S T R E I T E N Wie jeden Montagmorgen fährt Vladimír zu Lea, um mit ihr zu frühstücken und anschließend zur Universität zu fahren. Aber heute ist ein ganz besonderer Montag, denn nachdem Vladimír die Morgenpost hochgeholt und diese lieblos auf den Tisch im Wohnzimmer geschmissen hatte, fiel sein suchender Blick auf einen Brief der Wilhelm von Humboldt-Stiftung. Voller Ungeduld öffnete er ihn hastig, überflog ihn und war vor Begeisterung gar nicht mehr einzukriegen, denn er hatte die Zusage zu dem Stipendium bekommen. Als er nun schließlich bei Leas Wohnung ankommt, rennt er überglücklich die Treppe bis zur Wohnungstür hinauf, wo Lea schon geduldig auf ihn wartet. "Lea, Lea, stell dir vor, heute war endlich der Brief von der Humboldt-Stiftung dabei und glaub` es oder nicht, aber sie haben mich doch tatsächlich angenommen. Das ist doch echt unglaublich. Und es kommt noch besser. Mein Stipendium wird volle zwei Jahre lang mit 1200 Euro pro Monat gefördert und mein erster Arbeitstag ist Montag, der 17. Oktober." "2010 oder was?" "Sehr witzig, 2005 natürlich." "Na dann bleibt dir ja noch ein gutes halbes Jahr, um deine Sachen zu packen und dir eine schöne Wohnung in Regensburg zu suchen, viel Spaß dabei." "Was soll denn das jetzt schon wieder? Dass du dir nicht vorstellen kannst mitzukommen, hast du mir ja nun schon des Öfteren klar gemacht. Aber kannst du dich denn nicht wenigstens heute ein wenig für mich freuen und deinen Sarkasmus mal ganz weglassen?" "Nein, das kann ich nicht. Du verlangst doch nicht wirklich von mir, dass ich mich für dich freue und die letzten Monate vor deiner Abreise die liebe, verständnisvolle Freundin spiele, die so tut, als ob alles in Ordnung sei. Nein, nicht mit mir. Da musst du dir wirklich einen anderen Dummen suchen." "Wie meinst du das? Ich dachte eigentlich, dass du mich bei der Vorbereitung auf Regensburg unterstützen würdest und wir dann im Guten auseinander gehen, wenn der Zeitpunkt des Abschieds gekommen ist. Ich war mir sicher, dass das auch in deinem Interesse liegt." "Also, um ehrlich zu sein, habe ich mich die letzten Monate so ruhig verhalten, weil ich gehofft hatte, dass dein Antrag abgelehnt werden würde und du hier bei mir in Brünn bleiben würdest. Da sie dich ja aber allem Anschein nach tatsächlich angenommen haben, gibt es für mich wirklich keinen Grund mehr, auch nur noch einen Tag länger mit dir zusammen zu sein. Schließlich hast du ja auch keine Rücksicht auf mich genommen, als du dich ohne mein Wissen für dieses Stipendium beworben hast." "Soll das heißen, du machst Schluss?" "Genau das! Und dass ich dir dabei helfe, in Regensburg schneller Fuß zu fassen, kannst du dir mal hübsch abschminken. Da geh` ich doch viel lieber mit irgendeiner Freundin einen Kaffee trinken." "Also, wenn du Schluss machen willst, kann ich das verstehen. Schließlich ist unsere Beziehung ja schon lange nicht mehr so gut, wie sie noch war, als wir frisch zusammen waren. Aber dass du mir in Regensburg nicht helfen willst, ist doch pure Schikane, die ich nicht nachvollziehen kann. Für dich wäre es doch ein Leichtes, mich einigen Personen vorzustellen und mir eine günstige Wohnung zu verschaffen." "So einfach ist es für dich also, unsere Trennung hinzunehmen. Kein Versuch mich umzustimmen, kein Wort des Bedauerns, gar nichts. Na gut, dann sei es eben so. Ab heute gehen wir wieder getrennte Wege. Wenn du denkst, dass das für mich so leicht ist, dich einigen Personen vorzustellen und dir eine günstige Wohnung zu verschaffen, hast du recht. Aber ich sehe keinen Grund dich noch in irgendeiner Form zu unterstützen. Tut mir leid, dann musst du halt selbst sehen, wie du klarkommst." "Wieso tust du mir das an, war ich denn nicht immer gut zu dir?" "Gut zu mir?" "Was habe ich dir denn nicht alles gekauft? Deinen Schmuck, deinen Laptop, ja deine halbe Wohnung habe ich doch bezahlt und das ist jetzt der Dank, oder wie? "Nun hau` mal nicht so auf den Putz! Du tust ja gerade so, als ob ich nichts bezahlt hätte. Wer hat denn den letzten Urlaub bezahlt, weil du dein gesamtes Geld in Aktien gesteckt hast?" "Du undankbares Miststück, immerhin hast du es doch gerade diesen Aktien zu verdanken, dass es dir so gut geht. Von deinem bescheidenen Gehalt, kannst du doch kaum deinen Lebensunterhalt bestreiten und da machst du mir Vorwürfe, das ist ja lächerlich." "Du blödes Arschloch, mein bescheidenes Gehalt war es immerhin, das uns manches Mal über Wasser gehalten hat, wenn du mal wieder nicht an dein schönes Geld herangekommen bist, weil deine beschissenen Aktien wieder einmal im tiefsten Keller waren." "OK, OK, ich hab`s ja nicht so gemeint, du hast ja recht. Ich will mich doch gar nicht mit dir streiten. Ich will doch nur, dass du wieder zu Vernunft kommst und mir in Regensburg hilfst. Bitte! Das ist wirklich sehr wichtig für mich. Diesen letzten Gefallen kannst du mir doch noch tun, das werde ich dir auch nie vergessen. Und die Sachen darfst du natürlich alle behalten, die will ich dir doch überhaupt nicht wegnehmen." "Ich will mich auch nicht mit dir streiten und die Sachen sind mir auch egal, aber helfen werde ich dir trotzdem nicht, weil ich dir nicht helfen kann." "Du kannst mir nicht helfen? Wieso kannst du mir denn nicht helfen? Du hast doch gesagt, dass du mir helfen kannst und außerdem kennst du doch Regensburg und die Uni dort wie deine Westentasche. Oder täusche ich mich da etwa? "Das ist schon richtig! Aber ich habe dir doch erzählt, dass ich meine Gründe hatte aus Regensburg fortzugehen. Und diese Gründe sind es auch, die mich daran hindern, dir zu helfen. Selbst wenn ich wollte, ich kann nicht, wirklich nicht. Bitte versteh` und akzeptiere das!" "Du machst mir ja Spaß. Wie soll ich das denn verstehen? Wieso kannst du mir denn nicht helfen? Ich muss es wissen, ansonsten kann ich deine Entscheidung einfach nicht akzeptieren." "Es tut mir leid, ich kann es dir aber wirklich nicht erzählen. Bitte lass uns jetzt frühstücken und dann zur Uni fahren. Wir sind sowieso schon spät dran. Und stell` bitte keine Fragen mehr!" "Ich gehe erst, wenn du mir sagst, wieso du mir nicht helfen kannst. Vorher bewege ich mich keinen Zentimeter." "Ich kann es Dir nicht sagen, da kannst du warten bis du schwarz wirst." "Also gut, lass uns endlich frühstücken. Aber über eines sei dir gewiss. Wenn ich in Regensburg bin, werde ich Nachforschungen über dich anstellen, um herauszubekommen, warum du nach Brünn gekommen bist." "Bitte tu das nicht! Das ist wirklich keine schöne Sache und ich möchte nicht, dass du davon weißt. Ich habe wirklich meine Gründe, warum du es nicht erfahren darfst." "Ist mir egal, ich muss es einfach wissen. Aber jetzt genug davon. Ich habe jetzt Hunger und will jetzt frühstücken. Vielleicht bist du ja mit vollem Bauch etwas gesprächiger. Ansonsten muss ich mir wohl in Regensburg die Informationen besorgen, die du mir nicht geben willst. Irgendwie komme ich an diese schon ran. Da kannst du dir sicher sein." "Wenn Bitten nicht hilft, kann ich dich nur warnen. Ich habe Mittel und Wege, um dir klarzumachen, dass es mir mit dieser Sache sehr ernst ist. Aber wenn du nicht anders kannst, versuch` ruhig dein Glück in Regensburg." "Das werde ich tun, verlass dich drauf. Nichts und niemand kann mich davon abhalten." "Jetzt sind wir also wieder auf dem ->STARTFELD, aber jeder für sich selbst." REGENBURGER GESPRÄCH<- -nt-