistikstudentin, während des Sommerkurses 'Tschechisch für Ausländer` alle begleitenden Ausflüge, Sport- und Tanzveranstaltungen zu organisieren. Sie gehört zu den Menschen, die immer munter und gut gelaunt sind, für die es keine Probleme gibt und die man sogar aufsuchen konnte, um diese zu lösen. Es versteht sich von selbst, dass sie an der Uni zu den besten Studenten gehörte und danach als eine seltene Ausnahme von vielen Firmen gelockt worden war, um gerade bei diesen eine Stelle anzunehmen. Sie besaß ein hervorragendes Gedächtnis, was auch manchmal unangenehm erschien, weil man überhaupt nichts im Gespräch verwechseln konnte, weil sie einen sofort darauf aufmerksam machte, wie es in Wirklichkeit gewesen war. Ich hatte noch ein paar unangenehme Erinnerungen an Abende, an denen zu viel gefeiert wurde, man die Hemmungen verlor und einfach zu viel sprach. Andrea amüsierte sich köstlich, wenn sie sogar ihre eigene Freundin an solche Peinlichkeiten erinnern konnte. Und plötzlich stand sie da. Ein buntes Sommerkleid an und ihre wilden blonden Haare zu einem Zopf geflochten. Man konnte nicht sagen, dass Andrea ein Top-Modell-Look hatte, aber ihr Gesicht und ihre Bewegungen strahlten etwas aus, dass sie anziehend und interessant machte. "Na, wie immer bist du zu früh!", sprach sie mich an und umarmte mich. "Wenn ich schon von Anfang an streiten wollte, würde ich etwas Böses erwidern!", entgegnete ich. Wir sprachen von tausend Sachen, die selbstverständlich nicht für die Allgemeinheit bestimmt sind, und ich erzählte Andrea auch von dem traurigen Geschehnis, das sich an der Fakultät abgespielt hatte. "Ich wusste, dass Herr Vojtìch herzkrank war, aber dass es so ein schnelles Ende nehmen würde, hätte ich nicht gedacht", erwiderte Andrea halblaut. Sie war immer so neugierig! Sie hätte bestimmt hören wollen, wie die Leiche gefunden war. Ja, nächstes Mal sollten mit mir auch ->DER NACHTWÄCHTER UND DIE PFÖRTNERIN mitgehen... "Herrn Adam zufolge war er schon lange sehr überfordert und schonte sich nicht. Er arbeitete vermutlich an einem Vortrag zum Gedenktag der Gründung des Instituts", bemerkte ich. "Er sollte doch deine Arbeit leiten, nicht war? Findest du jemand anderen?" "Ja, Herr Adam bot mir seine Hilfe an. Den kennst du doch, ein Dozent im mittleren Alter und spezialisiert auf die neuere deutsche Literatur. Er wird mir bestimmt ein paar nützliche Tipps für die Archivarbeit und einige Hinweise zum Brünner-Milieu geben können. Er hat mich auch unterstützt, als ich vor der ersten Stunde furchtbare Angst und Lampenfieber hatte. Außerdem hat er mich auch auf einen jungen Mann aufmerksam gemacht, der am Geschichtsinstitut arbeitet und sich gerade demselben Zeitraum widmet wie ich." "Was blinzelt denn da in deinen Augen? Hast du ihn schon gesehen?", fragte Andrea spitz. "Ja, aber nur rein zufällig", antwortete ich verlegen. "Ach ja, na klar, selbstverständlich ganz zufällig! Also..., ich höre!" "Er begegnete mir ehrlich nur zufällig. Ich saß in der Bibliothek am Computer und bereitete meine Unterlagen vor und plötzlich kam jemand herein, grüßte mich beiläufig ohne sich vorzustellen und kletterte sofort die Leiter am Bücherregal hinauf." "Ach, der junge Herr ist selbstbewusst! Und weiter? " "Er fand sein Buch, stellte sich ungezwungen vor und fragte, wie es mir in Brünn gefällt." "Und du, ludst du ihn zum Kaffee ein?", fragte Andrea gespannt. "Nein, ich zitterte, wie ein dummes Schaf und war unfähig überhaupt etwas zu sagen. Ich weiß nur, dass er Vladimir heißt und einen festen Blick, dunkle Haare und für einen Historiker eine tolle Figur hat." "Sage mal, wie kam eigentlich Herr Adam darauf, dir gerade diesen Typ zu empfehlen? Woher wusste er, dass sein Thema 'Shoa und Kollaborateure` ist?", erkundigte sich Andrea. "Irgendwoher kannte er Herrn Vojtìch und besprach seine Habilitationsarbeit mit ihm. Mehr weiß ich nicht." Sie zwang mich dazu, meine Unsicherheit zu überwinden und über ihn zu sprechen. Dieses Thema interessierte Andrea ungeheuer und ich musste ihr versprechen, sie auf dem Laufenden zu halten. Es war schon spät, als wir das Café verließen. Andrea eilte in Richtung Hauptbahnhof zu und ich entschloss mich noch einen kleinen Spaziergang zu machen, weil mir die stille und verlassene Stadtmitte unheimlich gefiel. Mein ->ENTREE in Brünn war ganz erfolgreich. NEUIGKEITEN<-