Erster Beschluss der provisorischen Nationalversammlung für DeutschÖsterreich vom 21. Oktober 1918

Das deutsche Volk in Österreich ist entschlossen, seine künftige staatliche Ordnung selbst zu bestimmen, einen s e l b s t ä n d i g e n d e u t s c h ö s t e r r e i c h i s c h e n S t a a t, zu bilden und seine Beziehungen zu den anderen Nationen durch freie Vereinbarungen mit ihnen zu regeln. Der deutschösterreichische Staat beansprucht die Gebietsgewalt über das g a n z e d e u t s c h e S i e d l u n g s gebiet, insbesondere auch in den Sudetenländern. Jeder Annexion von Gebieten, die von deutschen Bauern, Arbeitern und Bürgern bewohnt werden, durch andere Nationen wird sich der deutschösterreichische Staat widersetzen. Den Zugang des deutschen Volkes zum Adriatischen Meere wird er durch Vereinbarungen mit den anderen Nationen sicherzustellen suchen.

Das deutsche Volk in Österreich wird eine konstituierende Nationalversammlung wählen. Die konstituierende Nationalversammlung, auf Grund des "allgemeinen und gleichen Wahlrechtes gewählt, wird die Verfassung des deutschösterreichischen Staates festsetzen. Bis zum Zusammentritte der konstituierenden Nationalversammlung obliegt den R e i c h s r a t s a b g e o r d n e t e n der d e u t s c h e n W a h l b e z i r k e die Pflicht, das deutsche Volk in Österreich zu vertreten. Die Gesamtheit der deutschen Abgeordneten des österreichischen Reichsrates bildet daher die p r o v i s o r i s c h e N a t i o n a 1 v e r s a m m l u n g für D e u t s c h - Ö s t e r r e i c h . Die provisorische Nationalversammlung beansprucht das Recht, bis zum Zusammentritte der konstituierenden Nationalversammlung das deutsche Volk in Österreich bei den Friedensverhandlungen zu vertreten, Verhandlungen mit den anderen Nationen über die Übertragung der Verwaltung an die neuen Nationalstaaten und über die Neugestaltung der Beziehungen zwischen den Nationen zu führen und eine Gesetzgebungsungsvollzugsgewalt einzurichten. Die provisorische Nationalversammlung wird die Wahlordnung festsetzen, auf Grund deren die konstituierende Nationalversammlung gewählt werden soll, und sie wird die Organisation der inneren Verwaltung des deutschösterreichischen Staates vorbereiten.

Die Vollversammlung der Abgeordneten der deutschen Wahlbezirke beschließt daher:

  1. sich als provisorische Nationalversammlung für Deutsch-Österreich zu konstituieren;
  2. einen Vollzugsausschuss von 20 Mitgliedern zu wählen, der der Nationalversammlung Anträge über die Verfassung des deutsch-österreichischen Staates zu unterbreiten, bis zur Bildung der deutsch-österreichischen Regierung, das deutsche Volk in Österreich gegenüber der österreichisch ungarischen und der Österreichischen Regierung und gegenüber den anderen Nationen zu vertreten und die Stellung Deutsch-Österreichs bei den Friedensverhandlungen vorzubereiten hat;
  3. einen Verfassungsausschuss zu wählen, der den Entwurf einer Wahlordnung für die Wahl der konstituierenden Nationalversammlung auszuarbeiten und in der provisorischen Nationalversammlung vorzulegen hat.

Der Vollzugsausschuss wird ermächtigt, die zur Durchführung dieser Arbeiten erforderlichen Ausgaben zu bestreiten und zu diesem Zwecke Darlehen aufzunehmen. Die Reichsratsabgeordneten des deutschen Volkes sind bereit, auf der noch bestehenden Verfassungsgrundlage an dem Zustandekommen aller jener Maßnahmen mitzuwirken, die notwendig sind, um das Rechts- und Wirtschaftsleben bis zur Übernahme aller staatlichen Verpflichtungen durch die Völker zu sichern.

Abbildungsquelle:
Epstein, Leo: Studienausgabe der Verfassungsgesetze der Tschechoslowakischen Republik. Reichenberg, 1932.
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