K O M M U N I K A T I O N S S T Ö R U N G E N (Akt I) Dunkler Gang einer näher nicht bestimmten Fakultät. Dozent A im schwarzen Anzug, stark bis unangenehm riechend nach irgendwelchem Parfüm, dicke Schicht von Haarpomade, Dozent B ein bisschen älter, in Jeans, T-Shirt, Hausschuhen. B: (steht vor der Wandzeitung und versucht, etwas da auszuhängen) A: (hat ersichtlich es eilig, stößt in den B) B: Guten Tag, Herr Kollege. A: Abend, Abend. B: Schon wieder keine Orientierung in der Zeit? A: Ach so, die Lampen. Warum kann man eigentlich das Licht nicht anmachen? B: Man kann doch. A: Wie? B: Normal. A: (versucht das Licht anzumachen, aber kein Licht kommt) Normal haben Sie gesagt? B: Ja, ohne Erfolg. Das ist hier normal. A: Die blöden Witze der Sprachwissenschaftler! B: Und die ewige Verträumtheit der Literaturwissenschaftler. Wohin reitet er so schnell durch Nacht und Wind? A: Goethe hat WER gefragt. B: (reicht ihm die Hand) Nou-Goethe, freut mich. A: (keine Reaktion) B: Darf ich mal fragen, wohin Sie so fliehen? A: Unbedingt zum Rektor. B: Viel Spaß! A: (läuft weiter) B: Wer reitet so schnell durch Wind und Nacht? Vor diesem Streber habe Acht. (weiter sucht er tappend nach Stecknadel) A: (rennend kommt zurück) Wie sehen Sie aus? B: Im Gegensatz zu Ihnen zufrieden. A: Aber die Kleidung! B: Die Kleidung hat sich noch nicht beklagt. A: Nackt wollen Sie nicht her kommen? B: Ja, aber erst am Freitag, wegen der schwarzhaarigen Schönheit im dritten Jahrgang. A: Lauter Witze und Niveau keins! Der Rektor... B: Was haben Sie mit dem Alten schon wieder? A: Eine dringende Beratung. (kurze Pause) Übrigens, Sie auch. B: Was? A: Sicher! B: Seit Jahren sage ich mir, ich soll die blöden Laufschreiben mit seiner Unterschrift endlich mal lesen. Zum Beispiel heute habe ich festgestellt, dass es vor zwei Monaten eine dringende Sitzung gab. A: Was für eine? B: Weiß ich nicht. Und lebe trotzdem. A: Und? B: Und ohne Magengeschwüre. Worum geht es? A: Ich habe was gefragt. B: Ich auch. A: Hab was gefragt. B: Ich auch. A: Und was? B: Und? Und. A: Und was? B: Was was? A: Dekan. B: Erstens ist er kein WAS, sondern ein WER und zweitens... Wieder liegt er auf dem Sterbebett? A: Wieder und diesmal sieht es wirklich ernst aus. (Blick auf die Armbanduhr) B: Wie spät ist es? A: Zu dunkel. B: Illokution kann verschieden sein, aber auch Sprachwissenschaftler meinen ihre Fragen so, wie sie gefragt haben. A: Ausnahmsweise. B: In der Regel. A: In der Regel ausnahmsweise. B: In der Regel weise -- ohne Ausnahme. Ich habe was gefragt. A: Ich auch. B: Ich habe was gefragt. A: Was? B: Was haben Sie gefragt? A: Was haben Sie gefragt? B: Ich habe gefragt, was Sie gefragt haben. A: Können Sie bitte nicht gleich fragen? B: Was soll ich gleich fragen? A: Wie was? B: Was wie? A: Schluss mit den blöden Wörtern! B: Es sind keine blöden Wörter, es sind Fragewörter, exakt Pronomina und Adverbien. Während Pronomina für... A: (fällt ihm in die Rede) Wo sind wir stehen geblieben? B: Im dunklen Gang unserer Alma Mater. A: Ich meine nicht diese... B: Demonstrativpronomen! A: Eben! Was haben Sie gefragt? B: Wen? A: Wenn was? B: Nicht wenn, sondern wen!!!! Hören Sie den Unterschied? A: Nein. B: Aber das müssen Sie hören. A: Aber zuerst muss ich zum Rektor. B: (erfreut) Eben das habe ich gefragt! A: Was? B: Was Sie beim Rektor machen wollen? A: Ich will da nichts. B: Nicht wollen? Dann eben nur sollen. A: Oder sogar müssen. B: Achtung, Herr Kollege, kennen Sie den Unterschied? A: Nein. B: Aber das müssen Sie wissen. Oder eben sollen. A: Und Sie sollen wissen, was eigentlich beim Rektor los ist. B: Soll, aber kann nicht. A: Wieso? B: Weil ich die Laufschreiben nicht lese. A: Aber das sollen Sie. B: Ich soll, aber... A: (fällt ihm in die Rede) Neuer Dekan soll gewählt werden! B: Soll oder muss? A: Die Funktion soll besetzt werden. B: Soll oder muss? A: Beides. B: Sehen Sie, welche Funktion die Modalverben haben können? A: Bestimmt nicht die eines Dekans. B: Ach, der Dekan! Liegt er wieder auf dem Sterbebett? A: Wieder und diesmal sieht es ganz schlimm aus. (Blick auf die Armbanduhr) B: Wie spät ist es? A: Zu dunkel. B: Illokution kann... A: Im Gegensatz zu uns nicht spät kommen. B: Wohin? A: Zum Rektor, der wieder auf dem Sterbebett liegt. B: Der Alte auch? A: Ah, Quatsch! Der Dekan. B: Hat hier sein Leben lang so wie so nichts Intelligentes gemacht. Jedes Semester ändert er die Studienordnung, die dann total chaotisch ist und zu nichts dienlich sein kann. A: Sie sollten wagen, mal was zu sagen. B: Ich würde wagen, was zu sage, ginge es einem nicht gleich an den Kragen. A: Na eben! Endlich haben Sie mich verstanden, oder? B: Oder? Oder? Ja! Die Oder ist ein Fluss. Aber ich bin kein Geographe, sondern ein... A: (fällt ihm in die Rede) Egal, was Sie sind, die Funktion ist viel wichtiger. Er führt doch die ganze Fakultät. B: Vom Sterbebett? A: Möglicherweise. B: Aber nicht weise. A: Lieber leise. B: (lacht herzlich) Die Vorstände regeln den Gang ihrer Lehrstühle unabhängig davon, was der Dekan gesagt, geschrieben, empfohlen, befohlen oder was immer hat. A: Ausnahmsweise. B: In der Regel. A: In der Regel ausnahmsweise. B: In der Regel ohne Ausnahme. A: Er regelt den Gang der ganzen Fakultät. Er schließt die Studenten aus, erteilt außerordentliche Entlohnungen, unterschreibt Stipendien für Hunderte, oder sogar Tausende Studierender, redet oft zur Öffentlichkeit... B: ... oder eher zu sich selbst in seinem dunklen Arbeitszimmer. A: Übertreiben Sie doch nicht, Herr Kollege! Er tadelt und lobt alle Dozenten, organisiert, unterschreibt.... B: (fällt ihm in die Rede) Unterschreibt, aber selbst weiß er nicht, wie sein Stempel aussieht! Dafür hat er doch die Sekretärin. A: Vorsicht, Herr Kollege! Auch die Wände haben Ohren. B: Ich freue mich schon auf die Pensionierung! Aber hat man schon einen Ersatz für mich? A: Sie sollten wagen, mal was zu sagen und nicht immer so dumm fragen. B: Aber mein Kragen! A: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt! B: Hören Sie mal zu. Ist es Arbeit oder Vergnügen, wenn der Dekan seine Sekretärin während seiner Arbeitszeit zum Orgasmus bringt? A: Die Frage ist doch irrelevant! B: Die ist relevanter als wir beide hier. Na und Ihre Antwort? A: Weiß ich nicht. B: Das ist Vergnügen. A: Mit der seinen Sekretärin? Vergnügen? Würd´ ich nicht...(plötzliche Ruhe) B: Sicher ist es ein Vergnügen. Wäre es Arbeit, müsste es die Sekretärin allein erledigen! A: Soll es lustig sein? B: Es soll nicht, aber es kann. A: Wer könnte da lachen? So ein Blödsinn! Unser Dekan doch... B: (lacht) Wer hat von unserem Dekan gesprochen? A: Sie. B: Welche 'sie'? Hier sind nur zwei Er-Subjekte. A: Sie haben... B: Sie oder ich? A: Sie, nicht ich. B: Ich habe von unserem Dekan kein einziges Wort gesagt. Nur vielleicht, dass er die ganze Fakultät (ganz ironisch) führt. A: Und nicht? B: Im Allgemeinen, jetzt meine ich niemanden konkret, ändert er nur ein bisschen das ab, was der Rektor gesagt hat. Und dass das, was er gesagt hat, wiederum von den Vorständen nach Bedarf geändert wird, steht fest. A: Feststeht nur, dass wir zum Rektor spät kommen. B: (die Schulter zuckend) Akademische Viertelstunde. A: Drei. (läuft möglichst schnell davon) B: Na und? (mit dem Zettel, das er auf die Wandzeitung stecken wollte, in der Hand folgt er langsam seinem Kollegen nach, seine Stimme wird mit der Entfernung immer leiser) Ich bin kein Mathematiker, sondern ein Philologe! Die Mathematiker ohne Philologie, das ist wie damals, als der Student... wie war nur sein Name... nach Berlin zu einer (r)MATHEMATISCHEn KONFERENZ geschickt wurde, und nur drei Lektionen im 'Der, die, das' geschafft hat. AUS DEM LEBEN MEHRERER TAUGENICHTSEnot -pj-