Schwur vom 13. April 1918 – geleistet auf dem Kongress der vaterlandsfeindlichen Nationen der österreichisch-ungarischen Monarchie anlässlich des 50. Jahrestages der Grundsteinlegung zum tschechischen Nationaltheater

Tschechoslowakisches Volk!

Der ungeheurere Krieg der ganzen Welt erreicht seinen Höhepunkt. Ungezählte Scharen von tschechoslowakischen Männern und Frauen verharren in Schmerz und Jammer. In Strömen floss und fließt auf den Kriegsschauplätzen tschechoslowakisches Blut. Zahllose Gräber unserer Toten sind Denksteine der Verluste des tschechoslowakischen Volkes. Grenzloser und endloser Jammer vernichtet die Menschenleben und die ängstlichen Augen der Mütter blicken in Verzweiflung auf die verdorrenden Generationen der tschechoslowakischen Jugend. Alle diese maßlosen Opfer wurden uns aufgebürdet durch einen Krieg, welchen wir nicht gewollt haben und für welchen wir nicht verantwortlich sind. Unerschüttert und durch die Leiden gestählt, glaubte und glaubt unser Volk, dass auch ihm aus den Stürmen des Weltkrieges endlich ein neues besseres Leben erblühen werde, und dass seine allgemein menschlichen Wünsche ihre Erfüllung finden werden in einem allgemeinen Frieden, der die Menschheit auf ewig vor einer Wiederholung der heutigen Katastrophe bewahren wird. Wir wollten und wollen nichts anderes als ein freies, unabhängiges Leben führen, unser Schicksal unter eigener Souveränität verwalten und ohne Fessel und in Freiheit unser Dasein aufbauen, wie dies jedes selbstbewusste Volk in der ganzen Kulturwelt anstrebt. Dies ist unser hochheiligstes Recht, ein nationales und internationales Recht, das Recht eines Volkes, welches seine Verdienste um die Weltkultur hat, und welches durch seine Bildung, seine sittlichen Kräfte und seinen wirtschaftlichen Aufschwung mit Stolz seine Arbeit in die erste Reihe der demokratischen Völker der Welt gestellt hat. Dies ist der einige und einheitliche Wille der Nation!

An diesem Willen wird nichts etwas ändern, weder die böswillig entfesselten Hassausbrüche unter den benachbarten Völkern, noch die missbrauchten Tränen unschuldiger Mütter und Frauen, noch das ausgesprochene Aushungerungssystem gegen alle Schichten der Nation. Und vergeblich sind alle Versuche, die Nation zu entzweien oder ihren festen Willen durch Drohungen zu untergraben.

Tschechoslowakisches Volk!

Wir haben uns hier als Deine berufenen Vertreter versammelt, um nach oben und nach unten darzutun, dass die ganze Nation, einig wie niemals in ihrer Geschichte, als granitener Wall hinter allem steht, was Deine Delegation in ihren denkwürdigen und historischen Deklarationen zum Ausdrucke gebracht hat. So stehen wir hier! Und in dem festen unerschütterlichen Vertrauen auf den endgültigen Sieg unserer heiligsten Rechte, im Vertrauen auf den Sieg der Gerechtigkeit, auf den Sieg des Rechtes über die Gewalt, der Freiheit über die Unterdrückung, der Demokratie über die Privilegien und der Wahrheit über die Lüge in der großen Entwicklung der Weltgeschichte erheben wir unsere Hände und geloben heute und für alle Zukunft bei dem teureren Angedenken an die Vorfahren, vor den Augen der wiedererstandenen Nation und über den Gräbern der Gefallenen, in machtvollem Zusammenklange aller unserer Seelen: Wir bleiben, wo wir standen! Treu in der Arbeit, treu im Kampfe, treu im Leide, treu bis zum Grabe! Wir werden aushalten, bis wir siegen! Wir werden aushalten, bis wir die Unabhängigkeit unseres Volkes begrüßen werden! Heil Dir, tschechoslowakisches Volk! Bleibe ein blühender Stamm, Deine Zeit wird anbrechen! Wachse, blühe auf und entfalte Dich, frei in Deinem Heimatlande und in der großen, brüderlichen Familie der Völker, der Welt zu Deinem Glück und zum Heile der künftigen Befreiung der Menschheit!

Abbildungsquelle:
Epstein, Leo: Studienausgabe der Verfassungsgesetze der Tschechoslowakischen Republik. Reichenberg, 1932.
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