Zwiefacher Begriff der Metapher in Kants Ästhetik Jakub Mácha Masaryk University, Czech Republic Rara est adeo concordia formae atque pudicitiae. - Iuvenalis, Saturae X, 297 Zusammenfassung In Kants Schriften kommt das Wort .Metapher' nur spärlich vor. Das heißt jedoch keineswegs, dass er das Vorkommen von Metaphern ignoriert und nicht problematisierl hat. In diesem Beitrag habe ich vor, mich mit zwei Schlüsselbegriffen der kantischen Ästhetik zu befassen, nämlich mit der ästhetischen Idee und der symbolischen Darstellung. Hinter beiden verbergen sich Strukturen, die sich als Explikationen der Funktionsweise von Metaphern verstehen lassen. In der analytischen Philosophie des vorigen Jahrhunderts ist die Metapher zum Gegenstand von mancherlei Studien und konkurrierender Theorien geworden. Darunter befinden sich -freilich in einem durchaus unterschiedlichen Begriffsapparat formuliert - auch die beiden Theorien aus der Kritik der Urteilskraft. Trotz allem Konsens gehen sie in der Schlüsselfrage der Existenz der metaphorischen Bedeutung auseinander. Während Max Black seine Auffassung auf der Idee der metaphorischen Bedeutung aufbaute, argumentierte Donald Davidson hingegen, dass diese Idee die Funktionsweise der Metapher nicht zu erläutern vermöge. Diese bis heute unentschiedene Streitsache ist im Rückgang auf Kants Ästhetik aufzuspüren, und zwar in der Form der (heutzutage gleichfalls aktuellen) Frage, ob sich die Funktion von ästhetischen Ideen auf die symbolische Darstellung von sittlichen Vernunftideen reduzieren lässt. Zusammenfassung The term 'metaphor'is rare in the writings of Kant. However, it doesn 't imply that he ignored or did not question the ubiquity of metaphors. In the present paper, I want to discuss two cardinal concepts of Kant's aesthetics viz., the aesthetic idea and the symbolic presentation. Behind both are contained structures which can be seen as explications of the function of the metaphor. The problem of metaphor has come to a noteworthy revival and to the subject oj Sats - Nordic Journal of Philosophy, vol. 10, no. 2, pp. 69-84. © Philosophia 70 Zwiefacher Begriff der Metapher in Kants Ästhetik manv competing studies in analytical philosophy. Among them can be found - formulated surely in very different concepts - the two theories from The Critique of Judgement. Despite a considerable amount of agreement, these theories diverge in the key issue of the usefulness of the notion of the metaphorical meaning. While Max Black's account is based on the idea of the metaphorical meaning, Donald Davidson on the other hand argued that such an idea cannot explain the function of the metaphor. This undecided issue can be transposed back into the aesthetical theory of Kant as the issue, whether the function of aesthetical ideas can be reduced to a symbolic presentation of moral ideas of reason. In weiterer Perspektive betrachtet, ist das hier behandelte Thema das Verhältnis zwischen dem ästhetischen und moralischen Bereich - oder, wenn man will, zwischen Kunst und Moral. Eine von jeher ersichtliche Tendenz, die eine feste Bindung zwischen den beiden sehen möchte, hat einen Widerspruch in Kants Kritik der Urteilskraft gerunden. In der nachfolgenden Tradition von Schiller über den deutschen Idealismus bis zur Frankfurter Schule wurde der Kontrast der beiden Bereiche bisweilen wieder gemildert und sogar aufgelöst. Gelegentlich wurde aber Kant auch so rezipiert, dass zwischen dem Ästhetischen und dem Moralischen eine irreduzible Differenz besteht; so beispielsweise von Herbart, Nietzsche oder Croce. Diese Linie reicht bis in die analytische Ästhetik des 20. Jahrhunderts, in der die kantische Position erneut aktuell geworden ist. In diesem geschichtlichen Rahmen bewegt sich also unser spezifisches Problem der Erklärung dessen, wie Metaphern zu verstehen sind, oder was sie bedeuten. Der Begriff der ästhetischen Idee als eine Theorie der Metapher Locus classicus des Begriffs der ästhetischen Idee ist der § 49 der Kritik der Urteilskraft. Kant setzt sie in sein philosophisches System als das Gegenstück (Pendant) der Vernunftidee ein, da das Verhältnis eines Begriffs und einer Anschauung hier gerade umgekehrt ist. Ästhetische Ideen sind solche Vorstellungen der Einbildungskraft, denen kein Begriff unterlegt werden kann. Nach einer häufig zitierten Redewendung aus der Kritik der reinen Vernunft sind sie blind, so wie Vernunftideen in gewisser Weise leer sind. Es handelt sich um Vorstellungen, die den Denkprozess initiieren und die von alltäglichem empirischen Stoff ausgehen gemäß empirischen (d. h. psychologischen) Gesetzen und zugleich gemäß Vernunftprinzipien. Beide Arten der Gesetzmäßigkeit geraten somit in ein analogisches (zu dem Begriff der Analogie später) Verhältnis, dank dessen die Einbildungskraft produktiv wird. Assoziative Gesetze sind ihrem Wesen nach subjektiv, Vernunftprinzipien hingegen objektiv. L_______________________________________________ JatabMfch« 71 Der Gegensatz beider Ideenarten kann aufgezeigt werden an dem Begriffspaar subjektives Prinzip vs. objektives Prinzip. Wie im Weiteren gezeigt wird, ist es gerade die Art der Korrespondenz beider Prinzipien, die den Kern unseres Problems ausmacht. Die ästhetische Idee kann noch auf eine andere Art charakterisiert werden, und zwar als eine (durch jenes subjektive Prinzip bedingte) Einheit von Nebenvorstellungen der Einbildungskraft eines gegebenen Begriffs. Diese einzelnen Nebenvorstellungen nennt Kant ästhetische Attribute. Diese allerdings gehören der Vernunftidee an, die als solche nicht dargestellt werden kann. Ästhetische Attribute stehen im Gegensatz zu logischen Attributen, deren Einheit den Begriff ausmacht, von dem sie Attribute sind. Eine andere Bestimmung des Gegensatzes ästhetische Idee vs. Vernunftidee ist demnach eine Einheit ästhetischer Attribute - eine Einheit logischer Attribute. Den Begriff des ästhetischen Attributes entlieh Kant bewusst der Renaissanceikonologie, in der dieser Ausdruck konventionelles Zeichen eines übersinnlichen Wesens ist. Der Pfau ist Attribut der Göttin Hera, die Lilie Attribut der Jungfrau Maria, mit einem Rost wird der heilige Lorenz dargestellt, oder Gerechtigkeit wird dargestellt als eine nackte Figur mit umwickelten Augen und einer schiefen Waage. Kant gebraucht den Begriff des ästhetischen Attributes in einem breiteren Sinne für jede aus dem gegebenen Begriff abgeleitete Anschauung, ohne dass zwischen dem Begriff und der Anschauung irgendein objektives Verhältnis besteht (in der Ikonologie ist das Prinzip die Konvention). Obwohl Kant die ästhetische Idee als eine inexponible Vorstellung (d. h. eine solche Vorstellung, die durch keinen Begriff zu erreichen ist) fasst (vgl. Kant KdU, S. 343A242), gehen ästhetische Attribute aus einem Begriff hervor. Dieser ist jedoch keine Vernunftidee, sondern Begriff eines Kunstwerkes, das dadurch, dass es eine ästhetische Idee einschließt, zur Erweckung einer Reihe von assoziativen Vorstellungen dient. Da die Dichtung aus Wörtern, also Begriffen besteht, ist sie am besten dafür geeignet, die Ableitung oder die Entstehung einer solchen Reihe in reiner Gestalt vorzuführen. Das wird uns auch zu dem Problem der Metapher hinleiten. Wir wollen nun einige poetische Anwendungsbeispiele der oben skizzierten Theorie angeben.1 Heinrich Heine führt am Anfang des zweiten Teiles seines „Romanzero" (21972, S. 79) mit einem titellosen Gedicht ein, dessen erste Strophe hier wiedergegeben wird: 1 Beide Beispiele kannte Kant nicht. Dass eine Theorie auch auf spätere Bog*«** greich anwendbar ist, können wir als eine Art ihrer Bestätigung verstehen. Kan wuKÜgt zwar ein Ged1Cht von Friedrich dem Großen, das aber wegen semer Einfalt kerne gute Illustration der dargestellten Theorie ist (Kant KdU, SS. 315 f.A242). Zwiefacher Begriff der Metapher in Kant^sthetik____----------------------------------------_____ Das Glück ist eine leichte Dirne, Und weilt nicht gern am selben Ort; Sie streicht das Haar dir von der Stirne Und küßt dich rasch und flattert fort. Der Einfachheit halber verstehen wir die Metapher in der Form ,A ist ein B' also als eine Art Prädikation ,Das Glück ist eine leichte Dirne'. Der Vernunftbegriff Glück1 wird vom Dichter als eine leichte Dirne bezeichnet. In den folgenden Versen wird aus diesem Begriff eine Reihe von sinnlichen Anschauungen entfaltet: eine Dirne, welche über die Stirn streicht, die küsst und verschwindet. Das Gedicht passt zur Illustration der angedeuteten Theorie recht gut, denn der Dichter hat unsere Lage dadurch erleichtert, dass er jene Reihe von Vorstellungen - ästhetischen Attribute in der Terminologie Kants - dem Leser selbst anbietet. Damit wird das subjektive Prinzip, das die Einheit der in dem Gedicht ausgedrückten ästhetischen Idee ausmacht, teilweise kundgetan. Andernorts mag dieses Prinzip durchaus subjektiv sein. Folgende Verszeilen stammen von Herder (1879, S. S. 271): Menschen-Feind, nicht Freund! Du zeigst mir, Ruhm sei Schatten, meine Liebe Buhle um ein Rosenglück. Ruhm ist Schatten, Jugendliebe Ist nur eine Rosenliebe; Aber auch die Rose blüht. In dieser Strophe finden sich zwar mehrere Vernunftbegriffe; uns wird die Metapher ,Ruhm ist Schatten' interessieren, die da in einer leicht modifizierten Variante zweimal vorkommt. Der Vernunftbegriff Ruhirr1 wird durch einen empirischen Begriff Schatten bezeichnet. Keine anderen ästhetischen Attribute des Ruhms werden in diesem Ausschnitt oder sonstwo in dem Gedicht angegeben. Darum liegt es ausschließlich am Leser, wie er sich den Schatten vorstellt und was für Vorstellungen er daraus herleitet. An dieser Stelle ist zu fragen, was gewährleistet, dass das subjektive Prinzip einer ästhetischen Idee mit dem objektiven Prinzip einer Vernunftidee JL a Üü 2?* kein Verstandesbegriff ist, sagt Kant am Anfang der Deduktion der reinen vmuuiaesbegnne: „Es giebt indessen auch usurpirte Begriffe, wie etwa Glück, Schicksal, die mu tast allgemeiner Nachsicht herumlaufen, aber doch bisweilen durch die Frage: quid tuns, in Anspruch genommen werden". (Kant KdrV, S. 99) w,e Kam iü£SüS*® ^ Ruhms geht über die Grenzen der möglichen Erfahrung hinaus, * ie Kant ausdrucklich sagt. (Vgl. Kant KdU, S. 314A44) Jakub Mácha 73 (in unseren Beispielen Glück und Ruhm) übereinstimmt oder dass sich jenes diesem approximativ nähert. Kants Antwort ist in seiner Auffassung des Genies enthalten. Dieses wird verstanden als ein belebendes Vermögen des Gemüts, ein glücküches Verhältnis zwischen dem Verstand und der Einbildungskraft aufzuzeigen und es in ein Kunstwerk hineinzulegen. Damit wird das subjektive Prinzip einer ästhetischen Idee näher bestimmt. Die Genialität besteht darin, in einem freien Spiel der beiden Erkenntnisvermögen den Ausdruck einer ästhetischen Idee vorzufinden und ihn mitteilen zu können. An unseren Beispielen ist klar erkennbar, dass die ästhetische Idee der ersten Metapher viel mehr begrifflich bestimmt wird, als es dem in dem zweiten Fall ist. Genie ist demnach die Bedingung der Übereinstimmung der beiden Prinzipien. Den Begriff der ästhetischen Idee behandelt Kant in dem Abschnitt von der Deduktion der reinen ästhetischen Urteile. Der Zusammenhang der ästhetischen Idee mit der Struktur eines ästhetischen Urteils hegt im dritten Moment der Geschmackurteile, nämlich in der Zweckmäßigkeit ohne Zweck. (Vgl. Kant KdU, S. 226A44) Symbolische Darstellung In dem nächsten Abschnitt„Die Dialektik der ästhetischen Urteilskraft" führt Kant den Paragrafen 59 „Von der Schönheit als Symbol der Sittlichkeit" (Kant KdU, SS. 351-4A254-60) an, in dem er erneut das Verhältnis (bzw. ein Verbindungsmittel) zwischen dem theoretischen und dem praktischen Gebiet durchdenkt. Da werden Möglichkeiten der Darstellung (exhibitio) verschiedener Arten von Begriffen untersucht. Eine Darstellung ist generell definiert als ein Prozess der Suche nach der dem Begriff korrespondierenden Anschauung (Kant KdU, S. 192A XLIX). Empirische Begriffe und reine Verstandesbegriffe können durch Beispiele und Schemata dargestellt werden. Jede Darstellung von Vemunftbegrififen ist aber unmöglich, denn diesen kann der Definition zufolge keine Anschauung korrespondieren. Dieses Problem löst Kant mit Hilfe der sog. indirekten oder symbolischen Darstellung. Einem Vernunftbegriflf wird eine Anschauung imputiert, die mit ihm nur einige Regeln der Reflexion (d. h. die Form der Reflexion) nach einer Kategone gemeinsam hat. Zwischen solchen Regeln muss demnach ein analogisches Verhältnis bestehen. Die Analogie wird in diesem Sinne näher bestimmt als „eine vollkommne Ähnlichkeit zweier Verhältnisse zwischen ganz unähnlichen Dingen" (Kant 11783, S. 357.). Beispiele Kants von symbolischen Darstellungen sind: ein monarchischer Staat ist ein beseelter Körper, ein absolutistischer Staat ist eine Handmühle. In den beiden Fällen besteht das analogische Verhältms in der Reflexion über die Kausalität der Begriffe. Kant fügt weiter hinzu, dass Zwiefacher Begriff der Metapher in Kants Ästhetik unsere Sprache voll von verschiedenen indirekten Darstellungen ist, wie die Wörter ,Grund\ ,ab-hängen' oder ,Substanz4 (als der Träger der Akzidenzen bei Locke) unter Beweis stellen.4 Man braucht nicht weiter zu betonen, dass auch die symbolische Darstellung als Metapher verstanden werden kann. Für eine unerschöpfliche Menge Beispielen verweise ich auf die Arbeit von Lakoff und Johnson (1980, passim). Die symbolische Darstellung als Metapher oder Metaphorik (d. i. System von Metaphern) ist ausdrücklich bei Blumenberg (: Bouvier,1960) und Gadamer5 zu finden. Eine weitere begriffliche Differenz ist zu erwähnen. Symbolische Darstellungen, kurz Symbole, sind keine Charaktere, d. h. keine „Bezeichnungen der Begriffe durch begleitende sinnliche Zeichen, die gar nichts zu der Anschauung des Objekts Gehöriges enthalten, sondern nur jenen, nach dem Gesetze der Assoziation der Einbildungskraft, mithin in subjektiver Absicht, zum Mittel der Reproduktion dienen". (Kant KdU, S. 352A255f.) In seiner Anthropologie sagt Kant dazu: „Charaktere sind noch nicht Symbole: denn sie können auch blos mittelbare (indirecte) Zeichen sein, die an sich nichts bedeuten, sondern nur durch Beigesellung auf Anschauungen und durch diese auf Begriffe führen." (Kant 11798, S. 191) Aus diesen Bestimmungen wird klar, dass im Falle eines ,Charakters' die Einbildungskraft nicht produktiv, sondern nur reproduktiv ist. Das bedeutet aber, dass die Funktion des ,Charakters' nur auf die Sinnlichkeit und den Verstand eingeschränkt ist und somit nicht in das Gebiet der Vernunft zu übergreifen vermag. Bevor ich mich einer Auslegung der sprachanalytischen Theorien der Metapher widme, habe ich einige Verschiedenheiten zwischen den Begriffen der ästhetischen Idee und der symbolischen Darstellung nachzutragen. Diese Begriffe differieren in ihrer Struktur: Die ästhetische Idee ist eine Summe von Vorstellungen der Einbildungskraft, die von der Perspektive des Verstandes betrachtet assoziativ verkoppelt sind. Die symbolische Darstellung weicht 4 Eine verwandte heuristische Ausarbeitung dieses Gedankens findet man neuerdings bei Lakoff & Johnson (1980). Der Auffassung Kants steht auch die in diesem Buch hervorgehoben Funktion der Metapher nahe, nämlich die Darstellung eines abstrakten (unbekannten, unvorstellbaren) Begriffs vermöge von Begriffen, die gängige sinnliche Vorstellungen oder Dinge bezeichnen. Der letztgenannte Autor äußerte sich sogar über den Begriff der symbolischen Darstellung, dass er „eines der glänzendsten Resultate des kantischen Denkens" sei. (Gadamer 21965, o. O. / 1 f. Jakub Mácha 75 von den Charakteren darin ab, dass es sich um keine assoziative Verkoppelung von Vorstellungen handelt. Ferner, das Prinzip der Einheit der ästhetischen Idee ist subjektiv, die Form der Reflexion eines empirischen Begriffs (der als Symbol dient) muss hingegen objektiv sein - obwohl es Kant nirgendwo explizit sagt. Dies ist jedoch für unsere weiteren Überlegungen von eminenter Wichtigkeit und deshalb füge ich folgende Erläuterung hinzu: Die symbolische Darstellung ist nach der Terminologie der Kritik der reinen Vernunft eine Art Amphibolie (Doppeldeutigkeit) von reflexiven Begriffen. (Vgl. Kant KdrV, S. 214B316) Die Doppeldeutigkeit betrifft ihre Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Erkenntnisvermögen (Sinnlichkeit, Verstand, Vernunft). Bestimmt oder beseitigt werden soll sie durch eine transzendentale Überlegung, nämlich die Reflexion. In der symbolischen Darstellung ist aber wesentlich, dass die Amphibolie bewahrt bleibt. Man kann sagen, dass es um eine Amphibolie im positiven Sinne geht; denn sie erst ermöglicht, die Reflexion auf einen anderen Begriff zu übertragen. Es wird demnach keine transzendentale, sondern eine logische Reflexion vollzogen, bei der vom Erkenntnisvermögen abstrahiert wird. Damit wird ermöglicht, zu verschiedenen Erkenntnisvermögen zugehörige Begriffe zu vergleichen. Die logische Reflexion ist aber eine bloße Komparation, wie Kant betont. (Kant KdrV, S. 216B318) Die Form der Reflexion wird durch Reflexionsbegriffe erfasst. Aller Reflexion liegt das Begriffspaar Materie und Form zugrunde. Im Falle der logischen Reflexion handelt es sich um ein Verhältnis zweier Begriffe (Materie), die durch die Kopula (Forma) in einem Urteil verknüpft sind. Dies lässt uns konkludieren, dass die gemeinsame Form der Reflexion von logischen Attributen Ai, A2 usw. eines Begriffs durch die Gestalt ,A ist Aj', ,A ist A2' usf. bestimmt wird.6 Des Weiteren darf die ästhetische Idee nicht mit dem ,Charakter' gleichgesetzt werden, denn ihre Funktion geht über eine bloße Wiedergabe vergangener Vorstellungen hinaus. Der Unterschied der Begriffe der ästhetischen Idee und der symbolischen Darstellung soll weiter aus der Hinsicht ihrer Funktion deutlich gemacht werden. Die These Kants, dass die Schönheit Symbol der Sittlichkeit sei, ist die Behauptung einer bestimmten Analogie zwischen dem ästhetischen und dem moralischen Gebiet. Die These lässt sich folgendermaßen umformulieren (man kann sagen in der Form von Schillers philosophischem Programm): die Darstellung einer ästhetischen Idee symbolisiert moralische Ideen, vornehmlich die Idee der Freiheit. Ich will mich mit der inhaltlichen Seite dieser kardinalen Analogie nicht befassen, über deren Stichhaltigkeit 6 Hinzugefügt sei, dass ein verwandtes Argument ebenso aus Kants Logik hergeleitet werden kann. Vgl. Kong (1995.S. SS. 38 f.) • fei Sekundärliteratur gestritten wird.7 Wenn wir sie einräumten, so würde I wS^tajS ästhetische Idee von ihrem Inhalt abgesehen und so nur Lr Form halber die Idee der Freiheit symbolisiert. Betrachten wir aber Kants eigene Beispiele, an denen er die Funktionsweise ästhetischer Ideen ^striertEs kommen da Ausdrücke vor wie .Wohltaten", .Wohl der Welt', Tugend' (Kant KdU, SS. 315 f.A196), die durchweg schon ihrem Inhalt nach in das moralische Gebiet verweisen. In dem selben Paragrafen sagt Kant hingegen, dass ästhetische Ideen auch andere Vernunftbegriffe wie „das Reich der Seligen, das Höllenreich, die Ewigkeit, die Schöpfung" (Kant KdU, S. 314 A194) zu versinnlichen vermögen. Das Verhältnis dieser Begriffe zu dem moralischen Gebiet ist nicht so leicht durchschaubar. Aus einer anderen Sicht sind wir wieder zu unserem Problem gelangt: Ist eine ästhetische Idee eine (indirekte) Darstellung einer bestimmten Vernunftidee? Wie diese Frage in die semantisierende Terminologie der analytischen Philosophie zu transponieren ist, werden wir im nachten Abschnitt sehen. Die Interaktionstheorie von Max Black Das Interesse der analytischen Philosophie an der Metapher wurde durch einige Arbeiten von Max Black, vor allen seinen Aufsatz unter dem Titel „Metaphor", geweckt. Im Folgenden wird seine Interaktionstheorie der Metapher kurz dargestellt und ihre Affinität zu dem Begriff der symbolischen Darstellung aufgezeigt. Black untersucht die Metapher bereits in der Form einer Prädikation ,A ist B\ Den Ausdruck A nennt er das primäre Subjekt oder das Hauptsubjekt, der Ausdruck B ist dann das sekundäre Subjekt oder das Nebensubjekt. „Nehmen wir die Aussage: ,Der Mensch ist ein Wolf.' Man kann sagen, daß hier zwei Subjekte vorliegen - das Hauptsubjekt [principal subject] Mensch (oder Menschen) und das untergeordnete Subjekt [subsidiary subject] Wolf (oder Wölfe)"8 Die zwei Subjekte (Black benutzt den Terminus in einem von Kant ganz abweichenden Sinne) wirken aufeinander, oder - anders ausgedrückt - sie interagieren. Diese Wirkung spielt sich nicht direkt zwischen den beiden Subjekten ab, sondern sie betrifft sog. ,Implikationenkomplexe' oder assoziierte Implikationen'. Der Implikationenkomplex ist eine Menge von Implikationen (bzw. Problematische Seiten dieser Analogie zählt der antischillerisch eingestellte Paetzold (1983, S. 113) auf; eine affirmative Einstellung findet man bei Kong (1995, passim) oder bei Allison (2001, SS. 254-266). Vgl. dazu die Fußnote 17. Black (1996a, S. 70). Im Weiteren werden die Termini .principal subject' und .subsidiary subject' als .Pnmärsubjekť und .Sekundärsubjekt' wiedergegeben. In der zitierten deutschen Ausgabe wird der Ausdruck .subject' als .Gegenstand' übersetzt. Jakub Mácha 77 Eigenschaften) dieses oder jenes Subjekts. In Kants Terminologie entspricht dem Implikationenkomplex die Menge von logischen Attributen. Erweitert werden kann diese um gängige Ansichten (Stereotype), die Mitglieder einer sprachlichen Kommunität gemeinsam haben, und die sich etwa dem aristotelischen Begriff endoxa nähern. Die Ansichten brauchen nicht einmal wahr zu sein; es genügt, dass sie für wahr gehalten werden. Die Wahl eines Implikationenkomplexes wird somit in großem Maße vom Kontext und den weiteren Umständen eines konkreten Gebrauchs der Metapher abhängig. Den Kern der Interaktion machen drei Schritte aus: „(I) das Vorhandensein des Primärsubjekts reizt den Zuhörer dazu, einige Eigenschaften des Sekundärsubjekts auszuwählen; und (II) fordert es auf, einen parallelen ,Implikationenkomplex' zu konstruieren, der auf das Primärsubjekt paßt; und umgekehrt (III) wiederum parallel Veränderungen im Sekundärsubjekt bewirkt."9 Das Ergebnis dieses Prozesses bilden zwei Strukturen, zwischen denen ein Isomorphismus vorzufinden ist. Dieser ist näher bestimmt als ein System von Verhältnissen zwischen Paaren von Eigenschaften aus den beiden Komplexen. Black schlägt fünf Arten dieses Verhältnisses vor: „(I) Identität, (II) Erweiterung, typischerweise ad hoc, (III) Ähnlichkeit, (IV) Analogie oder (V) was man ,metaphorische Paarung' nennen könnte (wo, was oft vorkommt, die ursprüngliche Metapher untergeordnete Metaphern miteinschließt)." (Black 1996b, S. 395, Kursiv im Original) Eine konkrete Metapher braucht nicht, was diese Verhältnisse angeht, homogen zu sein, d. h. in einer Metapher kann ein Paar von Implikationen identisch sein und ein anderes als eine untergeordnete Metapher (oder Submetapher) verknüpft werden, wie weiter noch exemplifiziert wird. Max Black gibt noch eine andere Einsicht der Funktionsweise der Metapher, oder vielmehr es geht um eine Umformulierung des oben skizzierten Schemas. Es handelt sich um die Behauptung, die Metapher wähle aus, hebe hervor und organisiere Eigenschaften des Primärsubjekts. Von Wichtigkeit ist die letztgenannte Funktion - das Organisieren. Die Eigenschaften werden in spezifische Verhältnisse umgesetzt (wo die Eigenschaften des Sekundärsubjekts geläufiger sind) und somit organisiert. Dies wird dadurch ermöglicht, dass andere Eigenschaften in den Hintergrund gedrängt oder sogar vergessen werden. Den sekundären Implikationenkomplex bildet dann ein sog. analogisches Modell des Primärsubjekts. Den Begriff des analogischen Modells führt Black in seinem Aufsatz „Models and Archetypes" (1962) ein. Die Grundlage eines solchen Modells ist ,die Änderung des Mediums' [change of medium]. Als Beispiel kann ein Modell des Sonnensystems angegeben werden, in welchem 9 Black (1996b, S. S. 393). Die deutsche Übersetzung teilweise angepasst. Siehe hierzu die vorige Anm. 78 Zwiefacher Begriff der Metapher in Kants Ästhetik_____________________________^ Hir Strukturen (d h. Größenverhältnisse) bewahrt bleiben müssen. Das hľdeutet dass every incidence of a relation in the original must be echoed bTa corresponding incidence of a correlated relation in the analogue model" (Black J 962,8.222). . ... Wir wollen diese Prozedur an Kants Betspielssatz: ,ein absolutistischer Staat ist eine Handmühle' veranschaulichen, den er als symbolische Darstellung versteht. Im 18. Jahrhundert war die Handmühle eine verbreitete Maschine, die zum Mahlen von Getreide diente. Folgende Eigenschaften des Sekundärsubjekts bieten sich an: Maschine, durch einen zentralen Hebel gesteuert, arbeitet zu Gunsten ihres Inhabers, zermahlt alles, was hineinkommt. Das Primärsubjekt könnte sein: Staat, von einem Machthaber beherrscht, der seine Einwohner unterdrückt. Die beiden Begriffe (Handmühle so wie Staat) weisen eine analogische Struktur auf, deren Elemente auf verschiedene Art in ein Verhältnis gesetzt oder sogar gleichgesetzt werden können. ,Der Staat ist eine Maschine' ist eine untergeordnete Metapher, der Machthaber wird mit dem Maschineinhaber identisch, eine andere untergeordnete Metapher wäre .der Mensch ist das Getreidekorn', denn beide werden zu einer einheitlichen Masse zermahlen. die weiter zu verwenden ist. Wie Kants symbolische Darstellung, so drückt auch die Metapher in der Abfassung durch Blacks Interaktionstheorie eine analogische Struktur zwischen zwei Begriffen aus. Diese wird von Eigenschaften der involvierten Begriffe gebildet, die Kant .Form der Reflexion' und Black,Stereotype' [commonplaces] nennt. Der objektive Grundzug beider Auffassungen muss betont werden, der kein freies Spiel der Einbildungskraft zulässt. Damit wird der Zusammenhang /u dem ästhetischen Bereich pioblematisiert. Einer symbolischen Darstellung wie auch einer Metapher nach der Interaktionstheorie kann das Prädikat ,schön' nicht ohne Weiteres beigelegt werden. Dank der Objektivität der lmplikationenkomplexe vermögen Metaphern r Interaktionstheorie zufolge Wahrheitswerte auszudrücken, obzwar nur de indirekt. So verfügen sie über eine metaphorische Bedeutung und können zur Erkenntnis fuhren. Die Kritik von Donald Davidson Im Jahre 1978 trat Donald Davidson mit einem provokativen Aufsatz „Was Metaphern bedeuten" (1998) hervor. Er warf manchen älteren Theorien der Metapher und vorzugsweise der Interaktionstheorie Max Blacks vor, einen grundsät/hehen fehler [central mistake] begangen zu haben. Der Fehler Meht laut Dav.dson in der Annahme, „eine Metapher habe zusätzlich zu mrem buehstäbhehen Sinn oder ihrer buchstäblichen Bedeutung einen weiteren Jakub Mácha 79 or Sinn, eine weitere Bedeutung" (Davidson 1998, S. 50). Davidson lehnt *, allem die Idee ab die Metapher sei eine Art Kommunikation; der Spreche lege in sie eine verborgene Botschaft (eine metaphorische Bedeutung hinein welche der Hörer, der Empfänger hierauf dekodieren oder enträtseln soll Diese negative Einstellung wird mit einer Reihe mehr oder minder durchschlagender Argumente unterstützt. Wir wollen zwei, die unsere Problematik betreffen näher analysieren. Das erste Argument ist ein Hinweis darauf, dass die Entstehung sowie die Rezeption von Metaphern eher subjektiv zu verstehen ist: „Auch das Verstehen einer Metapher ist ebensosehr schöpferisches Bemühen wie das Hervorbringen einer Metapher, und es ist ebensowenig von Regeln geleitet." (Davidson 1998, S. 49) Eine Metapher kann beim Leser eine Menge von Vorstellungen erwecken. Es handelt sich aber nicht um die Analyse eines Begriffe, sondern um einen psychologisch verstandenen assoziativen Prozess, der als kausal zu charakterisieren ist. Der Fehler der Interaktionstheorie besteht darin, dass sie diesen Prozess für die metaphorischen Bedeutung (d. h. für die Botschaft, die kommuniziert wird) erklärt. Davidson leugnet jedoch nicht, dass uns die Metapher auf irgendeine Erkenntnis zu bringen vermag. Die Bindung dieser Erkenntnis an die vorausgehende metaphorische Äußerung ist aber nicht semantisch, sondern nur kausal. Dies führt uns zu dem zweiten Argument: Die Idee der metaphorischen Bedeutung oder der metaphorischen Wahrheit, behauptet Davidson, erklärt die Metaphern nicht, sondern die Metapher erklärt sie. Das wird in der Form eines häufig zitierten Aphorismus verdichtet: „Diese Bedeutung aber einfach in der Metapher anzusiedeln, ist so ähnlich, als wollte man die Wirkung einer Schlaftablette durch die vis dormitiva erklären."11 Dieser Satz Davidsons nimmt ein Wortspiel Nietzsches oder vielmehr Moliéres auf, das sich gegen das Vermögen als einen Schlüsselbegriff des philosophischen Systems Kants richtet.12 Das Argument zielt kritisch auf jene Auffassung der metaphorischen 10 Es ist zu bemerken, dass schon in der mittelalterlichen Logik (u. a. bei Peter von Spanien, Duns Scotus) semantische Relationen als eine Subklasse von kausalen Relationen verstanden worden sind. Auch bei Davidson bilden sie keine Gegensätze. Der Appell an den kausalen Charakter des Verhältnisses zwischen einer metaphorischen Äußerung und der nachfolgenden Erkenntnis bedeutet also, dass dieses die Grenzen der Semantik überschreitet. 11 Davidson (1998. S. 52, Hervorhebung im Original). Der lateinische Ausdruck vis dormitiva', der die vermutliche Anspielung auf Nietzsche oder Moliěre evidenter macht, stamnu erst vom Übersetzer ins Deutsche. Im Original steht lediglich .dormative power'. 12 Vgl. folgendes Zitat aus Jenseits von Gut und Böse: „Wie sind synthetische Urteile a priori möglich? fragte sich Kant. - und was antwortete er eigentlich? Vermöge emes Vermögen« [...] - hatte er gesagt, mindestens gemeint. Aber ist denn das - eine Antwort? bine &UtoWV Oder nicht vielmehr nur eine Wiederholung der Krage? Wie macht doch das Opium seh Wen. »Vermöge eines Vermögens«, nämlich der virtus dormitiva - antwortet jener Arzt be. Monere . (Nietzsche 1954. S. SS. 575 f.) 80 Zwiefacher Begriff der Metapher in KantsAstheM Bedeutung als etwas, das die Gesprächspartner vorher teilen müssen, um sich miteinander verständigen zu können. Erst wenn der Rezipient eine Metapher auf seine Art und Weise begriffen hat, wird er im Stande sein anzugeben, was jene Erkenntnis (die metaphorische Wahrheit) ist, zu der ihn die Metapher geleitet hat. Die Metapher wäre sonach ein Sprachgebrauch, in dem ein propositionaler Inhalt (wiewohl indirekt) ausgedrückt würde. Der Kreuzungspunkt der beiden Argumente ist die Einsicht, dass die spezifische metaphorische Bedeutung aus der Metapher einen mehrdeutigen Ausdruck, d. h. eine tote Metapher, eine Polysemie machen würde. Wäre die metaphorische Bedeutung schon in dem ursprünglichen Begriff beinhaltet oder aus ihm auf irgendeine Weise durch öffentliche Regeln ableitbar, so würde sich die metaphorische Bedeutung von der buchstäblichen nicht unterscheiden. Sie würde zu einer anderen, sekundären, zeitlich späteren Bedeutung eines Wortes. So bezeichnet z. B. der Ausdruck ,Wurm' eine Sorte von wirbellosen Lebewesen. Andere Bedeutungen könnten wir für metaphorisch oder sekundär halten: kleines Kind oder auch armseliges Geschöpf. Alle diese Bedeutungen sind allerdings in Wörterbüchern zu finden und, wenngleich sie einstmals (lebendige) Metaphern gewesen sind, muss man die metaphorischen Zusammenhänge für den heutigen Sprachgebrauch nicht mehr kennen. Falls das Begreifen einer Metapher zur metaphorischen Bedeutung führen kann, öffnet sich der Weg, wie die Metapher durch Begriffe erreichbar werden kann. Der Rezipient einer Metapher kann die Wirkung oder den Effekt begrifflich erfassen, den sie bei ihm hervorgerufen hat. Hierin sieht Davidson die Rolle der Kunstkritik: Ein erfahrener Kritiker kann einem faulen oder unkundigen Leser helfen, alle Zusammenhänge, Anspielungen zu bemerken, die diese oder jene Metapher hervorzurufen vermag. -* Die Metapher in der Auffassung Davidsons ist sonach nicht durchaus subjektiv und begrifflich unfassbar, sondern ihr Verständnis geht jedem begrifflichen Erfassen voran. So können wir uns eine Paraphrase erlauben: über die Metapher lässt sich nicht disputieren, obgleich darüber gar wohl und mit Recht gestritten werden kann. (Vgl. Kant. KdU, S. 338§ 56) Um zu resümieren, Davidson vergleicht seine Auffassung der Metapher mit Heraklits Aussage über das Orakel in Delphi: Es „erklärt nicht, verbirgt nicht, sondern deutet an"14. Aus dem Vorigen wird klar, dass diese Auffassung vornehmlich poetische Metaphern betrifft. Demgegenüber werden alltägliche Eine solche Auffassung der Kunstkritik ist keineswegs neu. Oscar Wilde, der übrigens alle morah-schen Werte aus der Kunst verbannen wollte und daher auch in die oben geschilderte Unie gehört, schrieb in der Vorrede zu dem Roman Das Bildnis des Dorian Gray folgendes: „The cnuc is he who can translate into another manner or a new material his impression of beautiful things. (Wilde 1980, S. 17.) tite, Stutiua^ids°s (2548' S' S' ^ ^ ^ ^^ ^ Mansfeld' J" <1983)'Die V°rS°km' Jakub Mácha 81 Metaphern, mit denen sich Black vornehmlich befasste, in den Hintergrund gedrängt. Darin muss man auch einen problematischen Punkt von Davidsons Konzeption sehen. Wenn wir zugeben würden, dass unsere alltägliche (wissenschaftliche, philosophische) Sprache in hohem Maße von Metaphern durchdrungen wird, wie bei Lakoff und Johnson (1980) und teilweise auch bei Blumenberg (1960), so müssten wir einem großen Teil unserer Sprache die kommunikative Natur absprechen. Davidson zufolge lässt sich die Metapher - ähnlich wie die ästhetische Idee Kants - durch objektive Regel nicht beschreiben. Eine weitere Parallele, eine Konsequenz aus der vorigen, liegt in der Absenz jegliches kognitiven Gehaltes. Weiter ist zu fragen, ob ästhetische Ideen indirekt bestimmte Vernunftideen darstellen können. Eine Antwort auf diese Frage steht noch aus. Viele Stellen in derKritik der UrteilskrafťwQisen auf die bejahende Antwort hin, die aber anhand von den oben dargelegten Argumenten Davidsons zurückzuweisen ist.l ^ Schlussfolgerung Der Unterschied zwischen der ästhetischen Idee und der symbolischen Darstellung darf nicht verwischt werden - ebenso wenig wie derjenige zwischen poetischen Metaphern, die Davidson erforscht, und alltäglichen Metaphern, die mithilfe der Interaktionstheorie analysiert werden können. Kant sagt mit Recht, dass unsere Sprache voll von symbolischen Darstellungen ist, d. i. von alltäglichen Metaphern. Dies bedeutet aber nicht, dass es sich um Äußerungen ästhetischer Ideen handelt. Falls wir einräumten, dass ästhetische Ideen (indirekt) Vernunftideen darstellen, unterschieden sie sich, was ihre Funktion angeht, von symbolischen Darstellungen nicht.16 Diese Einsicht ist deutlicher an dem Unterschied der Theorien von Max Black und Donald Davidson zu demonstrieren. Wie ist also die Funktion ästhetischer Ideen zu bestimmen? Es widerspräche dem Geist der Kritik der Urteilskraft, den ästhetischen Ideen jegliches Verhältnis zu dem Gebiet der Vernunft abzusprechen. Auf der anderen Seite führte die 15 Eine gewisse Affinität zwischen der ästhetischen Idee Kants und der Auffassung der Metapher von Davidson ist nur angedeutet in Cohen (1975, S. 671) und explizit erwähnt in Camp (2003, Kap. 2.2). Es muss betont werden, dass es sich im Hinblick auf die Metapher um eine bloße oberflächliche Verwandtschaft handelt. Kant hat die ästhetische Idee viel allgemeiner als theoretische Rekonstruktion jeder ästhetischen Erfahrung gefasst: „Man kann überhaupt Schönheit [...] den Ausdruck ästhetischer Ideen nennen." (KdU, S. 320) Er hat nicht die ästhetische Idee mit der Metapher gleichgesetzt oder nur auf die Metapher beschränkt. 16 Allison sagt unlängst im ähnlichen Sinne: „The point is not that all such symbols are aesthetic ideas but, rather, that these ideas constitute a significant subset of possible symbols oi rational ideas" (Allison 2001, S. 258). 82 Zwiefacher Begriff der Metapher in Kants Ästhetik Reduktion der Funktion von ästhetischen Ideen auf eine Darstellung von moralischen Ideen wie etwa der Freiheit zu dem im vorhergehenden Text ausgeführten Problem. Dies bemerkt auch Paetzold: „Wir wüßten immer schon, wovon das Ästhetische bloße - wenn auch indirekte - Darstellung in der Anschauung wäre." (1983, S. 114) Ähnlich, wie Davidson eine konkrete metaphorische Bedeutung dieser oder jener Metapher ablehnt, so ist ebenso abzuweisen, dass die ästhetische Idee die indirekte Darstellung einer ein für allemal bestimmten Vernunftidee ist. Ästhetische Ideen beziehen sich zwar auf die Vernunft, aber nicht auf eine spezifische Vernunftidee. Daher ist zu verstehen, dass ihr Ziel das oberste Prinzip der Einheit der Vernunft, das Unbedingte, ist. Dies gesteht auch Kant zu, indem er die Inschrift an dem Tempel der Göttin Isis für den erhabensten Gedanken erklärt: „Ich bin alles was da ist, was da war, und was da sein wird, und meinen Schleier hat kein Sterblicher aufgedeckt." (Kant KdU, S. 316 n.A316) Schönheit als Ausdruck ästhetischer Ideen ermöglicht uns in dem Medium der Anschauung, die Welt und unsere Stellung in ihr durch andere Augen zu sehen, - durch Augen, die nicht von Begriffen und vom Verstand belastet sind. Dies ist ein Vorgriff auf jenen romantischen Gedanken, dass Schönheit ein irreduzibles und in gewisser Weise primordiales Verhältnis des Menschen zur Welt sei. Vom heutigen Standpunkt kann man nicht behaupten, Kant habe die gegenwärtige Metapherndiskussion antizipiert oder ihr vorgegriffen; er hat nämlich die beiden diskutierten Strukturen nicht miteinander explizit konfrontiert oder sie als Gegensätze verstehen wollen. Dies tun unter dem Stichwort „Metapher" Black und Davidson, denn erst die Zuordnung der beiden Strukturen zu demselben sprachlichen Phänomen ermöglicht die Fragestellung, welche der Metapherndiskussion zugrunde liegt - d. h. das Problem, was Metaphern bedeuten. Jakub Mácha Department of Philosophy Masaryk University, Czech Republic macha@mail.muni.cz Kant die ÍUS? í'".fkUtÍerten § 59 "Von der Schönheit als Symbol der Sittlichkeit" erwähnt fom al ľuľeíShľ ľ^ DÍe Ín diesem Par^afen dargestellte Analogie ist nur rein Wenn wir uberdíľ' h.als Analogie in der Stmk^ der ästhetischen und moralischen Urteile. Vernunftideen i^JvlV^ KomParation einräumten, dass ästhetische Ideen bestimmte dSSSi1» vTgen'wie es z-B-Allison <2001's- 263> *so darf fining mcnt auf Intentionen des Autors zurückgeführt werden. Jakub Mácha 83 Literatur Allison, Henry E. (2001), Kanťs Theory of Taste: A Reading of the Critique of Aesthetic Judgement, Cambridge University Press, Cambridge. Black, Max (1996a), „Die Metapher", in: Haverkamp, Anselm (Hrgs.), Theorie der Metapher, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, S. S. 54-105. Orig. inBlack, Max (1954), „Metaphor", Proceedings of the Aristotelian Societx- voľ 5S S. 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