Recht in der Zeit des 2. Weltkrieges


Übersicht

  1. Zweite Tschechoslowakische Republik
  2. Gründung des Protektorats Böhmen und Mähren
  3. Staatsverwaltung im Protektorat
  4. Entwicklung des Protektoratsrechts
    1. Rezeption des deutschen Rechts
    2. Einführung Nürnberger Gesetze
    3. Einführung antijüdischer Gesetzgebung
  5. „Beneš-Dekrete“ und Vertreibung der Deutschen und Magyaren
    aus der Tschechoslowakei
    1. Dekret des Präsidenten Nr. 5 über die Nichtigkeit mancher vermögensrechtlicher Handlungen
    2. Dekret des Präsidenten Nr. 12 über die Konfiskation und beschleunigte Verteilung des Landwirtschaftsvermögens der Deutschen, Ungarn, sowie auch Verräter und Feinden des tschechischen und slowakischen Volkes'
    3. Dekret des Präsidenten Nr. 16 über die Bestrafung der nationalsozialistischen Verbrecher, Verräter und ihrer Helfer und über die außerordentlichen Volksgerichte
    4. Verfassungsdekret des Präsidenten Nr. 31 über Regelung der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft der Personen mit der deutschen und ungarischen nationalen Zugehörigkeit'
    5. Dekret des Präsidenten Nr. 71 über die Arbeitspflicht der Personen, die die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft verloren haben
    6. Dekret des Präsidenten Nr. 108 über die Konfiskation des feindlichen Eigentums und die Fonds der Nationalwiederaufbau

Protektorat Böhmen und Mähren

  • Am 14. März 1939 wurde der Slowakische Staat ausgerufen und trennte sich von der Tschecho-Slowakei ab (Präsident Jozef Tiso); Tschechen wurden vertrieben, antijüdische Politik; Karpatoukraine wurde zu Ungarn angeschlossen
  • Am 14. März wurde Präsident Hácha nach Berlin eingeladen und zur Unterschreibung der Erklärung gezwungen, in der er für die „Resttschechei“ den Schutz des Deutschen Reiches verlangt.
  • Am 15. März wurde die „Resttschechei“ von den deutschen Truppen besetzt
  • Das Protektorat Böhmen und Mähren war Bestandteil des "Großdeutschen Reichs und umfasste die überwiegend von Tschechen bewohnten Teile Böhmens und Mährens
  • Der erste Reichsprotektor war Konstantin Freiherr von Neurath
  • Die Organisation des Protektorats erfolgte durch eine autonome tschechische Verwaltung. Die Regierung durfte ihre Hoheitsrechte nur im Einklang mit den politischen, militärischen und ökonomischen Interessen Deutschlands ausüben. Sie stand unter der Aufsicht eines Reichsprotektors.
  • Staatsoberhaupt blieb Dr. Emil Hácha
  • Reichsprotektor besaß gegenüber der Protektoratsregierung unbegrenzte Eingriffsmöglichkeiten und konnte deren Gesetze jederzeit aufheben.
  • Seine Macht wurde im Verlauf des Zweiten Weltkriegs noch dadurch verstärkt, dass nahezu alle Schlüsselfunktionen der Verwaltung von Deutschen besetzt wurden
  • wesentliche Teile der Wirtschaft fielen direkt unter deutsche Kontrolle
  • der zweite Reichsprotektor war Reinhard Heydrich, blieb aber gleichzeitig Chef des RSHA
  • Mit harter Unterdrückung wie Massenhinrichtungen, aber auch mit einer Befriedungspolitik durch Verbesserung der Lebensumstände versuchte Heydrich, den wachsenden Widerstand der tschechischen Oppositionsbewegung zu brechen
  • Am Morgen des 27. Mai 1942 wurde ein Attentat auf Heydrich verübt
  • Vergeltung für das Attentat: Das Dorf Lidice wurde dem Erdboden gleichgemacht; alle männlichen Bewohner über 16 Jahre wurden getötet; Frauen wurden in Konzentrationslager verschleppt

Das Recht im Protektorat

3 Arten der Bevölkerung:

  1. Reichsbürger: unterstanden den Reichsorganen und der Jurisdiktion der deutschen Gerichte (3 Instanzenzug: 12 Amtsgerichte, 3 Landesgerichte und Oberlandesgericht); Reichsbürger hatten Vertretung im Reichstag, hatten Vorteile gegenüber der tschechischen Bevölkerung: z.B. im Arbeitsrecht, in der Sozialversicherung,
  2. Protektoratsbürger: (hatten tschechische Nationalität); Protektoratsrecht = tschechoslowakische Recht + manche Rechtsvorschriften des Deutschen Reiches; manche strafrechtliche Vorschriften wurden auch auf Protektoratsbürger angewendet (Landesverrat, Angriff auf den Führer…);
    Bildung von Sondergerichten (zuständig für politische Straftaten) – Prozess wurde vereinfacht und verkürzt; Protektoratsbürger wurden auch vor dem Volksgerichtshof in Berlin gerichtet
    Arbeitsrecht: Einführung der allgemeinen Arbeitspflicht, Arbeitsbücher wurden eingeführt; Zwangsarbeit im Protektorat und im Deutschen Reich
  3. Juden: wurden entrechtet
    Die Nürnberger Gesetze von 15. September 1935 wurden rezipiert:

Die Beneš – Dekrete

Dekret Nr. 5 vom 19. Mai 1945

„Dekret des Präsidenten über die Nichtigkeit mancher vermögensrechtlicher Handlungen aus der Zeit der Unfreiheit und über die Nationalverwaltung der Vermögenswerten der Deutschen, Ungarn, Verräter und Kollaborateure und mancher Organisationen und Institutionen“

  • :§ 2 (1) Das im Gebiet der Tschechoslowakischen Republik befindliche Vermögen der staatlich unzuverlässigen Personen wird gemäß den weiteren Bestimmungen dieses Dekrets unter nationale Verwaltung gestellt [...]
  • :§ 4 Als staatlich unzuverlässige Personen sind anzusehen:
    • ::a) Personen deutscher oder magyarischer (=ungarischer) Nationalität [...]
  • :§ 6 Als Personen deutscher oder magyarischer Nationalität sind Personen anzusehen, die sich bei irgendeiner Volkszählung seit dem Jahre 1929 zur deutschen oder magyarischen Nationalität bekannt haben oder Mitglieder nationaler Gruppen, Formationen oder politischer Parteien geworden sind, die sich aus Personen deutscher oder magyarischer Nationalität zusammensetzen.

Bereits vier Wochen später waren sämtliche deutschen und ungarischen Unternehmen in Böhmen und Mähren nationalen Verwaltern unterstellt (insgesamt etwa 10.000 Betriebe mit etwa einer Million Beschäftigten).

Dekret Nr. 12 vom 21. Juni 1945

„Dekret des Präsidenten über die Konfiskation und beschleunigte Verteilung des Landwirtschaftsvermögens der Deutschen, Ungarn, sowie auch Verräter und Feinden des tschechischen und slowakischen Volkes“

  • § 1 (1) Mit augenblicklicher Wirksamkeit und entschädigungslos wird für die Zwecke der Bodenreform das landwirtschaftliche Vermögen enteignet, das im Eigentum steht:
    • ::a) aller Personen deutscher und magyarischer Nationalität, ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit, [...]
  • :(2) Personen deutscher und magyarischer Nationalität, die sich aktiv am Kampf für die Wahrung der Integrität und die Befreiung der Tschechoslowakischen Republik beteiligt haben, wird das landwirtschaftliche Vermögen nach Absatz 1 nicht konfisziert.
  • :(3) Darüber, ob eine Ausnahme nach Absatz 2 zulässig ist, entscheidet auf Antrag der zuständigen Bauernkommission der zuständige Bezirksnationalausschuss [...]

Dekret Nr. 16 vom 19. Juni 1945

„Dekret des Präsidenten über die Bestrafung der nationalsozialistischen Verbrecher, Verräter und ihrer Helfer und über die außerordentlichen Volksgerichte“

Dekret Nr. 28 vom 28. Juli 1945

„Dekret des Präsidenten über die Siedlungstätigkeit der landwirtschaftlichen Nutzflächen der Deutschen, Ungarn und anderen Feinden des Staates durch tschechische, slowakische und andere slawische Landwirte“

Dekret Nr. 33 vom 2. August 1945

„Verfassungsdekret des Präsidenten über Regelung der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft der Personen mit der deutschen und ungarischen nationalen Zugehörigkeit“

  • § 1 (1) Die tschechoslowakischen Staatsbürger deutscher oder magyarischer Nationalität, die nach den Vorschriften einer fremden Besatzungsmacht die deutsche oder magyarische Staatsangehörigkeit erworben haben, haben mit dem Tage des Erwerbs dieser Staatsangehörigkeit die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft verloren.
  • :(2) Die übrigen tschechoslowakischen Staatsbürger deutscher oder magyarischer Nationalität verlieren die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft mit dem Tage, an dem dieses Dekret in Kraft tritt [...]
  • :§ 2 (1) Personen, welche unter die Bestimmungen des § 1 fallen und nachweisen, dass sie der Tschechoslowakischen Republik treu geblieben sind, sich niemals gegen das tschechische und slowakische Volk vergangen und sich entweder aktiv am Kampf um seine Befreiung beteiligt oder unter dem nazistischen oder faschistischen Terror gelitten haben, bleibt die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft erhalten.

Dekret Nr. 71 vom 19. September 1945

„Dekret des Präsidenten über die Arbeitspflicht der Personen, die die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft verloren haben“

  • § 1.1 Zur Beseitigung und Wiedergutmachung der durch den Krieg und die Luftangriffe verursachten Schäden, wie auch zur Wiederherstellung des durch den Krieg zerrütteten Wirtschaftslebens wird eine '''Arbeitspflicht''' der Personen eingeführt, die nach dem Verfassungsdekret des Präsidenten der Republik vom 2. August 1945, Slg. Nr. 33, über die Regelung der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft der Personen deutscher und madjarischer Nationalität, die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft verloren haben. Die Arbeitspflicht erstreckt sich auch auf Personen tschechischer, slowakischer oder einer anderen slawischen Nationalität, die sich in der Zeit der erhöhten Bedrohung der Republik um die Erteilung der deutschen oder der madjarischer Staatsangehörigkeit beworben haben, ohne dazu durch Zwang oder besondere Umstände gezwungen zu sein.
  • :§ 2.1 Der Arbeitspflicht unterliegen Männer vom vollendeten 14. bis zum vollendeten 60. Lebensjahr und Frauen vom vollendeten 15. bis zum vollendeten 50. Lebensjahr.

Dekret Nr. 108 vom 25. Oktober 1945

„Dekret des Präsidenten über die Konfiskation des feindlichen Eigentums und die Fonden der Nationalwiederaufbau“

  • :§ 1 (1) Konfisziert wird ohne Entschädigung [...] für die Tschechoslowakische Republik das unbewegliche und bewegliche Vermögen, namentlich auch die Vermögensrechte (wie Forderungen, Wertpapiere, Einlagen, immaterielle Rechte), das bis zum Tage der tatsächlichen Beendigung der deutschen und magyarischen Okkupation in Eigentum stand oder noch steht: [...]
  • :2. physischer Personen deutscher oder magyarischer Nationalität, mit Ausnahme der Personen, die nachweisen, dass sie der Tschechoslowakischen Republik treu geblieben sind, sich niemals gegen das tschechische und slowakische Volk vergangen haben und sich entweder aktiv am Kampf für deren Befreiung beteiligt oder unter dem nazistischen oder faschistischen Terror gelitten haben.
  • :3. physischer Personen, die [...] der Germanisierung oder Magyarisierung auf dem Gebiete der Tschechoslowakischen Republik Vorschub geleistet (haben) [...] wie auch von Personen, die eine solche Tätigkeit bei Personen, welche ihr Vermögen oder Unternehmen verwalteten, geduldet haben.“

Dekret Nr. 123/1945 vom 18. Oktober 1945

„Dekret des Präsidenten über die Auflösung der deutschen Hochschulen in Prag und in Brünn“

Dokumente

Video- und Audiodateien

Es handelt sich um eine verkürzte Version des Werkes "Die tschechische und tschechoslowakische Rechtsgeschichte" ohne Video- und Audiodateien. Die Vollversion ist nur für den Unterricht und das Selbststudium im Rahmen der Masaryk-Universität bestimmt. Der Zugang ist nur nach einer autorisierten Anmeldung in das Informationssystem der MU möglich

Bilder

Adolf Hitler auf dem Hradschin in Prag
Adolf Hitler
auf dem Hradschin in Prag
Reichsprotektor Konstantin v Neurath und Protektoratspräsident Emil Hácha
Reichsprotektor Konstantin v
Neurath und
Protektoratspräsident
Emil Hácha
Heydrich und Hácha bei Besichtigung der Krönungsklenodien
Heydrich und Hácha bei
Besichtigung der
Krönungsklenodien

R Heydrich und der Protektoratsminister für Schulwesen und Propaganda E Moravec
R Heydrich und der
Protektoratsminister für
Schulwesen und Propaganda
E Moravec
Das Massaker von Lidice 1942
Das Massaker von Lidice 1942
Lager mit sudetendeutschen Vertriebenen in der amerikanischen Zone – 1945
Lager mit sudetendeutschen
Vertriebenen in der
amerikanischen Zone –
1945
Vertriebene Deutsche aus Pilsen – Mai 1945
Vertriebene Deutsche aus
Pilsen – Mai 1945
Abbildungsquelle:
Veselý, Z.: Dějiny české politiky v dokumentech, Praha: Professional publishing, 2005. und Rill, B.: Böhmen und Mähren. Geschichte im Herzen Mitteleuropas. Gernsbach: Casimir Katz Verlag, 2006.
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